Das Streikgeschehen kennt eine Vielzahl von Erscheinungsformen, durch die Vorenthaltung von arbeitsvertraglich geschuldeter Arbeitsleistung auf den oder die Arbeitgeber Druck auszuüben. Einige von ihnen sind überkommen, andere sind in Reaktion auf Veränderungen in den Produktionsverhältnissen oder auf rechtliche Neuausrichtungen, etwa in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, entwickelt worden. Im Folgenden werden tatsächliche Erscheinungsformen und die zu deren Kennzeichnung verwendeten Begriffe zusammengestellt und erläutert. Über die Zulässigkeit des jeweiligen Verhaltens ist damit noch nichts gesagt.

Nach den am Streik Beteiligten unterscheidet man zwischen dem gewerkschaftlichen Streik und dem sog. wilden oder nicht gewerkschaftlichen Streik. Der gewerkschaftliche Streik wird von einer Gewerkschaft geführt, organisiert und letztlich verantwortet. Träger des wilden Streiks ist üblicherweise eine Arbeitnehmergruppe, die sich aus Anlass eines tatsächlichen oder vermeintlichen Missstandes in einem Unternehmen bildet und eigenverantwortlich eine Arbeitsniederlegung organisiert: Solche Arbeitnehmergruppen bezeichnet man als "Ad-hoc-Koalition".

 
Praxis-Beispiel

Ad-hoc-Koalition

Aufgrund der schlechten konjunkturellen Lage bei Tarifvertragsschluss wurde ein für die Arbeitgeberseite günstiger Tarifvertrag mit langer Laufzeit vereinbart. Während der Laufzeit kam es unvorhergesehen zu einer deutlichen Besserung der wirtschaftlichen Lage. Bei den tarifunterworfenen Unternehmen wurden hohe Dividenden ausgeschüttet. Vor diesem Hintergrund kam es Anfang der 70er-Jahre in größerem Umfang zu Arbeitsniederlegungen durch unzufriedene Arbeitnehmergruppen ohne Beteiligung der hieran durch die noch laufenden Tarifverträge hieran gehinderten Gewerkschaften.

Auf den Umfang des Streiks stellt ab, wer von einem Voll- oder Flächenstreik spricht oder dessen Gegenbegriff, den Teilstreik, verwendet. Im ersten Falle werden alle Arbeitnehmer, für die später der angestrebte Tarifvertrag gelten soll, zur Streikteilnahme aufgerufen. Im zweiten Fall wird nur ein Teil dieses Personenkreises zur Arbeitsniederlegung aufgefordert. Vollstreiks sind heute sehr selten. Sie sind wegen der von den Gewerkschaften nach ihren Satzungen zu leistenden Streikunterstützungen für die am Streik beteiligten Gewerkschaftsmitglieder sehr teuer. Die fast durchgängig an deren Stelle getretenen Teilstreiks finden in den unterschiedlichsten Formen statt:

  • Schwerpunktstreiks betreffen nur bestimmte Unternehmen des Tarifgebietes oder auch nur bestimmte Arten von Arbeitsplätzen innerhalb der bestreikten Unternehmen. Über die Verweigerung, bestimmte Schlüsselfunktionen tatsächlich wahrzunehmen, wird ein gemessen an der Zahl der Streikbeteiligten "überschießender" Druck ausgeübt.
  • Man spricht von roulierenden oder Wechselstreiks, wenn nach einem einheitlichen Streikplan immer andere Unternehmen, Betriebe oder Betriebsteile bestreikt werden. Taktischer Hintergrund solchen Verhaltens ist der Versuch, die Verlagerung bestreikter Funktionen aus den bestreikten Betrieben heraus zu erschweren.
  • Sollen die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer nicht gemeinsam, sondern in Gruppen nacheinander jeweils für relativ kurze Zeit die Arbeit niederlegen, spricht man von Sukzessivstreiks.
  • Vergleichbar sieht es beim sog. Wellenstreik aus: Die Beschäftigten legen nach einem einheitlichen Plan immer wieder in mehr oder weniger großen Zeitabständen kurzfristig die Arbeit nieder und nehmen sie anschließend wieder auf.
 
Praxis-Beispiel

Wellenstreik

In wechselnden Abteilungen einer Zeitungsdruckerei, in der Tageszeitungen erstellt wurden, wurde zu jeweils unterschiedlichen Zeiten für eine oder eineinhalb Stunden die Arbeit niedergelegt. Danach boten die bis dahin Streikbeteiligten jeweils ihre Arbeit wieder an.[1]

Die letztgenannten Streikformen bezeichnet man zusammenfassend auch als Nadelstichstreiks oder man spricht von der "neuen Beweglichkeit" im Arbeitskampf. Mithilfe der Arbeitsniederlegungen durch möglichst wenige Arbeitnehmer soll ein möglichst großer Druck erzeugt und es sollen erhebliche organisatorische Anstrengungen der Arbeitgeber notwendig gemacht werden. Die Gewerkschaften sprechen auch von einer Minimax-Strategie.

  • Eine besondere Form des Teilstreiks ist der Bummelstreik, den man gelegentlich auch "Dienst nach Vorschrift" genannt hat. Hier wird der Arbeitskampfdruck nicht durch vollständige Arbeitsniederlegung, sondern durch die – unzureichende – Art der Arbeitsleistung ausgeübt.
 
Praxis-Beispiel

Bummelstreik

Übertrieben gründliche, ausschließlich den Buchstaben der Anweisungen entsprechende Arbeit; bewusstes Langsam- oder Schlechtarbeiten, Verweigerung jeglicher Überstunden, "Bleistiftstreik": Die eigentliche Arbeit, etwa eines Krankenhausarztes, wird erledigt, deren für die Abrechnung gegenüber Dritten erforderliche Dokumentation aber nicht vorgenommen.

  • Dauer und Intensität eines Streiks werden angesprochen, wenn man einerseits vom Erzwingungs-, andererseits vom Warnstreik spricht. Der Erz...

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