Die einzelvertragliche Aushandlung ist zwar ein häufiger, nicht aber der einzige Fall für die Entstehung eines arbeitnehmerseitigen Anspruchs auf Abfindungszahlung. Abfindungsansprüche können sich auch unmittelbar aus kollektivem Recht ergeben.

1.1 Tarifvertragliche Regelungen

Tarifliche Regelungen über die arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Abfindungszahlung sind durchaus nicht selten. Zu denken ist etwa an Rationalisierungsschutzabkommen oder andere tarifliche Vereinbarungen, die quasi an die Stelle betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen durch einen Sozialplan treten. Hier werden – mit Billigung der an sich zuständigen Betriebsräte – Sozialpläne entweder ganz ersetzt oder zumindest gedeckelt.

 
Praxis-Tipp

Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband befragen

Für den Rechtsanwender ist es häufig nicht leicht zu ermitteln, ob derartige Tarifregelungen bestehen. Hier hilft häufig nur eine Anfrage an die zuständige Gewerkschaft oder den zuständigen Arbeitgeberverband.

1.2 Sozialplanregelungen

Abfindungsregelungen stehen bei Sozialplänen häufig im Vordergrund. Problematisch ist dabei zumeist die Bemessung der Abfindungshöhe.

Häufig werden zur Bemessung der Abfindungshöhe die Kriterien Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Höhe der bisherigen Vergütung und Sonderleistungen für schwerbehinderte Menschen herangezogen. Oftmals erfolgt auch eine Orientierung an einem Punkteschema. Hinsichtlich der Abfindungshöhe gibt es im Übrigen keine verbindlichen Richtwerte. Insbesondere besteht keine Bindung an § 113 BetrVG ("Nachteilsausgleich"). Entscheidend für die Abfindungshöhe sind die sozialen Belange derArbeitnehmer und die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen.

Oftmals wird danach differenziert, welche konkreten Auswirkungen die Betriebsänderung für den einzelnen Arbeitnehmer hat (Verlust des Arbeitsplatzes, Umsetzung, Versetzung, Herabgruppierung etc.). So kann etwa bei einer Versetzung die Finanzierung von Qualifizierungsmaßnahmen oder ein Ausgleich für Fahrmehrkosten bei einem mit der Versetzung verbundenen Ortswechsel vorgesehen werden.

1.2.1 Grundsätze zur Abfindung aufgrund eines Sozialplans

Aus Sicht des Arbeitnehmers steht beim Ausscheiden häufig die Frage der Abfindungszahlung aufgrund eines Sozialplans im Vordergrund. Aber auch der Arbeitgeber muss sich in eigenem Interesse damit befassen, da ansonsten wirtschaftliche Nachteile und/oder Folgestreitigkeiten drohen. Dies gilt ebenfalls im Hinblick auf die sozial- und steuerrechtlichen Folgen bei Abfindungszahlungen.

Erfolgen diese nach einem bestimmten Schlüssel, sind stets auch Gleichbehandlungsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Es verstößt jedoch weder gegen § 75 BetrVG noch gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis eine abschlagsfreie Rente beanspruchen können, von Sozialplanleistungen ausgenommen werden. Gleiches gilt für die Begrenzung von Abfindungsansprüchen für ältere, rentennahe Arbeitnehmer auf einen Höchstbetrag, wenn diese nach Ablauf der Kündigungsfrist und anschließender Ausschöpfung der Fristen für den Bezug von Arbeitslosengeld Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente haben.

Dies entspricht auch der Regelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) über die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters in Sozialplänen (vgl. § 10 Abs. 6 Alt. 2 AGG). Der Gesetzgeber hat es damit den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglicht, sich bei sog. "rentennahen Arbeitnehmern" an deren wegen eines möglichen Rentenbezugs geringeren wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren. Das Anwachsen der Abfindungshöhe, das zwangsläufig mit Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter verbunden ist, kann so bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zugunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden.[1]

Diese Grundsätze entsprechen auch den unionsrechtlichen Vorgaben, welche in der "Gleichbehandlungsrichtlinie" 2000/43/EG vom 29.6.2000 festgelegt wurden.[2]

Eine Sozialplanregelung, die zur Berechnung der Höhe einer Abfindung auf den "frühestmöglichen" Bezug einer gesetzlichen Rente abstellt, bewirkt jedoch eine mittelbare Benachteiligung schwerbehinderter Menschen und stellt damit einen Verstoß gegen § 75 BetrVG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG dar. Die mittelbare Diskriminierung Schwerbehinderter resultiert daraus, dass diese bereits mit 60 Jahren eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können, während dies für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahrs möglich ist.[3]

Es kann sogar eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung vorliegen, wenn nach einer Sozialplanregelung schwerbehinderte Arbeitnehmer lediglich eine pauschalierte Sozialplanabfindung erhalten, während Arbeitnehmer ohne Behinderung eine höhere, nach ihren individuellen Betriebs- und Sozialdaten ermittelte Abfindungszahlung erhalten.[4]

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