Zusammenfassung

 
Überblick

Außer- und übertarifliche Zulagen werden bei Arbeitgebern gewährt, die ein betriebliches oder tarifliches Entgeltsystem anwenden. Mit solchen Zulagen wird den Entgeltwünschen der Beschäftigten entgegengekommen, die sich in dem eigentlichen Entgeltsystem nicht abbilden lassen. Sie werden gezahlt aus bestimmten Zwecken heraus, um z. B. besondere Arbeitsbedingungen auszugleichen, für die es keine Bestandteile in den betrieblich anzuwendenden Entgeltsystemen gibt, oder um besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers zumindest zeitweise zu kompensieren. Nicht immer will oder kann sich ein Arbeitgeber für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses an diese Zahlung binden. Deswegen werden in der Praxis stets die Fragen gestellt, ob

  • die Zulagen auf allgemeine Entgelterhöhungen angerechnet werden können,
  • sie im Einzelfall oder auch allgemein widerrufen werden können.

Im Folgenden wird anhand der derzeit aktuellen Rechtsprechung dargestellt, ob und in welchen Fällen eine Anrechnung oder ein Widerruf möglich ist und was dabei berücksichtigt werden muss.

1 Begriff der Anrechnung und des Widerrufs

Bei der Anrechnung bleibt das Effektiventgelt erhalten und die Bestandteile der Zusammensetzung des Entgelts ändern sich. Beim Widerruf verliert der Arbeitnehmer die Zulage, das Effektiventgelt vermindert sich.

 
Praxis-Beispiel

Der Beschäftigte erhält ein tarifliches Entgelt i. H. v. 3.000 EUR und eine außertarifliche Zulage i. H. v. 200 EUR, insgesamt also 3.200 EUR. Das tarifliche Entgelt steigt um 100 EUR. Dieser Steigerungsbetrag reduziert bei der Anrechnung die Zulage entsprechend, sodass der Beschäftigte danach 3.100 EUR tarifliches Entgelt erhält und eine Zulage von 100 EUR, insgesamt bleibt das Effektivgehalt mit 3.200 EUR gleich.

Beim Widerruf verliert der Beschäftigte die Zulage ersatzlos, erhält danach also nur noch das tarifliche Entgelt i. H. v. 3.100 EUR.

Zunächst muss geprüft werden, ob eine Anrechnung (Verrechnung) oder der Widerruf der Zulage überhaupt zulässig ist. Dem könnte ein Anspruch der Beschäftigten aus betrieblicher Übung entgegenstehen. Dieser entsteht dann, wenn die Beschäftigten grundsätzlich aufgrund der Verhaltensweise des Arbeitgebers erwarten können, dass ihnen diese Leistungen oder Vergünstigungen auf Dauer gewährt werden.[1]

Dies wird üblicherweise aber bei den außer- oder übertariflichen Vergütungsbestandteilen nicht angenommen.[2]

[2] LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.1.2017, 23 Sa 1484/16.

2 Die Anrechnung auf Entgelterhöhungen

Außer- und übertarifliche Zulagen sind zunächst immer "freiwillige" Leistungen des Arbeitgebers, es gibt hierfür weder eine gesetzliche noch eine tarifliche oder betriebliche Grundlage. Sie werden einzelvertraglich vereinbart.

2.1 Grundsätzliche Zulässigkeit der Anrechnung

In der Praxis gibt es Fallkonstellationen, in denen sich der Arbeitgeber für die Zukunft an die Leistung der Zulagen bindet, ob bewusst oder unbewusst. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte geht aber im Allgemeinen davon aus, dass ein dauerhafter Bindungswille des Arbeitgebers nicht gegeben ist.[1]

Unzulässig ist die Anrechnung grundsätzlich nur dann, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbstständiger und ständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zustehen soll. Dies wird meistens so geregelt, dass die freiwillige Zulage tarifdynamisch vereinbart wird und deshalb an Entgeltsteigerungen teilnimmt.

Über- oder außertarifliche Zulagen nehmen grundsätzlich nicht automatisch an Tariferhöhungen teil. In den Entgelttarifverträgen, beispielsweise der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, wird ausschließlich die Erhöhung der Tarifentgelte vereinbart. Und auch nur darüber können die Tarifvertragsparteien verbindlich befinden.

Individualrechtlich können Erhöhungen der tariflichen Entgelte auf ein übertarifliches Gesamtentgelt oder eine übertarifliche Zulage also dann angerechnet werden, wenn nicht diese Zulage dem Arbeitnehmer vertraglich als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zusteht.[2] Eine solche Bestandsvereinbarung kann sich auch bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung stillschweigend aus den besonderen Umständen bei den Vertragsverhandlungen ergeben sowie aus dem Zweck der Zulage oder aus einer betrieblichen Übung. Die Beweislast für die Tarifbeständigkeit der Zulage trägt im arbeitsgerichtlichen Verfahren allerdings der Arbeitnehmer.

Beispielsweise kann aus dem besonderen Zweck der Zulage die Nichtanrechenbarkeit folgen, wenn besondere Erschwernisse abgegolten werden sollen (Erschwernis-, Mehrarbeits- oder Schmutzzulage) und diese Erschwernis aktuell noch gegeben ist.

Die Verwendung des Begriffs "Tariflohn" im Arbeitsvertrag sowie die Verwendung von Anrechnungsklauseln für übertarifliche Vergütungsbestandteile lassen die Auslegung zu, dass eine dynamische Anwendung der einschlägigen Vergütungstarifverträge vereinbart ist. Jedenfalls kommt eine solche Auslegung über § 305c BGB zur Anwendung.[3]

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