Urlaubsrecht und seine Tücken für Entgeltabrechner

Für Laien aber auch für Profis hält die Entgeltabrechnung manch Erstaunliches oder Skurriles bereit. Robert Knemeyer, Personalberater und Interim-Manager, geht diesen ausgefallenen Fragen nach. Heute: Die richtige Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes.

Vielleicht kennen Sie folgenden Sachverhalt auch: Vielfach wird aktuell das Arbeitszeitgesetz kritisiert: Es sei nicht mehr zeitgerecht und müsste dringend an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Aber eigentlich ist es das Bundesurlaubsgesetz, das diese Kritik einstecken müsste. Und es ist eben auch das Bundesurlaubsgesetz, das häufig falsch angewendet wird. Dies liegt natürlich vor allem daran, dass es bereits seit 1963 gilt und damals die Gegebenheiten in der Arbeitswelt deutlich anders waren als heutzutage.

Viele werden jetzt sagen: „Und was hat das mit Entgeltabrechnung zu tun? Das betrifft doch das Arbeitsrecht!“ In den allermeisten Unternehmen werden die Urlaubstage in der Abteilung für Entgeltabrechnung verwaltet und betreut, zusammen mit der Zeiterfassung. Deswegen treten auch dort die meisten Fragen dazu auf. Insbesondere die Höhe des jeweiligen Anspruchs auf Urlaub, der bei Eintritt, Austritt, Mutterschutz, Elternzeit, Teilzeit, Praktikum et cetera besteht. Dies muss oft in der Entgeltabteilung berechnet sowie im Anschluss im System eingetragen werden. Zudem bilden die Entgeltmitarbeiter auch die Rückstellungen, wenn Mitarbeiter ihren Urlaub bis 31. Dezember nicht vollständig genommen haben.

Halbe Urlaubstage sind im Gesetz nicht vorgesehen

Die Annahme liegt nahe: Mitarbeiter sollen für jeden Monat der Beschäftigung entsprechenden Erholungsurlaub bekommen, um sich ihre Arbeitskraft zu erhalten. Bei Eintritt, Austritt oder ruhendendem Arbeitsverhältnis erfolgt eine entsprechende anteilige Berechnung für dieses Kalenderjahr. Dabei stellt man schon fest, dass im Bundesurlaubsgesetz halbe Urlaubstage gar nicht vorgesehen sind und deswegen Anteile, die 0,5 ausmachen auf volle Tage aufzurunden sind. Dann wäre logisch, dass Anteile, die weniger als 0,5 Tage ausmachen, abgerundet werden. Wenn es nur ganze Tage geben kann, wäre das schließlich die einzige Möglichkeit.

Urlaubsanspruch bei einer Kündigung: Doppelansprüche vermeiden

Ich weiß nicht, ob Sie schon mal einem Mitarbeiter diesen Sachverhalt in allen Facetten verständlich und nachvollziehbar erklären konnten.

Offenbar ist es jedoch so: Gerade in Fällen, in denen ein Mitarbeiter in der zweiten Jahreshälfte das Unternehmen wechselt, trifft es eigentlich nicht zu, dass der Urlaub in diesem Unternehmen anteilig besteht. Tatsächlich hat der Mitarbeiter den Anspruch auf den vollen Jahresurlaub bei dem Unternehmen, das er verlässt (nach dem 1.7. des Jahres). Dies ergibt sich aus den §§ 4,5 BurlG, mit der Folge, dass gegebenenfalls sogar alle Tage des Jahresurlaubs, die nicht genommen werden konnten, auszuzahlen sind (§ 7 Abs. 4 BurlG). Dazu ist dann eine entsprechende Bescheinigung für den neuen Arbeitgeber auszustellen, damit es nicht zu Doppelansprüchen kommt (§ 6 BUrlG).

Konkret würde das bedeuten: Ein Mitarbeiter ist seit zwei Jahren bei Firma A beschäftigt. Er kündigt zum 31.08.2016. Damit hat er dort einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Er nimmt davon 15 Tage im Juli und muss somit 15 Tage ausgezahlt bekommen, die bis Ende August nicht genommen wurden. In der neuen Firma hätte er dann keinen Anspruch mehr im Jahr 2016. Das zeigt, warum die Urlaubsbescheinigung so wichtig ist: Wenn die neue Firma diese nicht hätte, würden diese vielleicht vier Zwölftel als Anteil des Jahresurlaubs – vielleicht von maximal 25 Tagen Jahresurlaub – berechnen und hätten dann 8,33 Tage. Diese können allerdings nicht auf 8,0 abgerundet werden, sondern bleiben mit 8,33 bestehen. 0,33 Tage müssen dann stundenweise genommen werden (BAG 26.1.1989 – 8 AZR 730/87). Damit hätte der Mitarbeiter dann 38,33 Urlaubstage im Jahr 2016 erhalten.

Urlaub in der zweiten Jahreshälfte: Probleme sind programmiert

In der Praxis müssen wir davon ausgehen, dass diese gesetzlich vorgesehene Regelung aber nicht angewendet wird. Sie ist ja auch irgendwie eine Benachteiligung der abgebenden Firma. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Regelung dem eigentlichen Zweck des Erholungsurlaubs entgegenarbeitet. Sie sorgt schließlich dafür, dass mehr Urlaub ausgezahlt wird, als eigentlich vorgesehen wäre. Wer hat schon bis 31.8. seine 30 Tage Urlaub genommen – gerade wenn er die Firma verlässt?

Wenn das Gesetz also richtig angewendet wird, bestehen in der Praxis diese Problematiken: Der Mitarbeiter, der wechselt, hat eher keinen Jahresurlaub im Sommer und wird gegebenenfalls noch mit dem Problem konfrontiert, dass er vielleicht zwischen Weihnachten und Sylvester keinen Urlaub hat, obwohl vielleicht Betriebsferien sind und die Firma geschlossen ist. Dann bleibt nur noch unbezahlter Urlaub.

Was meinen Sie?

Haben Sie auch schon Erfahrungen mit solch einem Fall gemacht? Oder kennen Sie auch Sachverhalte, die Sie als Entgeltabrechner den Mitarbeitern nur schwer erklären können, weil diese schwierig nachzuvollziehen sind?

Dann freuen wir uns auf Ihre Kommentare, Anmerkungen oder Sachverhalte.

Schlagworte zum Thema:  Urlaub, Kündigung, Entgelt, Sozialversicherung, Lohnsteuer