1 Anordnung

Das Tragen von Berufs- oder Arbeitskleidung kann vom Arbeitgeber nur bei einem begründeten Interesse angeordnet werden. Die Zulässigkeit einer solchen Anordnung im Einzelfall hängt von der Abwägung zwischen unternehmerischem Interesse und dem betroffenen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab. Zudem muss das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachtet werden, wenn ein solcher im Betrieb besteht.

Das Tragen von Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit stellt einen Eingriff in die private Lebensführung des Arbeitnehmers dar, es dient allein dem Interesse des Arbeitgebers und kann regelmäßig nicht verpflichtend angeordnet werden.[1] Umgekehrt ist das Anlegen der Arbeitskleidung durch den Arbeitnehmer bereits zu Hause ohne Weiteres zulässig. Der Arbeitgeber hat zudem für ausreichende und angemessene Umkleidemöglichkeiten im Betrieb zu sorgen; er kann die Beschäftigten nicht auf ein Umziehen in den Toiletten verweisen.[2]

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2 Vergütungspflicht

Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)[1] vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten auffälligen Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.[2] Die Umkleidezeiten sind Teil der "versprochenen Dienste" des Arbeitnehmers i. S. v. § 611a Abs. 1 BGB und werden dem Arbeitnehmer kraft Weisungsrecht abverlangt. Zur Arbeitspflicht gehört jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Dazu gehört auch das An- und Ablegen besonderer Arbeitskleidung.[3] Dies ist etwa der Fall bei der Verpflichtung zum Tragen einheitlicher, auffälliger Dienstkleidung, z. B. mit dem Logo und den Markenfarben des Arbeitgebers.[4] Auffällig ist die Arbeitskleidung jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Gestaltung objektiv einem bestimmten Berufszweig, einer bestimmten Branche oder einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet wird.[5]

Steht fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, ist der dafür erforderliche zeitliche Umfang zu bestimmen. Dabei kommt es nicht auf die arbeitszeitrechtliche Qualifizierung der Tätigkeit als "Arbeitszeit" an.[6] Da der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen darf, kann nur die Zeitspanne angesetzt werden, die für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist (sog. modifiziert subjektiver Maßstab).[7] Zu berücksichtigen sind dabei die – u. U. wechselnden – Umstände des Einzelfalls.[8] Der Arbeitnehmer muss im Streitfall die erbrachten Umkleidezeiten substanziiert vortragen; dabei genügt nicht der Verweis auf entsprechende Aufstellungen in einer Anlage.[9] Kann der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 ZPO schätzen.[10] Der Arbeitnehmer hat nach § 611a BGB Anspruch auf Vergütung der Zeit, die für die Auswahl, Anprobe und Entgegennahme der Dienstkleidung, die mit seiner eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt und ausschließlich den Interessen des Arbeitgebers dient, sowie für die innerbetrieblichen Wege zu und von einer eventuellen Kleidungs-Ausgabestelle erforderlich ist.[11]

Die Vergütungspflicht für das außerbetriebliche, insbesondere häusliche Anlegen der Arbeitskleidung beurteilt sich anhand der Kriterien Fremdnützigkeit und Zumutbarkeit. Keine Vergütungspflicht besteht, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitskleidung bereits zu Hause anzieht und diese – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Arbeitsweg getragen werden kann. Der Arbeitnehmer spart insoweit den Einsatz eigener Kleidung ein, wodurch es an der reinen Fremdnützigkeit der Tätigkeit fehlt.[12] Diese Fremdnützigkeit fehlt nach der Rechtsprechung des BAG sogar dann, wenn es sich bei der zu Hause angezogenen Arbeitskleidung um besonders auffällige, typischerweise den Arbeitgeber kennzeichnende Kleidung handelt.[13] Die Vergütungspflicht entfällt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nicht nutzt, sondern Kleidung und Ausrüstung im privaten Bereich lagert und anzieht. Vergütungspflichtig ist jedoch der dadurch (fiktiv) eingesparte Zeitanteil, der ansonsten durch den Umweg von der angebotenen Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit zum eigentlichen Dienstort entstehen würde.[14] Dagegen soll es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sein, besonders stark verschmutzte Arbeitskleidung auch auf dem Arbeitsweg tragen zu müssen. In diesem Fall sei ein Wechseln der Kleidung vergütungspflichtig....

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