3.1 Gelegenheitsursache

Sind mehrere Ursachen für das Unfallereignis maßgebend (z. B. Sturz während der Arbeitszeit infolge eines Herzinfarkts), ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu entscheiden, ob ein Arbeitsunfall eingetreten ist.[1] Wenn das versicherte Unfallereignis die wesentliche Bedingung für die Unfallfolgen ist und der Gelegenheitsursache keine überragende Bedeutung zukommt, dann handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Vergleichbar sind willentlich herbeigeführte Einwirkungen (z. B. Selbstverstümmelung) oder konkurrierende Ursachen, die der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnen sind (z. B. Drogenkonsum).

Ein Arbeitsunfall ist dagegen ausgeschlossen, wenn die Gelegenheitsursache die wesentliche Ursache für das Unfallereignis war.

3.2 Eigenwirtschaftliche Tätigkeit

Wenn der Unfallverletzte zum Unfallzeitpunkt höchst persönliche Verrichtungen (wie z. B. Essen) oder eigenwirtschaftliche Verrichtungen (wie z. B. Einkaufen) ausgeführt hat, dann fehlt es am sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit; ein Arbeitsunfall ist ausgeschlossen.[1] Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten unterbrechen die versicherte Tätigkeit und damit auch den Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz lebt wieder auf, wenn anschließend die versicherte Tätigkeit wieder ausgeübt wird.[2]

Das gilt auch, wenn der versicherte Weg zur Arbeit oder zur Wohnung durch eine privatwirtschaftliche Handlung unterbrochen wird und sich dabei ein Unfall ereignet.[3]

 
Hinweis

Geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges

Eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges ist für den Versicherungsschutz unschädlich.[4] Davon ist auszugehen, wenn sie zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann.

3.3 Gemischte Tätigkeit

Gibt der Verletzte für sein Handeln sowohl versicherte als auch private Gründe an (gemischte Tätigkeit; gemischte Motivationslage), ist zur Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls darauf abzustellen, ob die Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die privaten Gründe des Handelns nicht vorgelegen hätten.[1]

 
Praxis-Beispiel

Gemischte Motivationslage

Ein Arbeitnehmer verletzt sich während der Arbeitszeit bei der Reparatur einer Hebebühne im Betrieb seines Arbeitgebers. Die Hebebühne sollte für Arbeiten am privaten Pkw des Arbeitnehmers verwendet werden. Die Arbeit gehört nicht zur Beschäftigung des Klägers. Allerdings ist die Instandsetzung der Hebebühne für den Arbeitgeber nützlich, weil sie den Einsatz der Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer oder die Vergütung eines Werkunternehmers erspart. Die Verrichtung ist einerseits durch das eigenwirtschaftliche Interesse des Klägers an der Reparatur seines Privat-Pkws motiviert gewesen, sie ist andererseits für den Arbeitgeber nützlich.

Ein Arbeitsunfall ist nicht eingetreten, weil der Arbeitnehmer ohne die Absicht, seinen privaten Pkw zu reparieren, nicht an der Hebebühne gearbeitet hätte.

3.4 Besondere Sachverhalte

Ein Eigenverschulden (Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit) des Versicherten ist in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Annahme eines Versicherungsfalls ohne Bedeutung. Auch bei eigenem Verschulden liegt ein Wegeunfall vor, wenn die übrigen Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall erfüllt sind. War jedoch Trunkenheit, Rauschgift- oder Tablettenmissbrauch die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls, entfällt der Versicherungsschutz. Gleiches gilt in den Fällen, in denen das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt wurde.

3.4.1 Alkohol

Ein Arbeitsunfall ist dann nicht gegeben, wenn die alkoholische Beeinflussung für den Eintritt des Unfalls derart bedeutsam war, dass demgegenüber die betrieblichen Umstände in den Hintergrund gedrängt und bedeutungslos werden. Ein typischer Fall der alkoholbedingten Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Von absoluter Fahruntüchtigkeit ist bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ auszugehen.[1]

 
Praxis-Tipp

Relative Fahruntüchtigkeit

Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,1 ‰ sind:

  • Fahrweise des Versicherten, z. B. überhöhte Geschwindigkeit,
  • Fahren in Schlangenlinien,
  • plötzliches Bremsen,
  • Missachten von Vorfahrtszeichen oder einer roten Ampel,
  • Überqueren einer großen Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit,
  • Benehmen bei Polizeikontrollen,
  • sonstiges Verhalten, das eine alkoholbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lässt.

3.4.2 Drogen

Ähnlich wie beim Alkoholgenuss bese...

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