Für Personenschäden, die der Arbeitnehmer einem Arbeitskollegen zufügt, greifen die sozialrechtlichen Sondervorschriften des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII), welches die Rechtsgrundlagen der vormals in der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelten gesetzlichen Unfallversicherung beinhaltet.

§ 105 SGB VII enthält im Ergebnis einen Haftungsausschluss.

Denn nach dieser Vorschrift haften Arbeitnehmer, die

  • durch eine betriebliche Tätigkeit
  • einen Versicherungsfall[1]
  • von Versicherten desselben Betriebs (also i. d. R. Arbeitskollegen)

verursachen,

diesen Personen sowie ggf. ihren Angehörigen und Hinterbliebenen gegenüber wegen des entstandenen Personenschadens nur, wenn

herbeigeführt haben.

Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen die Haftung für Personenschäden ausgeschlossen ist. Die Haftung für sämtliche Sachschäden bleibt von diesem Haftungsausschluss allerdings unberührt!

Sinn und Zweck des gesetzlich angeordneten Haftungsausschlusses der §§ 104 ff. SGB VII ist es, zum einen den Arbeitgeber von einer Einstandspflicht nach privatrechtlichen Maßstäben zu befreien und zum anderen den Betriebsfrieden zu sichern. Die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung obliegt dem Arbeitgeber als einziger Zweig der Sozialversicherung allein. Die gesetzliche Unfallversicherung erfüllt für die sie finanzierenden Unternehmer damit die Funktion einer Haftpflichtversicherung; an die Stelle der privatrechtlichen Haftpflicht des Unternehmers wurde die Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer gesetzt.[3] Diese von der gesetzlichen Unfallversicherung bezweckte Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz liefe ohne einen privatrechtlichen Haftungsausschluss bei durch Arbeitskollegen verursachten Versicherungsfällen leer. Durch den gesetzlichen Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. SGB VII sollte das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber kalkulierbar und die Anlässe zu Konflikten im Betrieb zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie den Arbeitnehmern untereinander eingeschränkt werden.[4]

Wichtigste Voraussetzung und zugleich Einschränkung des sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegs ist, dass der geschädigte Arbeitnehmer demselben Betrieb zuzurechnen ist wie der Schädiger.

Die Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs setzt dabei nicht zwingend voraus, dass Schädiger und Geschädigter Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers sind. Nach § 105 SGB VII ist der Schädiger auch dann von der Haftung freigestellt, wenn er lediglich "wie ein Beschäftigter" für das Unternehmen tätig geworden ist. Als Beschäftigter und damit Versicherter des Betriebs gilt ein Arbeitnehmer dann, wenn er in den Betrieb eingegliedert ist. Entscheidend sind somit nicht rechtliche Erwägungen, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten.[5]

Selbst eine nur kurzfristige Tätigkeit von Geschädigtem oder Schädiger im Betrieb kann ausreichen. Demgemäß muss sich unter Umständen auch eine an sich außenstehende Person den sozialversicherungsrechtlichen Haftungsausschluss entgegenhalten lassen, wenn sie zumindest zur Zeit des Unfalls wie ein Beschäftigter des Betriebs tätig war.

 
Praxis-Beispiel

Tätigkeit wie ein im Betrieb Beschäftigter

Löst der Fahrer eines fremden Transportunternehmens, dessen Fahrzeug mit Stahlträgern beladen wurde, nach Beendigung des Ladevorgangs die Kranseile, so wird er vorübergehend wie ein Arbeitnehmer des Betriebs tätig, mit dessen Kran die Beladung vorgenommen wurde.[6]

Andererseits reicht es nicht aus, wenn die betriebsfremde Person lediglich in einzelne Arbeitsvorgänge eingeschaltet oder mit ihnen in Berührung gekommen war.[7] Es kommt also auf eine Bewertung des Einzelfalls an.

Gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII kommt die Haftungsprivilegierung auch einem versicherten Unternehmer zugute, der den Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens verletzt, wenn dies anlässlich einer auch nur vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte geschieht.[8]

Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit wird vom BAG als ein objektiver Begriff verstanden und wie folgt näher definiert[9]:

Betriebliche Tätigkeit ist grundsätzlich mit der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gleichzusetzen. Aus der Zugehörigkeit des Schädigers zum Betrieb und einem Handeln im Betrieb des Arbeitgebers allein kann aber noch nicht auf eine Schadensverursachung durch eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden, denn nicht jede Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers muss zwingend eine betriebsbezogene sein. Ebenso wenig führt bereits die Benutzung eines Betriebsmittels zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit. Entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses i. S. d. § 105 Abs. 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb über...

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