In unserem Beratungsalltag werden wir immer wieder mit einer Frage konfrontiert: Wie werden wir denn nun als Unternehmen agiler? Im Subtext dieser Fragestellung schwingt aber noch mehr mit, nämlich ein gewisses Maß an Unsicherheit: "Wo stehen wir eigentlich als Unternehmen in unserer Entwicklung und wo müssen wir denn anfangen bzw. weitermachen, um agiler zu werden?"

1.1 Wo stehen wir als Organisation?

Um eine qualifizierte Aussage im Sinne einer agilen Standortbestimmung für ein Unternehmen treffen zu können, braucht es ein Instrument zur Analyse des agilen Reifegrades des Unternehmens bzw. des Unternehmensbereichs. Genauso wie ein Arzt ohne vorherige Anamnese keine geeignete Therapie ausarbeiten kann, kann eine Transformation ohne eine vorherige Ermittlung der aktuellen Situation nicht zielführend und Erfolg versprechend initiiert werden. Es fände wohl sonst nur die Behandlung von Symptomen statt, die Ursachen blieben weiter unangetastet. Es gilt also, die Ist-Situation der Organisation, genauer gesagt, den agilen Reifegrad zu ermitteln, um darauf aufbauend Entwicklungspläne formulieren zu können, die passgenau auf das jeweilige Unternehmen und dessen tatsächlichen agilen Reifegrad zugeschnitten sind.

Eine weitere Frage müssen sich Organisationen beantworten: "Wie viel Agilität benötigt denn eigentlich unser Unternehmen?" Denn es geht für Unternehmen in erster Linie darum, nicht unbedingt den höchsten, sondern den für sie passenden agilen Reifegrad für sich zu identifizieren und zu erreichen.

1.2 Wo wollen wir als Organisation hin?

Man muss nicht immer nach den Sternen greifen, auch wenn man sich womöglich durch unterschiedliche prominente Beispiele aus der Presse unter Handlungsdruck gesetzt fühlt. Immer wieder ist von Unternehmen zu lesen, die Hierarchien abschaffen und dafür öffentlich Applaus erhalten. Warum sie dies tun, wird aber vergleichsweise selten diskutiert. Andere Unternehmen rufen öffentlichkeitswirksam einen Kulturwandel innerhalb des Konzerns aus. Wieder andere Unternehmen sehen den Bedarf, Führung anders zu denken oder ihren Personalbereich neu auszurichten. Es sind letztlich alles unterschiedliche Gründe, die Unternehmen dazu bewegen, sich in Richtung Agilität zu verändern. Es ist also keineswegs nur darauf beschränkt, agile Prozesse einführen zu wollen, sondern vielmehr müssen alle diese beschriebenen Thematiken berücksichtigt werden, wenn man über eine agile Transformation nachdenkt. Ein systemischer, ganzheitlicher Ansatz hilft dabei, die gesamte Organisationsentwicklung zu mehr Agilität den beteiligten Parteien besser erklären und in der Folge auch ausführen zu können.

1.3 Ganzheitlicher Ansatz: das TRAFO-Modell

Das TRAFO-Modell dient zur Abbildung der systemischen und ganzheitlichen Perspektive. Es beinhaltet in dem ersten Charakteristikum "Dimensionen der agilen Reife" 6 Teilbereiche. Diese 6 von uns identifizierten und für die Transformation maßgeblichen Dimensionen sind:

  1. Dimension: Strategie
  2. Dimension: Struktur
  3. Dimension: Prozesse
  4. Dimension: Führung
  5. Dimension: HR-Instrumente
  6. Dimension: Kultur

Diese Dimensionen ergaben sich im Rahmen unserer täglichen Arbeit mit unseren Kunden und im Austausch mit unserem wissenschaftlichen Beirat. Der Drang, sich als Unternehmen in Richtung mehr Agilität verändern zu müssen, geschieht in der Regel aus der Wahrnehmung eines Engpasses heraus. Hierbei mussten wir feststellen, dass der wahrgenommene Engpass des Kunden sich durchaus häufiger vom tatsächlichen Engpass unterscheiden kann. In vielen Unternehmen drückte der Schuh bei den agilen Prozessen. Die Produktentwicklung hatte den Eindruck, dass ihnen die Einführung agiler Prozesse zwar grundsätzlich sehr weitergeholfen hätte, sie aber nun irgendwie nicht mehr weiterkämen in ihrer Entwicklung. Sie konnten sich allerdings die Gründe für diese Stagnation auch nicht erklären. Diese waren eben nicht in den Prozessen zu suchen, denn die hatten sie für ihre Bedürfnisse grundsätzlich schon optimal auf die Gegebenheiten angepasst. Das Problem lag somit mehr in anderen Dimensionen.

Agilität ist mehr als Prozesse und Methoden

Dies war der entscheidende Beleg, den Weg zum agilen Unternehmen ganzheitlicher zu betrachten. Die Reduzierung von Agilität auf Prozesse und Methoden durch einige Unternehmen ist ungenügend. "Wir arbeiten jetzt mit Scrum" ist eben nicht gleichzusetzen mit "Wir sind ein agiles Unternehmen". Und nur weil man sich, so wie es einige Unternehmen tun, "Wir werden ein agiles Unternehmen" in die Unternehmensstrategie schreibt, ist man noch lange nicht auf dem besten Weg dahin. Dies wird noch dadurch erschwert, dass oft Klarheit darüber fehlt, welche konkreten Konsequenzen das für das Unternehmen nach sich zieht.

Es ist wichtig, den Blick auf die gesamte Organisation zu richten. Die Perspektive geht weit über die reine Etablierung agiler Prozesse hinaus. Dabei ist es natürlich lohnenswert, die Dimension Prozesse innerhalb der Organisationen, insbesondere innerhalb von IT-Organisationen, agil zu gestalten. Aber das Potenzial, zusätzlich den Reifegrad zu steigern, liegt in den anderen Dimensionen. Dies lässt sich darauf z...

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