Um dem Missbrauch von Praktika entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber Praktikanten grundsätzlich in den Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes einbezogen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) und in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG eine Definition des Begriffs des Praktikanten vorgegeben.[1] Danach haben Praktikanten grundsätzlich einen Anspruch auf eine Vergütung in Höhe des Mindestlohns. Dieser betrug in der Zeit vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 9,35 EUR (brutto) je Zeitstunde, bis 30.6.2021 9,50 EUR, bis 31.12.2021 9,60 EUR, bis 30.6.2022 9,82 EUR, bis 30.9.2022 10,45 EUR und erhöhte sich ab dem 1.10.2022 auf 12 EUR (brutto) je Zeitstunde.

Das Mindestlohngesetz nimmt bestimmte Praktikumsverhältnisse jedoch von der Mindestlohnpflicht aus. So haben Praktikanten nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG keinen Anspruch auf eine Vergütung mindestens in Höhe des Mindestlohns, die verpflichtet sind, Praktika aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie zu leisten.

Zudem haben Praktikanten, die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 MiLoG freiwillig ein Praktikum leisten, keinen Anspruch auf eine Entlohnung in Höhe des Mindestlohns, sondern nur auf eine angemessene Vergütung, wenn sie

  • gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG ein Praktikum von bis zu 3 Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten. Hiervon erfasst werden die Praktika vor der Berufsausbildung bzw. dem Studium und die sogenannten Vorpraktika.
  • gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG ein Praktikum von bis zu 3 Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat. Hierunter fallen nur Praktika, die während der Ausbildung freiwillig geleistet werden. Ein Praktikum nach Abschluss der Ausbildung wird hingegen nicht erfasst.
  • gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MiLoG an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68–70 BBiG teilnehmen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch tatsächlich Fördermittel in Anspruch genommen werden; es genügt für die Herausnahme aus dem Kreis der mindestlohnberechtigten Praktikanten bereits, dass es sich um eine Maßnahme zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung handelt (sog. Qualifikanten).

Personen unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung nimmt § 22 Abs. 2 MiLoG ebenfalls vom Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes aus.[2]

Orientierungspraktika gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG müssen nicht an einem Stück abgeleistet werden, um mindestlohnfrei zu sein. Sie können unterbrochen werden, wenn der Praktikant dies aus persönlichen Gründen wünscht und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Die Dauer des Praktikums insgesamt darf aber 3 Monate nicht überschreiten, wenn die einzelnen Praktikumsabschnitte addiert werden. Konkret hat das BAG entschieden, dass ein zunächst für 3 Monate vereinbartes Praktikum, welches aufgrund von Arbeitsunfähigkeit des Praktikanten sowie seines Wunsches nach Schnuppertagen in anderen Unternehmen für wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechungen jeweils unverändert, aber verlängert um die Unterbrechungszeiten, fortgesetzt wurde, noch ein mindestlohnfreies Praktikum ist.[3]

 
Hinweis

Vorbeschäftigung von Praktikanten prüfen

Bei § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG stellt sich die Frage, was es bedeutet, dass "nicht zuvor" mit demselben Ausbildenden ein "solches Praktikumsverhältnis" bestanden hat. Die herrschende Meinung in der Literatur vertritt die Auffassung, dass die Formulierung streng zu verstehen und "nicht zuvor" als niemals zuvor auszulegen sei; d. h. es darf zuvor noch kein Praktikumsverhältnis begleitend zur Berufs- oder Hochschulausbildung bestanden haben. Aufgrund der Formulierung "solches Praktikumsverhältnis" soll aber ein früheres Praktikum anderer Art (z. B. ein solches zur Orientierung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG) unschädlich sein.[4] Die Übertragung der früheren Rechtsprechung des BAG zur Vorbeschäftigung bei der sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, welche die dortige Formulierung "nicht bereits zuvor" als einen 3-jährigen Karenzzeitraum verstanden hat, wurde in der Vergangenheit diskutiert, von der herrschenden Meinung aber mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes und der Notwendigkeit einer strengen Auslegung, um Missbrauch vorzubeugen, abgelehnt.[5] Nachdem das BVerfG dieser BAG-Rechtsprechung nun aber eine klare Absage erteilt hat, dürfte sich die Frage der Übertragungsmöglichkeit auf die vorliegenden Fallkonstellationen erledigt haben. Es ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass "niemals zuvor" streng zu verstehen ist.[6]

Nicht geklärt ist bisher auch, ob es zulässig ist, das Praktikum zur Gesamtdauer von 3 Monaten von vornherein in mehrere Zeitabschnitte aufzuteilen. Die wohl herrschende Meinun...

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