Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgesellschaften und Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, ist gemäß § 9 Abs. 1 AGG zulässig, "wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung angesichts des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung nach der Art der bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt".

Nach Auffassung des EuGH

[1]

und des BAG[2] ist § 9 Abs. 1 1. Alternative AGG unionsrechtswidrig und damit unanwendbar.

 
Praxis-Beispiel

Christliche Kirchen und Islam

  • Der Ausschluss einer muslimischen Bewerberin aus dem Auswahlverfahren um die Besetzung einer von einer Einrichtung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgeschriebenen Stelle einer Sozialpädagogin für ein Projekt zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie des Bunds finanziert wird, wegen der Nichtzugehörigkeit zur christlichen Religion verstößt nach Auffassung des ArbG Hamburg in unzulässiger Weise gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Die Voraussetzungen für eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der evangelischen Kirche oder auf eine nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigte berufliche Anforderung i. S. v. § 9 AGG seien in einem solchen Fall nicht gegeben.[3]
  • Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen.[4] Nach § 9 Abs. 2 AGG berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.
 
Praxis-Beispiel

Kirchenmitgliedschaft und Konfessionslosigkeit

Die Nichtberücksichtigung einer Bewerberin wegen ihrer Konfessionslosigkeit im Bewerbungsverfahren bezüglich einer Referentenstelle eines Werks der evangelischen Kirche stellt eine Benachteiligung dar, die nach Auffassung des BAG nicht nach § 9 AGG zu rechtfertigen ist. Das BAG sprach ihr eine Entschädigung zu.[5] Dem Urteil des BAG vorausgegangen war eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung der Frage, ob es der Kirche erlaubt sei, selbst zu entscheiden, ob eine bestimmte Konfession eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung in Bezug auf die Tätigkeit darstelle. Der EuGH hat festgestellt, dass diese Frage einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein muss.[6]

Unabhängig davon können die Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen grundsätzlich ein loyales und aufrichtiges Verhalten von den für sie arbeitenden Personen verlangen.[7] Es obliegt den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften selbst, dementsprechend verbindliche innere Regelungen zu schaffen. Die Frage, welche arbeitsrechtlichen Folgen ein Verstoß gegen derartige Verhaltenspflichten haben kann, beurteilen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Arbeitsgerichte. Daran hat sich durch das AGG nichts geändert. Allerdings bleibt abzuwarten, wie viel Spielraum den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften bei der Ausgestaltung der Loyalitätsobliegenheiten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH verbleibt. Zukünftig muss wohl für jede Tätigkeit konkret geprüft werden, welche Pflichten auferlegt werden können und ob eine Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit gefordert werden kann.

 
Praxis-Beispiel

Loyalitätsverletzungen

  • Tritt ein Sozialpädagoge, der in einer von der Caritas getragenen Kinderbetreuungsstätte beschäftigt ist, aus der katholischen Kirche aus, kann dies nach Auffassung des BAG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ist der Arbeitnehmer ordentlich nicht mehr kündbar, kann sogar eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gerechtfertigt sein.[8] Die mit einer Kündigung wegen Kirchenaustritts verbundene Ungleichbehandlung wegen der Religion ist nach § 9 AGG jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die an den Arbeitnehmer gerichtete Erwartung, aus Gründen der Loyalität nicht aus der katholischen Kirche auszutreten, einer Plausibilitätskontrolle standhält und auch nach der Art der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit gerechtfertigt ist.
  • Das BAG hat nach einer Entscheidung des EuGH über Vorlagefragen[9] entschieden, dass eine der Kirche zugeordnete Einrichtung nicht das Recht hat, bei einem Verlangen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne ihres jeweiligen S...

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