Sowohl nach deutschem als auch nach den Grundsätzen des europäischen Rechts trägt grundsätzlich derjenige, der sich diskriminiert fühlt, in einem Rechtsstreit die Beweislast für das Vorliegen einer Benachteiligung wegen eines geschützten Merkmals. Hat ein Beschäftigter im Gerichtsverfahren hierfür genügend Anhaltspunkte vorgetragen, kehrt sich die Beweislast um.

§ 22 AGG bestimmt insoweit: "Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat".

Damit ergibt sich folgende Situation:

  1. Der Arbeitnehmer (Kläger) muss zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist.
  2. Weiter muss er sog. Indizien beweisen, d. h. Hilfstatsachen, aus denen sich die Vermutung ergibt, dass die unterschiedliche Behandlung auf einem nach dem AGG geschützten Merkmal ("Grund") beruht. Ein solches Indiz kann sich etwa aus einer nicht geschlechtsneutralen oder sonst benachteiligenden Stellenausschreibung ergeben. Dabei ist nach Auffassung des BAG kein all zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung dieser sogenannten Hilfstatsachen anzulegen, da es nicht erforderlich ist, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss auf eine Benachteiligung zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung besteht.
  3. Hat sich die Beweislast nach vorgenannten Grundsätzen im Prozess umgekehrt, muss der Arbeitgeber konkret Stellung nehmen; er trägt dann die volle Beweislast dafür, dass trotz der vermuteten Diskriminierung doch kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Das betrifft vor allem das Vorliegen rechtfertigender Gründe. Im Falle einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt regelmäßig keine Rechtfertigung in Betracht. Ein nachträglich vorgebrachter Grund ist nur dann geeignet, die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen, wenn besondere Umstände erkennen lassen, dass dieser Grund nicht nur vorgeschoben ist.

     
    Wichtig

    Entgeltgleichheitsklage

    Im Einzelfall kann für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rechtsstreit um gleiches Entgelt die spezielle Bestimmung des § 15 EntgTranspG zur Anwendung kommen. Diese Bestimmung enthält eine gegenüber der Vorschrift des § 22 AGG modifizierte Beweislastregel. Ein Arbeitgeber, der seiner Auskunftspflicht gemäß EntgTranspG nicht genügt, trägt im Prozess um gleiches Entgelt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot im Sinne des EntgTranspG vorliegt.[1]

 
Praxis-Beispiel

Indizien für Benachteiligung?

  • Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem männlichen Mitbewerber, so stellt dies nach dem BAG[2] für sich allein betrachtet noch keine Tatsache dar, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen ihres Geschlechts vermuten lässt. Die Arbeitnehmerin muss vielmehr Hilfstatsachen darlegen und ggf. beweisen, die eine Benachteiligung gerade wegen ihres Geschlechts bzw. der Schwangerschaft vermuten lassen. Hierzu kann es ausreichen, wenn ein Vorgesetzter gegenüber der schwangeren Bewerberin anlässlich der Absage äußert, diese "solle sich auf ihr Kind freuen".
  • Wird in einer Stellenanzeige ein "junger" Bewerber gesucht, so besteht grundsätzlich die Vermutung, dass ein abgelehnter Bewerber wegen seines Alters benachteiligt worden ist, wenn eine deutlich jüngere Person eingestellt wird.[3] Zur Widerlegung der Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters muss der Arbeitgeber das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung gerade nicht auf dem Alter beruht. Er muss also Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben.
  • Nach Auffassung des BAG kann aus der Frage nach bestimmten Erkrankungen oder Leiden je nach den Einzelfallumständen auch auf eine Erkundigung nach einer Behinderung geschlossen werden. Spätestens seit dem Inkrafttreten des AGG ist zu berücksichtigen, dass Fragen nach Erkrankungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Behinderung diskriminierungsrelevant sein können.[4] Fragen nach einer psychiatrischen Behandlung und die Aufforderung, die verneinende Antwort schriftlich niederzulegen, lassen es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass die Einstellungsentscheidung vom Ausschluss bestimmter Einschränkungen, die vom für das Lebensalter des Klägers typischen Zustand abweichen, (mit-)geprägt war.

    Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für die gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Medianentgelt) der männlichen Vergleichsperson(en), rege...

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