Mit dem Gesetz zur Sicherung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe[1] hat der Gesetzgeber die seit 2006 gültigen Sozialkassentarifverträge rückwirkend für allgemeinverbindlich erklärt. Damit wurde die Rechtslage wiederhergestellt, die vor der Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der Sozialkassentarifverträge durch das BAG bestand.[2] Die Sozialkassen im Baugewerbe, einer Branche, die durch Beschäftigungsverhältnisse von oftmals kurzer Dauer gekennzeichnet ist, decken vor allem die Finanzierung von Ausbildungs-, Urlaubs- und Versorgungsleistungen ab. Erfasst werden ca. 80.000 Baubetriebe mit rund 700.000 Beschäftigten, 35.000 Auszubildenden und 370.000 Rentnern. Das BAG hatte die AVE der Sozialkassentarifverträge aus formalen Gründen für unwirksam erklärt.[3] Folge dieser Entscheidungen war, dass nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zur Sozialkasse bestand.

Geklagt hatten Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und nur aufgrund der AVEn zu Beitragszahlungen verpflichtet waren. Zur Begründung führten sie an, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die AVEn nicht vorgelegen hätten. Zum einen habe das 50-%-Quorum beim Beschäftigtenanteil in tarifgebundenen Unternehmen nicht vorgelegen, zum anderen habe eine ministerielle Befassung mit der AVE gefehlt und es könne lediglich eine Befassung auf Referatsebene im BMAS nachgewiesen werden. Das 50-%-Quorum ist zwar mit Wirkung ab 16.8.2014 aus § 3 TVG gestrichen worden – die Anforderungen an eine AVE sind damit seither leichter zu erfüllen –, diese gesetzliche Änderung entfaltete aber auf die dem BAG vorliegenden Fälle noch keine Wirkung. Schließlich habe kein öffentliches Interesse an einer AVE vorgelegen, so die Antragsteller.

Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe schreibt fest, dass die Tarifverträge per Gesetz rückwirkend gelten. Dies wird zum Teil heftig bestritten, die Bundesregierung sieht allerdings keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, da ein Vertrauensschutz wegen der jahrzehntelangen Geltung der Tarifverträge per AVE nicht entstanden sei. Das BAG hält das Gesetz für wirksam.[4] und ebenso die Allgemeinverbindlicherklärung vom 4.5.2016[5]

Mit dem Zweiten Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz[6] werden auch die außerhalb des Baugewerbes bestehenden tarifvertraglichen Sozialkassen abgesichert. Dies sind die Sozialkassenverfahren im/in der/für:

  • Maler- und Lackiererhandwerk
  • Dachdeckerhandwerk
  • Gerüstbauer-Handwerk
  • Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk
  • Betonsteingewerbe Nordwestdeutschland
  • Steine- und Erden-Industrie, Betonsteinhandwerk und Ziegelindustrie in Bayern
  • Bäckerhandwerk
  • Brot- und Backwarenindustrie
  • Redakteurinnen und Redakteure von Tagszeitungen
  • Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau
  • Land- und Forstwirtschaft

All diese Sozialkassen erfüllen sozialpolitisch wichtige Aufgaben[7] und auch außerhalb des Sozialkassenverfahrens für das Baugewerbe seien die Sozialkassen darauf angelegt, die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber einzubeziehen, so die Gesetzesbegründung, der einzelne Arbeitgeber sei ohne eine solidarische Lastenverteilung nicht in der Lage, seinen Beschäftigten entsprechende Leistungen zu gewähren. Mit dem Zweiten Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz wird zudem eine vorläufige Leistungspflicht über eine Änderung in § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in einem Rechtsstreit über eine Leistungspflicht auf Antrag der Sozialkassen begründet. Dies kommt nur dann nicht zur Geltung, wenn die AVE offensichtlich unwirksam ist oder die vorläufige Leistungspflicht einen nicht zu ersetzenden Nachteil für den leistungsverpflichteten Arbeitgeber bedeuten würde.

[1] Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz – SoKaSiG v. 16.5.2017, BGBl. I S. 1210 ff., in Kraft seit 25.5.2017.
[3] Vgl. Henning, AuA 2017, S. 110 f.
[6] Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 1.9.2017, BGBl. I S. 3356 ff., in Kraft seit 8.9.2017.
[7] BT Drucks. 18/125210, S. 2.

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