1.1 Gesetzlich definierte Merkmale

Die Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von nichtselbstständiger Arbeit bzw. abhängigen Beschäftigung regelt § 1 LStDV. Danach ist Arbeitnehmer, wer aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn bezieht. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet und bei der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.[1]

Demgegenüber übt ein Steuerpflichtiger eine selbstständige Tätigkeit aus, wenn er Lieferungen und Leistungen außerhalb eines solchen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt ausführt.[2]

Formale Merkmale nicht entscheidend

Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger als Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt oder selbstständig Lieferungen und Leistungen ausführt, ist z. T. schwierig zu beantworten, denn die Grenzen zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit sind fließend. Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf formale Betrachtungen, z. B. auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterverhältnis, sondern vielmehr auf dessen tatsächliche Durchführung an.[3]

1.2 Unternehmerrisiko und -initiative

Auf Grundsätzliches reduziert lässt sich sagen, dass nur derjenige selbstständig tätig ist, der Weisungen eines Dritten nicht zu folgen hat und auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet. Die entscheidenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit sind also

  • die mehr oder weniger freie Bestimmung und Gestaltung der Betätigung, insbesondere deren Organisation und Ablauf sowie
  • die Möglichkeit, seine Leistung auf dem Markt unternehmerisch, das heißt gegenüber mehreren Auftraggebern anzubieten (Unternehmerinitiative) und das damit verbundene Risiko der Entlohnung zu tragen, also auf eigene Rechnung am Markt tätig zu werden (Unternehmerrisiko).

Dies bedeutet, dass der selbstständig Tätige durch ein erfolgreiches Auftreten am Markt seine Vergütung zu steigern vermag, aber auch das wirtschaftliche Risiko trägt, dass sich die von ihm angebotene Leistung nicht Gewinn bringend vermarkten lässt.[1]

Diese Kriterien kommen in unterschiedlichster Ausprägung vor. So kann sich eine Unternehmerinitiative z. B. darin zeigen, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, seinerseits die Arbeitsleistung durch Dritte – nämlich durch von ihm selbst beschäftigte Arbeitnehmer oder Subunternehmer – erbringen zu lassen.

Ein Unternehmerrisiko tritt deutlich hervor, wenn der Auftragnehmer sich werbend am Markt betätigen muss, um im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zu anderen Anbietern Aufträge hereinzuholen und infolgedessen auch stets Aufträge von wechselnden Auftraggebern erhält.

1.2.1 Einfache Arbeiten sprechen für abhängige Beschäftigung

Nicht immer sind die Abgrenzungsmerkmale so deutlich ausgeprägt, dass ohne Weiteres entschieden werden könnte, ob der Steuerpflichtige seine Leistungen selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbringt. Dann kommt es auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Dabei ist auch die Art der angebotenen Leistungen entscheidend.

1.2.2 Höherwertige Tätigkeit spricht für selbstständige Tätigkeit

Je höherwertiger eine Tätigkeit ist, desto größer ist im Allgemeinen der Gestaltungsspielraum desjenigen, der diese Tätigkeit ausübt und anbietet. Denn je spezifischer dessen Tätigkeitsmerkmale ausgestaltet sind und insbesondere eine umfassende Ausbildung erfordern, je schwieriger es also ist, dessen Leistung durch die Leistung eines anderen zu ersetzen, desto mehr spricht für eine selbstständige Tätigkeit.

1.2.3 Fremdbestimmtheit spricht für abhängige Beschäftigung

Demgegenüber werden einfache Arbeiten regelmäßig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbracht, und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter, die mit einfachen Arbeiten betraut werden (wie z. B. Reinigungspersonal oder Bauhilfsarbeiter), gewisse Spielräume hinsichtlich der Arbeitszeit oder des Arbeitsablaufs bei der Erledigung ihrer Tätigkeit haben.

1.2.4 Tätigkeit für einen einzigen Auftraggeber

Eine Eingliederung in den Betrieb bzw. Geschäftsablauf des Auftraggebers kann sich nicht nur bei einfachen Tätigkeiten, sondern auch bei höherwertigen Tätigkeiten ergeben, wenn der Mitarbeiter (Auftragnehmer) durch das Mitarbeiterverhältnis an einer freien Gestaltung der Arbeitszeit und damit an einem Tätigwerden für mehrere Auftraggeber gehindert wird.

Keine im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit

Besteht nämlich nach der Art der Tätigkeit und insbesondere deren Ausführung eine Verpflichtung, die vereinbarte Leistung im Betrieb des (einzigen) Auftraggebers zu erbringen, ergibt sich jedenfalls dann bereits eine Eingliederung in dessen Betrieb, wenn die zeitliche Inanspruchnahme des Mitarbeiters faktisch kaum Raum lässt, um die Leistungen auch anderen (potenziellen) Auftraggebern anzubieten.

 
Praxis-Beispiel

Bindung an nur einen einzigen Auftraggeber

Der Auftraggeber beschäftigt den "freien Mitarbeiter" rund um die U...

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