Ob Kundenerwartungen oder Kundenwünsche eine Differenzierung rechtfertigen können (sog. "Customer Preferences"), kann nicht allgemein beantwortet werden.[1] Das BAG geht von folgendem Grundsatz aus[2]: Liegt einem Unternehmenskonzept eine bestimmte Erwartung Dritter zugrunde, darf diese nicht ihrerseits diskriminierend sein. Insoweit ist davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und ihnen kein diskriminierender Charakter innewohnt. Gleiches gilt, wenn ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich ist und dieses erfordert, dass der fragliche Arbeitnehmer selbst dieser Gruppe angehört.

Der EuGH stellte zuletzt im Rahmen der Bewertung eines arbeitgeberseitigen Kopftuchverbots klar, dass es ein wirkliches Bedürfnis in Form berechtigter Erwartungen der Kunden geben muss, damit eine Ungleichbehandlung wegen der Religion gerechtfertigt sein kann. Das heißt, dass eine unternehmerische Neutralitätspolitik mit Blick auf Kundenerwartungen mit dem AGG im Einklang stehen kann; allerdings muss der Arbeitgeber ein wirkliches Bedürfnis hierfür haben und dieses im Streitfall darlegen können.[3]

 
Praxis-Beispiel

Differenzierung wegen Kundenerwartungen

  • Bei einem Geschäft für Damen-Dessous kann der Ausschluss männlicher Verkäufer gerechtfertigt sein[4], ebenso der Ausschluss älterer Moderatoren bei einem Jugend-Musiksender.
  • Dagegen bedürfte es für den Ausschluss von Bewerberinnen mit islamischem Kopftuch schon einer substantiierten Darlegung einer erheblichen in Richtung Existenzgefährdung gehenden Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen.[5]
  • Die Unverzichtbarkeit des weiblichen Geschlechts wurde bejaht für eine Pflegekraft in einer kleinen Belegarztpraxis mit überwiegend gynäkologischen Operationen und Patientinnen mohammedanischen Glaubens.[6]
  • Gleiches gilt nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln[7] im Fall einer Beratungsstelle für Frauen im Rahmen eines Projekts "Recht auf Selbstbestimmung – gegen Zwangsverheiratung". Die betroffenen minderjährigen bzw. sehr jungen Frauen stammten zum Teil aus Kulturen, in denen Gespräche über ihre intimen Probleme mit einem außenstehenden Mann undenkbar seien; ginge es doch gerade darum, sich gegen die männliche Fremdbestimmung zur Wehr zu setzen.
  • Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein Arbeitgeber sich zur Begründung einer diskriminierenden Einstellungspolitik ("keine Marokkaner") nicht erfolgreich auf entsprechende Kundenwünsche berufen.[8]

Eine Differenzierung nach der Hautfarbe kann durch Kundenerwartungen wohl überhaupt nicht gerechtfertigt sein.

[1] Der EuGH hat diese Frage im Vorabentscheidungsverfahren EuGH, Urteil v. 10.7.2008, C-54/07 nicht beantwortet.
[4] Vgl. LAG Köln, Urteil v. 19.7.1996, 7 Sa 499/96 zu der vergleichbaren Problematik nach der Vorgängerregelung des § 611a BGB für die Suche von weiblichem Personal zum Verkauf von Damen-Badebekleidung in einem Geschäft mit Anprobemöglichkeit.
[5] Vgl. die Kopftuch-Entscheidung des BAG, Urteil v. 10.10.2002, 2 AZR 472/01, NZA 2003, 483.
[6] So zu § 611a BGB a. F. ArbG Hamburg, Urteil v. 10.4.2001, 20 Ca 188/00. Anders dagegen ArbG Bonn, Urteil v. 31.3.2001, 5 Ca 2781/00 im Fall einer nur für Frauen ausgeschriebenen Stelle einer Pflegekraft in einem weit vorrangig Frauen betreuenden Pflegedienst – auch Intimpflege –, wenn der Einsatz eines männlichen Pflegers von den Frauen nicht abgelehnt wird.
[7] ArbG Köln, Urteil v. 6.8.2008, 9 Ca 7687/07.

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