Gegenstand einer betrieblichen Übung kann jede Leistung oder Vergünstigung sein, die arbeitsvertraglich in einer allgemeinen Form geregelt werden kann.[1] Jede Arbeitsvertragsbedingung kann damit durch betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden.

2.1 Gratifikationen

Durch die vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation (z. B. Weihnachtsgeld) in drei aufeinanderfolgenden Jahren entsteht ein Anspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung.[2] Dieser Anspruch kann (nachträglich) nur noch durch Kündigung oder vertragliche Abrede unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden. Eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation reicht nicht mehr aus, um eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung zu beenden.[3]

 
Praxis-Tipp

Schriftlichen Anspruchsausschluss mitteilen

Die mit einer jährlichen Sonderzahlung verbundene schriftliche Mitteilung, dass die gewährte Leistung einmalig sei und zukünftige Ansprüche ausschließe, hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aus betrieblicher Übung.[4]

Eine Gratifikationszusage, die nicht durch betriebliche Übung, also z. B. durch Arbeitsvertrag, oder Gesamtzusage begründet worden ist, kann für die Zukunft – soweit der Arbeitnehmer nicht einverstanden ist – vom Arbeitgeber einseitig nur durch Änderungskündigung wieder beseitigt werden. Beruht der Anspruch auf die Gratifikation auf einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, kann eine Änderung, auch eine Verschlechterung, (nur) dadurch herbeigeführt werden, dass ein neuer Tarifvertrag oder eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.

Die langjährige Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer bei einer Weihnachtsgeldzahlung in jeweils unterschiedlicher Höhe nach Gutdünken des Arbeitgebers , nicht auf eine ihm für dauernd eingeräumte Leistung vertrauen kann[5] hat das BAG im Jahr 2015 ausdrücklich aufgegeben. Aus einer nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung müsse ein Arbeitnehmer nicht den Schluss ziehen, der Arbeitgeber habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen.[6] Es sei z. B. gerade typisch für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken könne.[7]

2.2 Bezahlte Freistellung

Aus der gleichmäßigen Praxis einer Freistellung von Arbeitnehmern z. B. an Geburtstagen, an Weihnachten oder am Rosenmontag oder an sonstigen Tagen mit regionalem Brauchtum kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstehen.

Jedoch darf nicht schon aus der bloßen, wiederholt gewährten Freistellung auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers zu einem entsprechenden zukünftigen Verhalten geschlossen werden.[1] Zeitliche Vergünstigungen sind bloße Annehmlichkeiten, die die Lebensgrundlage des Arbeitnehmers weit weniger als materielle Zuwendungen berühren. Sie führen zu keiner unmittelbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers. Die fortdauernde Gewährung einer solchen Vergünstigung lässt daher einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Arbeitnehmers weniger leicht entstehen.[2] Ein Bindungswille kann insbesondere dann nicht angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Gewährung der Freizeit jedes Jahr neu angekündigt[3] oder einen Vorbehalt für das betreffende Jahr ausgesprochen hat.[4]

Außerdem ist im öffentlichen Dienst davon auszugehen, dass der Arbeitgeber im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus eine bezahlte Freistellung einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden soll.[5]

2.3 Lohn-/Gehaltserhöhungen/Zulagen

Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, d. h. auf Dauer vornehmen.[1] Denn ein nichttarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts zu einem Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifb...

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