Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist über die allgemeine Regelung in § 8 AGG hinaus nach § 10 AGG auch dann zulässig, wenn sie "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; das angewandte Mittel muss angemessen und erforderlich sein".[1] Diese Regelungen entsprechen insoweit Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG. Liegen solche Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung vor, ist zugleich ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung als allgemeinem Grundsatz des Gemeinschaftsrechts gegeben.

Die Generalklausel des § 10 AGG gilt sowohl für einzelvertragliche als auch kollektivvertragliche Regelungen (Betriebsvereinbarungen/Tarifverträge). Die Legitimität eines Ziels ist – nach der Gesetzesbegründung – unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers oder der Tarifvertragsparteien zu beurteilen. Dies können auch Ziele sein, die über die Situation eines einzelnen Unternehmens oder einer Branche hinausgehen und von allgemeinem Interesse sind, wie etwa Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung.

Zulässig ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn sie als Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Berufs oder zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts erforderlich ist, wobei sie zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen und keine übermäßigen, unzumutbaren Belastungen enthalten darf. Voraussetzung ist hiernach ein legitimer Grund für die Altersgrenze, der als gerichtlich überprüfbarer Sachgrund bezeichnet werden kann. Weitere Voraussetzung ist die Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit.

 
Praxis-Beispiel

Altersgrenze

  • Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des BAG[2] sichert eine tarifvertragliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten von Verkehrsflugzeugen die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit und dient der Sicherheit des Luftverkehrs und dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, Passagiere und Menschen der überflogenen Gebiete. Von dieser Auffassung hat das BAG inzwischen mit Blick auf das AGG Abstand genommen. Nach Vorlage an den EuGH entschied es, dass die Altersgrenze für Piloten von 60 Jahren eine ungerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters darstelle.[3] Die Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze sei nicht nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Diese Vorschriften seien richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel i. S. v. § 10 Satz 1 AGG sei.
  • Auch die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal ist unwirksam.[4]
  • Geringere Sozialplanabfindung bei Rentennähe: Nach Auffassung des BAG[5] dürfen die Betriebsparteien in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Dies verstoße nicht gegen das Verbot, Personen wegen des Alters, Geschlechts oder einer (Schwer-)Behinderung zu benachteiligen, auch wenn der Anspruch auf vorgezogene Altersrente regelmäßig an eines dieser 3 Kriterien anknüpft. Zur Begründung verweist das BAG auf die zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion eines Sozialplans; diese rechtfertige es, die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Der EuGH erachtet eine stufenweise Minderung der Sozialplanabfindung für rentennahe Jahrgänge als gerechtfertigt.[6] Das BAG akzeptiert einen vom Alter abhängigen Abschlag von der Sozialplanabfindung für rentennahe Jahrgänge.[7]

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