Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 ArbGG sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Fristen vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Würde es bei einer Zulassung des verspäteten Vortrags zu einer Verzögerung des Rechtsstreits (z. B. Terminverschiebung, die sonst nicht erforderlich wäre) kommen oder kann die Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigen, ist die Partei mit dem weiteren Vorbringen ausgeschlossen; ein Ermessensspielraum des Gerichts ist hier nicht vorgesehen. Um eine Zurückweisung des beabsichtigten (also noch nicht gegenüber dem Gericht erklärten) Vortrags als verspätet zu verhindern, kann eine Partei durch Nichterscheinen bzw. Nichtverhandeln ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und dann in der Begründungsschrift des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil die verspäteten Angriffs- und Verteidigungsmittel erstmals vorbringen.[1]

Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nach § 282 Abs. 1 ZPO alle tatsächlichen Behauptungen oder deren Bestreiten, die Erhebung von Einwendungen und Einreden, das Vorbringen von Beweismitteln und Beweiseinreden sowie die Erklärung über Anerkenntnis und Verzicht. Auch die Erklärung der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts oder der Aufrechnung ist ein Verteidigungsmittel, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen in das Verfahren eingeführt werden. Dazu gehören nicht der Angriff und die Verteidigung selbst, z. B. Klageerweiterung, Widerklage und Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG.

Der zur Erklärung verpflichteten Partei muss eine fristgebundene richterliche Auflage unter Bezeichnung der klärungsbedürftigen Punkte gesetzt worden sein.[2] Eine bloße fristgebundene Auflage zur Erwiderung auf das Vorbringen der Gegenseite genügt dafür nicht.[3] Gemäß § 329 Abs. 2 ZPO ist die Anordnung den Parteien zuzustellen, sofern sie nicht in einem Termin verkündet worden ist. Die betroffene Partei ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 ArbGG über die Folgen der Fristversäumnis zu belehren.

Das verspätete Vorbringen kann nur zurückgewiesen werden, wenn die gesetzte Frist angemessen ist. Über die Rechtsfolgen verspäteten Vorbringens ist zu belehren. Diese Belehrung ist mit der Fristsetzung zuzustellen, sofern nicht bereits eine mündliche Belehrung im Fall der Verkündung der Auflage im Termin erfolgt ist. Dabei wird eine Frist von mindestens 2 Wochen für angemessen gehalten, wenn bis zum Termin der streitigen Verhandlung noch ein ausreichender Zeitraum besteht. Ist die Frist zu kurz bemessen, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG vor. Diese Frist ist dann durch eine Zulassung des zunächst verspäteten Vorbringens zu korrigieren.

Eine Verzögerung des Rechtsstreits liegt nur dann vor, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung des Vortrags länger dauerte als bei Nichtzulassung. Das ist immer dann nicht der Fall, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung gleich lang dauerte, z. B. wenn ohnehin noch ein weiterer Termin erforderlich ist. Eine Verzögerung liegt dann vor, wenn ein neuer, ansonsten nicht erforderlicher Termin durchzuführen wäre, z. B. wenn die Gegenpartei den verspätet erhobenen Sachvortrag bestreitet und daraufhin ein Termin zur Beweisaufnahme anzuberaumen wäre. In der Einräumung eines Schriftsatznachlasses nach § 283 ZPO und der deshalb erforderlichen Anberaumung eines Verkündungstermins liegt für sich allein noch keine Verzögerung des Rechtsstreits i. S. v. § 296 ZPO, auch, wenn ansonsten durch das Gericht eine Entscheidung am gleichen Tage verkündet worden wäre.[4]

Das Gericht ist aus rechtsstaatlichen Gründen verpflichtet, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine Verzögerung zu verhindern. So ist z. B. die Einräumung einer zusätzlichen Schriftsatzfrist vor dem Termin im Wege einer prozessleitenden Verfügung geboten, wobei ein Zeitraum von zehn Tagen zwischen Eingang des Schriftsatzes und Termin dafür noch als ausreichend angesehen wird.[5]

Selbst wenn verspätetes Vorbringen eine Entscheidung in dem Rechtsstreit verzögern würde, ist es dennoch zu berücksichtigen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird. Dabei wird der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zugerechnet. Vernünftige Gründe, wie z. B. Erkrankung oder Überlastung der Partei oder ihres Vertreters, Urlaub, Verzögerungen der Postlaufzeit oder Verschulden des Gerichts, führen so nicht zu einer Zurückweisung des Vorbringens. Beabsichtigt das Gericht, das verspätete Vorbringen wegen Unglaubwürdigkeit des vorgetragenen Entschuldigungsgrundes zurückzuweisen, muss es vorher die Partei zur Glaubhaftmachung aufgefordert und ihr dazu innerhalb einer kurzen Frist Gelegenheit gegeben haben.[6]

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden.[7] Gemäß § 296a ...

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