Wegen der in § 2 KSchG enthaltenen Verweisung auf § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KSchG ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung auch bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die 4 Sozialkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.[1]

Dabei ist die gesetzliche Verweisung deshalb missglückt, weil es bei der Änderungskündigung anders als bei der Beendigungskündigung nicht darum geht, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust seines Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen wird. Denn unabhängig von der Annahme unter Vorbehalt durch den Arbeitnehmer geht es bei der ordentlichen Änderungskündigung um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots ("Inhaltsschutz statt Bestandsschutz"). Somit ist auch bei der Sozialauswahl auf die Auswirkung der vorgeschlagenen Vertragsänderung auf den sozialen Status der vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen. Der Arbeitgeber muss insoweit prüfen, ob er, statt die Arbeitsbedingungen des vorgesehenen Arbeitnehmers zu verändern, diese Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer anbieten muss, dem das in sozialer Hinsicht eher zumutbar ist.

Dabei erfolgt die Sozialauswahl in 3 Prüfungsschritten.

Im ersten Schritt (Vergleichbarkeit) sind die vergleichbaren Arbeitnehmer zu ermitteln. Dabei ist nicht nur auf den bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch auf den vorgesehenen neuen Arbeitsplatz abzustellen.[2]

Im zweiten Schritt kann der Arbeitgeber bei berechtigtem betrieblichem Interesse die Auswahl steuern. Ein solches betriebliches Interesse kann sowohl darin liegen, bestimmte Arbeitnehmer an ihren bisherigen Arbeitsplätzen weiterzubeschäftigen als auch darin, bestimmte Arbeitnehmer an anderen Arbeitsplätzen zu geänderten Bedingungen zu beschäftigen. Insbesondere können besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen eines Arbeitnehmers an seinem alten Arbeitsplatz für den Arbeitgeber (bei Versetzungen) unverzichtbar sein. Zudem kann ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis bei beabsichtigter Entgeltsenkung oder Verringerung der Arbeitszeit darin bestehen, bestimmte Arbeitnehmer zu unveränderten Konditionen weiterzubeschäftigen, z. B. weil sie sonst kündigen würden und der Arbeitgeber sie braucht.

Bei Massenänderungskündigungen müssen die sozialen und betrieblichen Interessen abgewogen werden. Dabei muss dem Arbeitgeber auch zugestanden werden, zur Beschäftigungssicherung gleichmäßig die Arbeitsbedingungen anzupassen. Denn wenn der Arbeitgeber mehrere Arbeitnehmer wegen ihrer besonderen Sozialkriterien nicht änderungskündigen könnte (z. B. bei Auftragsmangel zur Arbeitszeitreduzierung), bliebe nur noch die Beendigungskündigung, was nicht sachgerecht ist.

Im dritten Schritt findet dann die Sozialauswahl nach den 4 Sozialkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung statt. Dabei können die Sozialkriterien anders als bei der betriebsbedingten Beendigungskündigung je nach dem Änderungsgrund unterschiedlich gewichtet werden.[3] Geht es zum Beispiel um einen Arbeitsplatzwechsel, wird der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter besonderes Gewicht zukommen. Schließlich leuchtet ein, dass ein älterer Arbeitnehmer sehr viel mehr Schwierigkeiten haben wird, neue Fertigkeiten zu erlernen und sich umzustellen. Soll dagegen das Entgelt reduziert werden, kommt den Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers besondere Bedeutung zu. Aber auch das Lebensalter kann hier eine besondere Bedeutung erlangen, wenn mit Versorgungsnachteilen zu rechnen ist, die ein älterer Arbeitnehmer schwerer ausgleichen kann. Da die Kriterien der Sozialauswahl nicht mathematisch gegeneinander verrechnet werden können, steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu.[4] Dieser ergibt sich schon daraus, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine Kündigung an der Sozialauswahl nur dann scheitern lässt, wenn der Arbeitgeber die 4 Sozialkriterien "nicht oder nicht ausreichend" berücksichtigt hat. Das bedeutet, dass eine Beurteilung durch den Arbeitgeber nur dann zu beanstanden ist, wenn sie geradezu "ins Auge springt".

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