Das NachwG enthält keine Regelung für den Fall, dass der Arbeitgeber den Nachweis nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt. Auch die zugrunde liegende Nachweis-Richtlinie enthält keine entsprechenden Vorgaben, vielmehr bleiben nach Art. 6 Nachweis-Richtlinie "einschlägige Verfahrensregeln" der Mitgliedstaaten unberührt.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich aber aus den Vorgaben der Nachweis-Richtlinie, dass für die Angaben des Arbeitgebers in einer von ihm ausgestellten Nachweisurkunde eine "starke Vermutung der Richtigkeit spricht".[1] Nach Auffassung des Gerichts kann der Arbeitgeber den Beweis des Gegenteils nur dadurch führen, indem er nachweist, dass "die in der Mitteilung enthaltenen Informationen als solche falsch sind oder dass sie durch die Tatsachen widerlegt worden sind". Zu beachten ist allerdings immer auch die Reichweite des Nachweises.

 
Praxis-Beispiel

Genaue Formulierung beachten

Ist im Arbeitsvertrag geregelt, dass der Arbeitnehmer in verschiedenen Filialen im Ruhrgebiet eingesetzt werden kann und enthält der Nachweis die Information, der Arbeitsort sei "derzeit Essen", so hat diese Erklärung keine Bindungswirkung dahingehend, dass es dem Arbeitgeber nun verboten wäre, den Arbeitnehmer in Dortmund oder Duisburg einzusetzen.

Bei der Diskussion um die Neufassung des NachwG zum 1.8.2022 wurde auch vertreten, dass nur ein mit der strengen Schriftform erteilter Nachweis für den Arbeitnehmer von ausreichender Verlässlichkeit sei. Legt man diese Annahme zugrunde, wird man von einer Bindung des Arbeitgebers an den Nachweis ausgehen können, jedenfalls, bis er einen Irrtum in derselben Form korrigiert. Von der ansonsten anzunehmenden Bindung wird man lediglich eine Ausnahme machen müssen: Kann der Arbeitgeber selbst keine genaue Kenntnis von den Vertragsbedingungen haben, ist er nicht an den Nachweis gebunden. Dies betrifft die Fälle, in denen der tarifgebundene Arbeitgeber in Ermangelung eines Fragerechts nicht weiß, ob auch der Arbeitnehmer tarifgebunden ist. In diesem Fall wird man den Arbeitgeber weder an einem positiven Hinweis auf den Tarifvertrag noch an einem negativen Hinweis festhalten können. Wenn der Arbeitgeber allerdings im Rahmen des Nachweises bestimmte Vertragsverpflichtungen des Arbeitnehmers aufführt, die Gegenstand eines qualifizierten Eingruppierungsmerkmals sind, spricht viel dafür, dass sich der Arbeitgeber an dieser Einschätzung im Rahmen einer späteren Eingruppierungsstreitigkeit festhalten lassen muss.[2]

Durch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH wird die Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers verschoben. Beruft sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf die Angaben in der Nachweisurkunde, so hat der Arbeitgeber vor Gericht darzulegen und ggf. zu beweisen, dass diese nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprechen.

Zugunsten des Arbeitgebers ergeben sich hingegen keine Beweiserleichterungen aus der Nachweisurkunde. Denn diese hat keinesfalls konstitutiven Charakter. So bleibt es dem Arbeitnehmer unbenommen, günstigere, als in der Nachweisurkunde enthaltene Arbeitsbedingungen vor Gericht darzulegen und zu beweisen. Es besteht keine Pflicht oder Obliegenheit des Arbeitnehmers, gegen einen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachten Nachweis vorzugehen. Daher kann ein fehlerhafter Nachweis auch durch Zeitablauf nicht ohne entsprechende vertragliche Bestätigung zur vertraglichen Regelung erhoben werden.

 
Praxis-Beispiel

Fehlerhafter Nachweis kein Vorteil für den Arbeitgeber

Arbeitnehmer und Arbeitgeber schließen mündlich einen Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber erteilt kurz darauf einen Nachweis mit dem Hinweis, dass eine 6-monatige Probezeit vereinbart sei. Nach 2 Monaten kündigt er dem Arbeitnehmer mit der kurzen Frist des § 622 Abs. 3 BGB.

Verlangt der Arbeitnehmer im Prozess die Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB, kann der Arbeitgeber aus dem bloßen Nachweis hinsichtlich der Probezeit keinen Vorteil ziehen. Er muss die (mündliche) Vereinbarung einer Probezeit nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses darlegen und ggf. beweisen.

[2] Vgl. BAG, Urteil v. 8.6.2005, 4 AZR 406/04; dazu Melms/Weck, RdA 2006 S. 171 [172 – 173].

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