Die anonyme Mitarbeiterbefragung ist ein klassisches Analyseinstrument im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Neben der Fehlzeitenstatistik, der Arbeitsplatz- und Tätigkeitsanalyse sowie weiteren Methoden zur Sammlung von Informationen, nimmt die Mitarbeiterbefragung eine besondere Stellung ein.

Die anonyme Mitarbeiterbefragung ist eines der bedeutendsten Analyseinstrumente im Rahmen des BGM.[1]

Moderner Arbeits- und Gesundheitsschutz: Der Mensch im Fokus

Im Zeitalter von "Arbeit 4.0" haben sich die Arbeitsbedingungen und -formen grundlegend verändert. Durch technologischen Fortschritt und Digitalisierung entstehen neue Chancen, aber auch Risiken (u. a. technische Innovationen und Freiheiten wie Remote Work vs. Monotonie, Arbeitsverdichtung, fehlende Entgrenzung). Demzufolge entwickeln sich auch die Rahmenbedingungen und Anforderungen an einen modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz stetig weiter. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind gleichermaßen gefragt, Lösungen für die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen zu finden und diese dann auch wirksam umzusetzen.

Der Mensch rückt in den Fokus. Er wird als zentrale Ressource in der neuen Arbeitswelt angesehen, dessen Gesundheit und Leistungsfähigkeit es zu erhalten und zu fördern gilt. Um Potenziale des Faktors Mensch freizusetzen, ist es im 21. Jahrhundert von zentraler Bedeutung, "Licht- und Schattenseiten" einer Organisation zu diagnostizieren.[2]

Neben den nahezu gleichbleibenden klassischen Gefährdungen (z. B. permanentes Sitzen, schwere körperliche Arbeit, Gefahrstoffe, Lärm) wird vielfach auch über die psychische Belastungssituation bei der Arbeit diskutiert. Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren zu. In einer Zeit, in der verstärkt die Kopfarbeit zur zentralen "Triebkraft der Wirtschaft" wird, sind die Förderung und der Erhalt der psychischen Gesundheit besonders wertvoll. Ist diese Gesundheit eingeschränkt, reduziert sich der Energieeinsatz des Menschen, sein Arbeitsverhalten verschlechtert sich und löst Leidensdruck aus. Leistungsverlust und Produktivitätseinbuße sind die Folgen und verursachen zusätzlich hohe Kosten in Organisationen.[3]

Pandemiebedingte Anpassungen durch SARS-CoV-2 und deren Auswirkungen scheinen Körper und Psyche zusätzlich herauszufordern, u. a. durch maximal beschleunigte Digitalisierungsprozesse, zeitliche und örtliche Flexibilisierung bzw. Homeoffice als Teil der mobilen Arbeit und Social Distancing.[4]

 
Praxis-Tipp

Belastung 4.0

Durch eine anonyme Mitarbeiterbefragung können neben den klassischen Gefährdungen auch sehr gezielt Fehlbelastungen identifiziert werden, die durch moderne Arbeitsbedingungen entstehen (Belastung 4.0). Mit einem vergleichsweise geringen Aufwand und einem zeit- und ortsflexiblen Einsatz können alle Mitarbeiter einbezogen werden.[5]

Die Analyse der Situation im Homeoffice ist aus aktuellem Anlass ein gutes Beispiel: Laut einer Forsa-Umfrage des Industrieverbandes Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA) weist ein Großteil der heimischen Arbeitsplätze noch immer erhebliche Mängel auf (Ergonomie und Arbeitsmittel).[6] Auch Auswirkungen des Homeoffice auf den digitalen Stress sollten weiterhin beobachtet werden (psychische Faktoren), wie eine Studie des Fraunhofer Instituts zeigt.[7]

Analyse der weichen Faktoren

 
Wichtig

Verpflichtung des Arbeitgebers

Neben dem Gesetzgeber (§ 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG) fordert seit 2017 auch das CSR-Richtliniengesetz, dass mehr Informationen über die Situation der Mitarbeiter zu sammeln sind (CSR = Corporate Social Responsibility). Darin sind Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zu einer "nicht-finanziellen Erklärung" verpflichtet, darunter auch zu Arbeitnehmer-, Sozialbelangen und Gesundheit. Ein Ansatz, der sich für die Unternehmen auch wirtschaftlich lohnt.

Eine Mitarbeiterbefragung liefert i. d. R als einziges Instrument anonymisierte Informationen zu den sog. weichen Faktoren. Dazu zählen u. a. Arbeitszufriedenheit, Gesundheit/Wohlbefinden, Führungsverhalten/-bewertung, Qualität der Unternehmenskultur, Mitarbeiterbindung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Beobachtung dieser Faktoren ist aus Sicht der BGM-Experten sogar zwingend notwendig, da mittlerweile hinreichend bekannt ist, dass der Krankenstand in seiner Komplexität nur sehr schwer (direkt) beeinflussbar ist. Weiche Faktoren sind auch deshalb besonders wertvoll, da sie die harten Daten, wie bspw. den Krankenstand, hinsichtlich ihrer Ursachen zu interpretieren und zu verstehen versuchen.[8] Hinzu kommt, dass die digitale Datenerfassung in der heutigen Zeit soweit fortgeschritten ist, dass weiche Faktoren leichter, häufiger und mit weniger Aufwand zu erfassen sind.

Belastung und Beanspruchung

Obwohl der Gesetzgeber in § 5 ArbSchG lediglich die Beurteilung der Arbeitsbelastung fordert, sollte das BGM aus o. g. Gründen einen Schritt weiter gehen. Ausgehend davon, dass die Belastungssituation und die Arbeitsbedingungen im Betrieb zunächst für alle Beschäftigten gleich sind und die Auswirkungen und Folgen von den pe...

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