Kolumne: Was hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz gebracht?

Es ist noch nicht lange her, als das Betriebsrentenstärkungsgesetz (für Insider "das BRSG") im Jahr 2018 in Kraft getreten ist und sich so viel vorgenommen hatte. Unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp zieht eine Zwischenbilanz: Hat das Gesetz die Erwartungen erfüllt?

Also gönnen wir uns eine Bestandsaufnahme; die 100 Tage, nach denen üblicherweise erstmals bilanziert wird, ob sich Erfolge einstellen, sind schon lange vorbei. Beginnen wir mit der Geburtsstunde des Gesetzes; die Mutter des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist Andrea Nahles – von 2013 bis 2017 Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Voller Schwung hatte sie, mit Unterstützung von großen Gewerkschaften, das Gesetz mit zahlreichen Änderungen und mit zum Teil ausgezeichneten Ideen durchgekämpft und verabschiedet.

Langfristige Anlage sollte attraktiver werden

Hierbei war insbesondere die Herausforderung, der miserablen bAV-Zinssituation zu begegnen, um eine langfristige Anlage fürs Alter endlich wieder attraktiv gestalten zu können. Dann wären auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder motiviert, eigene Entgeltbestandteile in eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln.

Die Antwort auf diese Herausforderung war eine sogenannte "reine Beitragszusage", die Arbeitgeber aus ihrem Haftungsrisiko entlässt und durch fehlende Garantien wieder langfristige Anlagestrategien eröffnet! Ohne Zweifel auf den ersten Blick klug und interessant, insbesondere für jeden Arbeitgeber. Auf den zweiten Blick – und zwar aus dem Blickwinkel des Arbeitnehmers – eher kritisch beäugt, denn welcher Arbeitnehmer sollte begeistert sein, von einem Modell, welches keine Garantien, ja noch nicht einmal einen Werterhalt zusichert?

Genau jetzt kommen die Tarifvertragsparteien ins Spiel, denn einzig über eine tarifliche Regelung zur betrieblichen Altersversorgung ist es möglich, eine reine Beitragszusage abzuschließen.

Auch ohne Tarifbindung möglich

Hervorragend! Oder nicht?! Nur, was ist mit Arbeitgebern, die nicht tarifgebunden sind? Auch daran wurde gedacht, denn nach § 24 Betriebsrentengesetz können "nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren". Bedeutet, dass sich auch nicht tarifgebundene Unternehmen an einen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung anlehnen und somit ebenfalls aus der Haftung gelangen könnten und darüber hinaus ihren Mitarbeitern wieder attraktive Modelle für die Altersversorgung anbieten könnten. Allerdings hätte man sich damals schon kritisch fragen können – dies sei als Randbemerkung erlaubt –, welcher klassisch freigeistige Geschäftsführer sich wohl für seine vielleicht 100 Mitarbeiter an einen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung anlehnen möchte …

Selbst wenn er es wollen würde, ist das augenblickliche Hauptproblem, dass es auch im Jahr 2021 – obwohl das BRSG im Januar 2018 in Kraft getreten ist – grundsätzlich noch keinen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung mit einer reinen Beitragszusage gibt.

Kann also im Augenblick von einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung überhaupt gesprochen werden? Vielleicht ein wenig, denn zu erwähnen ist noch der Pflichtzuschuss nach § 1a Betriebsrentengesetz, der besagt, "dass der Arbeitgeber 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten muss, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart". Entscheidend für die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung ist, dass der Arbeitgeber 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich zahlen muss, aber was bedeutet „soweit durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden“?

Einsparung von SV-Beiträgen

Nun, jedem wird schnell einleuchten, dass der Arbeitgeber spart und zwar mehr als 15 Prozent, wenn er nicht von 3.000 Euro, sondern von 2.900 Euro Sozialversicherungsbeiträge einzahlt, weil der Arbeitnehmer 100 Euro in eine Direktversicherung einspart. Wenn der Arbeitnehmer hingegen 5.000 Euro oder gar 8.000 Euro verdient, dann wird seitens des Arbeitgebers gesetzlich weniger als 15 Prozent oder nichts mehr als Zuschuss verpflichtend, da weniger beziehungsweise nichts mehr an Sozialversicherungsbeiträgen gespart wird. Freiwillig kann der Arbeitgeber selbstverständlich immer einen Zuschuss zahlen.

Diese Regelung gilt für Neuzusagen bereits ab Januar 2019 und für alle Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds, die bis zum 31. Dezember 2018 abgeschlossen wurden, erst ab Januar 2022 – erst?! Also in Kürze, sodass es nun also für alle Arbeitgeber heißt, sich hierauf zeitnah vorzubereiten, denn diese Regelung gilt für alle Arbeitnehmer – es sei denn, es gibt im Unternehmen eine tarifliche Regelung zur betrieblichen Altersversorgung, dann greift nach § 19 Betriebsrentengesetz der Pflichtzuschuss nach § 1a Betriebsrentengesetz nicht!

Ziel verfehlt

Stärkt nun das Betriebsrentenstärkungsgesetz die betriebliche Altersversorgung? Was meinen Sie, wie steht es um unsere betriebliche Altersversorgung – miserabel, katastrophal oder gar verheerend?!

Sicher ist, dass das Betriebsrentenstärkungsgesetz es bisher – nach immerhin drei Jahren – nicht geschafft hat, die betriebliche Altersversorgung wirklich zu stärken. Dafür trägt das komplizierte Gesetz selbst nicht allein die Verantwortung; das heißt aber, dass – auch ungeachtet von Kurzarbeit und Corona – dringend eine politische Antwort gefunden werden muss, denn die Tarifvertragsparteien werden es alleine nicht richten können und die gesetzliche Rente allein wird auch nicht reichen.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.


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