Rz. 23

HI1996282 Persönliche Pflege

Der Anspruch auf Pflegezeit setzt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG voraus, dass der nahe Angehörige in häuslicher Umgebung gepflegt wird. "Pflegebedürftig" ist eine Person, die eine körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigung oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen kann (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB XI) und deshalb der Hilfe durch andere bedarf. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.[1] Diese Hilfe, d. h. die Pflege, besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.[2]

 
Hinweis

Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind nach § 14 Abs. 2 SGB XI die in den folgenden 6 Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

  • Mobilität,
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
  • Selbstversorgung,
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
 

Rz. 24

Die Pflege muss durch den Beschäftigten erfolgen. Die alleinige Pflege durch den Pflegezeitler ist aber nicht erforderlich, d. h. die Pflege kann auch durch mehrere Personen erfolgen. Die bloße Organisation der durch Dritte auszuführenden Pflege ist aber nicht ausreichend. Der Beschäftigte muss – dies wird aus dem Begriff "pflegt" erkennbar – objektiv verfügbar und subjektiv in der Lage sein, die Pflege vorzunehmen.[3] Die Inanspruchnahme von Pflegeunterstützung, z. B. durch Dienstleistungen eines ambulanten Pflegedienstes ist allerdings unschädlich.

 
Hinweis

Es ist – im Gegensatz zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG – für die Pflegezeit nicht erforderlich, dass die Pflegesituation, in der sich der nahe Angehörige befindet, "akut" auftritt. Der Anspruch auf Pflegezeit besteht unabhängig davon, ob nach Akutereignissen ein Pflegebedarf unerwartet und plötzlich auftritt; also z. B. gerade auch bei vorhersehbaren und "geplanten" Pflegesituationen. Nach der Intention des Gesetzgebers soll es einem Beschäftigten z. B. ermöglicht werden, einen pflegebedürftigen Angehörigen in der letzten Phase des Lebens zu begleiten.[4]

 

Rz. 25

HI1996283 In häuslicher Umgebung

Die Pflege durch den Beschäftigten muss "in häuslicher Umgebung" erfolgen. Um welche "häusliche Umgebung" es sich dabei handeln soll, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.

 

Rz. 26

Der Begriff der "häuslichen Umgebung" steht in engem Sachzusammenhang mit dem Begriff der "häuslichen Pflege", so wie er als generelle Anspruchsvoraussetzung für die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung vorausgesetzt wird (§§ 36 bis 40 SGB XI).[5] Die Pflegeversicherung erbringt z. B. Pflegesachleistungen auch dann, wenn der Pflegebedürftige nicht im eigenen Haushalt gepflegt wird.

 

Rz. 27

Dementsprechend ist auch bei Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 PflegeZG von einem relativ weit gefassten Begriff der "häuslichen Umgebung" auszugehen. Häusliche Umgebung ist also auch anzunehmen, wenn die Pflege im Haushalt der Pflegeperson oder einer dritten Person, in einer Altenwohnung oder einem Altenwohnheim, in der ein Mindestmaß an eigenständiger Lebensführung und selbstständiger Wahl der Pflegeform möglich ist, erfolgt.[6] Sofern sich der Pflegebedürftige gewöhnlich in einem Wohnheim für behinderte Menschen oder einer Behinderteneinrichtung aufhält und im planmäßigen und regelmäßigen Abstand (z. B. an den Wochenenden und/oder den Ferien) "zu Hause gepflegt wird, ist in dieser Zeit eine häusliche Umgebung anzunehmen, selbst wenn die Dauer des Aufenthalts in der Behinderteneinrichtung überwiegt."

Wird der Pflegebedürftige allerdings in einer stationären Pflegeeinrichtung oder einer der in § 71 Abs. 4 SGB XI aufgeführten stationären Einrichtungen gepflegt, ist in analoger Anwendung der leistungsrechtlichen Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB XI "häusliche Umgebung" auszuschließen.[7]

[1] S. oben Rz. 19.
[3] Joussen, NZA 2009, 68, 72.
[4] BT-Drucks. 16/7439 S. 91.
[5] ErfK/Gallner, 21. Aufl. 2021, § 3 PflegeZG, Rz. 1.
[6] ErfK/Gallner, 21. Aufl. 2021, § 3 PflegeZG, Rz. 1.
[7] S. auch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 11.2.2004 zur Rentenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen, Ziff. II. 1., 1.1.7. "Häusliche Umgebung".

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