Ruft eine Gewerkschaft zu einem rechtswidrigen Streik auf, verleitet sie die mit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich verbundenen Arbeitnehmer zum Vertragsbruch. Sie haftet deshalb den vom Streik unmittelbar betroffenen Arbeitgebern/Unternehmern auf Schadensersatz wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Arbeitgebers[1], wenn sie ihr rechtswidriges Verhalten zu vertreten hat. Letzteres ist angesichts vieler Streitfragen des Arbeitskampfrechts und der dort zahlreich maßgebenden, für eine sichere Rechtsanwendung gefährlichen unbestimmten Rechtsbegriffe keineswegs selbstverständlich und bedarf regelmäßig einer präzisen Prüfung. In extremen Einzelfällen kann möglicherweise auch einmal ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht kommen.[2] Wird mit dem Streik – auch – die tarifvertragliche Friedenspflicht schuldhaft verletzt, kann der Schadensersatzanspruch auch auf eine(Tarif-)Vertragsverletzung gestützt werden.[3]

Einige zusätzliche Probleme können dann im Tatsächlichen liegen. Vielfach wird es schwierig sein, Streikschäden zu beziffern. Die gerichtliche Praxis kennt nur wenige Fälle, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen eines rechtswidrigen Streiks bis zum Ausgleich des geltend gemachten Schadens gerichtlich verfolgt worden ist. Das hat sicher etwas mit der zurückhaltenden Arbeitskampfpraxis der Gewerkschaften zu tun. Darüber hinaus führt schon die Möglichkeit, für Streikschäden bei rechtswidrigen Streiks in Anspruch genommen werden zu können, zu deren wohlüberlegtem Einsatz. Dabei darf allerdings die Schadensersatzgefahr auch nicht so weit gehen, dass die Aufgaben, die den Akteuren der Tarifautonomie gestellt sind, nicht angegangen werden. Dass die Bedeutung der drohenden Schadensersatzsanktion bei rechtswidrigen Streiks besonders in der Präventionswirkung liegen dürfte, ist deshalb nicht unproblematisch.[4] Jedenfalls ist der Konflikt um einen rechtswidrigen Streik für einen Firmensanierungstarifvertrag in jüngerer Zeit bis zu einem Schadensausgleich gerichtlich verfolgt worden[5] Auch der Konflikt wegen des Streiks um Firmentarifsozialpläne ist als – dann allerdings erfolglose – Schadensersatzklage vor das BAG gelangt.[6] Diese Tendenz zu im Einzelnen bezifferten Zahlungsklagen, die mit angeblich rechtswidrigen Streiks begründet werden, hat sich in jüngerer Zeit fortgesetzt.[7] Die Schadensersatzpflicht der Gewerkschaften für rechtswidrige Streiks besteht in aller Regel nicht gegenüber von den Streikfolgen mittelbar betroffenen Drittunternehmen. Es fehlt für eine Haftung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb[8] an einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff und für eine vertragliche Haftung, etwa wegen Verstoßes gegen die tarifliche Friedenspflicht an deren Einbeziehung in den vertraglichen Schutzbereich. Tarifverträge sind keine Verträge zugunsten Dritter.[9]

 
Praxis-Beispiel

Kein Schadensersatz für drittbetroffene Unternehmen

Wegen fehlender Einbeziehung der Fluggesellschaften in den Schutzbereich des mit dem Flughafenbetreiber abgeschlossenen Haustarifvertrags scheiterten Schadensersatzklagen von Fluggesellschaften gegen die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF), die den Frankfurter Flughafen rechtswidrig bestreikt hatte, sodass die Flugzeuge am Boden bleiben mussten, obwohl die GdF durch ihren Streik eine noch bestehende Friedenspflicht verletzt und rechtswidrig gehandelt hatte.

[3] Vgl. BAG, Urteil v. 10.12.2002, 1 AZR 98/02.
[4] Hierzu jüngst Jacobs/Holle in Festschrift für Ulrich Preis, 2021 S. 501 ff.
[5] BAG, Urteil v. 10.12.2002, 1 AZR 98/02.

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