Das AGG definiert weder den Begriff "Religion" noch "Weltanschauung". Unter Religion oder Weltanschauung versteht die (deutsche) Rechtsprechung eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche ("immanente") Bezüge beschränkt.[1] Eine Vereinigung ist dann als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft i. S. des Grundgesetzes anzusehen, wenn ihre Mitglieder oder Anhänger auf der Grundlage gemeinsamer religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen. Erfasst werden u. a. Katholiken, Protestanten, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Zeugen Jehovas, Mormonen oder Angehörige des griechisch oder russisch-orthodoxen Glaubens.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang die Beurteilung der Scientology-Organisation. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist diese weder eine Religions- noch eine Weltanschauungsgemeinschaft.[2] Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) verliert eine Vereinigung ihre grundgesetzlich geschützte Eigenschaft als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft allerdings nicht allein dadurch, dass sie überwiegend politisch oder erwerbswirtschaftlich tätig ist. In welcher Weise eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ihre Finanzverhältnisse gestaltet, hat sie kraft ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie grundsätzlich selbst zu entscheiden. Sie kann – je nach Rechtsform – Steuern oder Mitgliedsbeiträge erheben. Sie hat auch das Recht, für Güter oder Dienstleistungen mit einem unmittelbar religiösen oder weltanschaulichen Bezug, wie z. B. für die Unterrichtung in den Lehren der Gemeinschaft, Entgelte zu verlangen. Dienen aber die religiösen oder weltanschaulichen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, kann von einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft nicht mehr die Rede sein. Aus diesem Grund hat die deutsche Rechtsprechung bisher bei der Scientology-Organisation die Eigenschaft als Kirche verneint.[3] Daran kann man sich bis auf Weiteres orientieren, wenngleich die Einordnung in anderen Mitgliedstaaten der EU, z. B. in Frankreich, teilweise auch anders gesehen wird.

 
Praxis-Beispiel

Kopftuchverbot kann in Einzelfällen zulässig sein

Das Verbot der Bekundung eines religiösen Glaubens kann eine unmittelbare Benachteiligung einer Kopftuch tragenden Erzieherin muslimischen Glaubens aus Gründen der Religion sein. Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem einer muslimischen Erzieherin einer Kinderbetreuungseinrichtung wegen des Tragens eines Kopftuchs eine Abmahnung erteilt wurde. Die dagegen gerichtete Klage hatte zunächst beim BAG keinen Erfolg. Es erachtete die landesrechtliche Vorschrift über das Bekundungsverbot zum Zwecke der Wahrung des religiösen und weltanschaulichen Friedens in Erziehungseinrichtungen für verfassungsmäßig und eine unterschiedliche Behandlung aus religiösen Gründen nach § 8 Abs. 1 AGG für zulässig.[4] Allerdings hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Entscheidung auf, da es die landesgerichtliche Vorschrift über das Bekundungsverbot für verfassungswidrig erachtete und die Klägerin in ihrer Glaubens- und Bekenntnisfreiheit verletzt sah. Das BVerfG macht in seiner Entscheidung deutlich, dass nicht jedes Kopftuchverbot an Schulen verfassungswidrig ist, dass es für ein Verbot jedoch einer konkreten und nicht nur einer abstrakten Gefahr für den Schulfrieden bzw. der staatlichen Neutralität bedarf.[5]

Ein evangelisches Krankenhaus darf nach Auffassung des BAG einer Krankenschwester das Tragen eines Kopftuches während der Arbeitszeit untersagen.[6] Dies stelle keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen der Religion dar.

Nach einem Urteil des EuGH[7] ist für die Zulässigkeit eines Kopftuchverbots entscheidend, ob der Arbeitgeber eindeutige allgemeingültige Regeln zum Verbot des Tragens religiöser Symbole aufgestellt hat. Der EuGH toleriert ein Kopftuchverbot, wenn weltanschauliche Symbole insgesamt verboten sind und es dafür hinreichende Gründe gibt. Dabei akzeptiert er weltanschauliche Neutralität als legitimes Ziel des Arbeitgebers. Indes hielt der EuGH ein in einem Einzelfall ausgesprochenes Kopftuchverbot, das infolge einer Kundenbeschwerde ausgesprochen wurde, für unzulässig.

Jüngst hatte der EuGH nach Vorlage deutscher Gerichte erneut Fragen zum Thema Kopftuch und einem vom Arbeitgeber aufgestellten Neutralitätsgebot zu beurteilen.[8] Der EuGH stellte zwar fest, dass der Wille eines Arbeitgebers, im Verhältnis zu den Kunden eine Politik der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, ein rechtmäßiges Ziel darstellen kann. Allerdings reicht nach Auffassung des Gericht...

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