Zwar ist allgemein anerkannt, dass eine Ausnahme von der Erfüllung der 6-monatigen Wartefrist im Einzelfall dann gegeben sein kann, wenn der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung kurz vor Ablauf der Wartefrist erklärt, um entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben den Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz zu vereiteln. In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB so zu behandeln, als wäre die 6-monatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG bereits erfüllt.[1] Dieser Anschein kann bei einer sehr frühzeitigen Kündigung erweckt werden.

 
Praxis-Beispiel

Vereitelung des Kündigungsschutzes

Der Arbeitnehmer wird zum 1.1.2020 in leitender Position mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Jahresende eingestellt. Der Arbeitgeber kündigt am 20.2.2020 zum 31.12.2020.

Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG der Arbeitgeber während der gesamten Wartezeit frei kündigen kann. Im Interesse der Rechtssicherheit muss eine gesetzlich festgelegte Frist genau beachtet werden. Daher kann nicht schon jede kurz vor Erfüllung der 6-monatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ausgesprochene ordentliche Kündigung als treuwidrige Vereitelung des Eintritts des Arbeitnehmers in den Kündigungsschutz angesehen werden. Eine analoge Anwendung des § 162 BGB kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung nur deshalb vor Ablauf der Wartefrist erklärt, um den Eintritt des Kündigungsschutzes zu verhindern, und wenn dieses Vorgehen unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände gegen Treu und Glauben verstößt.

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