Kolumne Entgelt: Kein Land in Sicht bei den Freigrenzen

Jeder aus der Personalabteilung kennt sie: die 44-Euro- und 60-Euro-Freigrenze. Aber die eindeutige steuerrechtliche Handhabung ist seit vielen Monaten unklar. Verantwortliche im Unternehmen können hier nicht ewig auf die Antwort seitens des Finanzamtes warten, meint Beraterin Christiane Droste-Klempp und widmet sich diesem Thema in ihrer ersten Kolumne.

Die Attraktivität eines Unternehmens – insbesondere in kleinen und kleinen mittelständischen Unternehmen – zeichnet sich auch dadurch aus, dass besondere Situationen wie erhöhter Arbeitseinsatz, Geburtstag, tolle Leistung, Jubiläum etc. besonders honoriert und wertgeschätzt werden möchten. Jedem Arbeitgeber ist klar, dass es steuerrechtlich nicht möglich ist, einem Arbeitnehmer "einfach mal so" einen Geldbetrag zu überreichen, da es sich hierbei sofort um steuerpflichtigen Arbeitslohn und um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handelt und die 44- beziehungsweise 60-Euro-Grenze nicht anwendbar ist. Wie also ausdrücken, dass man sich bedanken möchte für tolle Arbeit oder gratulieren möchte zur Hochzeit und dabei sichergehen, dass der Arbeitnehmer sich auch freut über das Geschenk und etwas damit anfangen kann?

Gutscheine: Sachbezug oder Barlohn?

Genau aus diesem Grund gibt es eine kleine Sachbezugsfreigrenze in Höhe von 44 Euro, die monatlich, und eine in Höhe von 60 Euro, die für besondere persönliche Anlässe genutzt werden kann. Aus Sicht des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers wäre es zu begrüßen, wenn diese Sachbezugsfreigrenzen im Rahmen eines Gutscheins mit einer gewissen Vielfalt an Möglichkeiten verwendet werden könnten, um persönlich das einzulösen, was einem gefällt oder einen Nutzen hat.

Nun so einfach ist es leider nicht mehr – oder vielleicht doch? So ganz genau wissen wir es im Augenblick nicht, denn zwei BFH-Urteile aus dem Jahr 2018 haben einen Diskussionsstein über die eindeutige Definition von einem persönlich zweckgebundenen Sachbezug in Abgrenzung zu Barlohn ins Rollen gebracht. Denn Achtung: Barlohn muss als Arbeitslohn versteuert und somit auch in der Sozialversicherung verbeitragt werden. Um in diesem Punkt endlich Klarheit zu erlangen, bedarf es neben den gesetzlichen Definitionen (§ 8 Abs. 2 Satz 11 bzw. 19.6 LStR R) eine aktuelle Verwaltungsanweisung, die Licht ins Graue (ein wenig wissen wir ja bereits …) bringt.

Jahressteuergesetz sorgt für Verwirrung

Zäumen wir also das Pferd von hinten auf und halten fest, was wir aktuell wissen: Ob Bar- oder Sachlohn vorliegt, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses. Entscheidend ist, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beanspruchen kann. Es kommt nicht darauf an, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber den Anspruch erfüllt und seinem Arbeitnehmer den zugesagten Vorteil verschafft.

Nun wurden jedoch mit dem Jahressteuergesetz 2019 mit Gültigkeit ab Januar 2020 dem § 8 Abs. 1 EStG folgende Sätze angefügt: "Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen."

Wer kennt das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz?

Entscheidend ist demnach, was im § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes, der sicherlich nicht jedem Leser mal eben so geläufig ist (mir persönlich bisher ebenfalls nicht), steht. Hier ist Folgendes zu lesen:

Dienste, die auf Zahlungsinstrumenten beruhen, die
1.    für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen in den Geschäftsräumen des Emittenten oder innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten eingesetzt werden können,

2.    für den Erwerb eines sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungsspektrums eingesetzt werden können, oder

3.    beschränkt sind auf den Einsatz im Inland und auf Ersuchen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Stelle für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Bestimmungen für den Erwerb der darin bestimmten Waren oder Dienstleistungen von Anbietern, die eine gewerbliche Vereinbarung mit dem Emittenten geschlossen haben, bereitgestellt werden.

Wichtig ist für die Unternehmen zu verstehen, was dies konkret für die Praxis bedeutet. Sehen wir uns die Punkte genauer an:

1.    Hierunter fallen Gutscheine für ein örtliches (regionales) Geschäft oder Gutscheine, die von einem externen Emittenten ausgestellt werden und in einem begrenzten Netz von Dienstleistern eingelöst werden können. Das begrenzte Netz muss an einem einheitlichen "Logo" des Gutscheins oder der Kundenkarte erkennbar sein.

2.    Begünstigt ist z. B. eine Tankkarte, sofern sie ausschließlich den Erwerb von fahrzeugbezogenen Waren- und Dienstleistungen ermöglicht ("alles, was das Auto bewegt"). Nicht begünstigt wäre eine Tankkarte, wenn auch der Bezug von Lebensmitteln oder ähnlichem möglich ist.

3.    Hierunter fallen Gutscheine, die für den Erwerb von Waren oder Dienstleistung für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Bestimmungen, z. B. Gesundheitsmaßnahmen (§ 3 Nr. 34 EStG), gedacht sind.

Stand nach aktueller Rechtsauffassung

Fassen wir also eindeutig zusammen, wofür nach aktueller Rechtsauffassung die 44- beziehungsweise 60-Euro-Grenze steuerfrei eingesetzt werden kann:

  • Der Obi-Gutschein im Wert von 35 Euro für den tollen Einsatz des Mitarbeiters bzw. der Douglas-Gutschein im Wert von 55 Euro zum 60. Geburtstag der Mitarbeiterin ist möglich.
  • Ein Center-Gutschein, z. B. von der Altmarktgalerie in Dresden, ist ebenfalls möglich.
  • Ein Tankgutschein ("alles, was das Auto bewegt") geht auch.

Aber Achtung: Kein begünstigter Sachbezug liegt nach der neuen gesetzlichen Reglung vor bei reinen Online-Shops und einem deutschlandweit bei verschieden Akzeptanzstellen einlösbaren Gutschein, bei dem die Produkte nicht begrenzt sind.

Um tatsächlich Rechtssicherheit zu erlangen, bedarf es einer Verwaltungsanweisung, die bereits zu lange auf sich warten lässt. Bis dahin gilt die Empfehlung, sich an das zu halten, was wir im Augenblick wissen, damit es nach Erscheinen des entsprechenden BMF-Rundschreibens nicht zu einer Vielzahl von Korrekturen in der Entgeltabrechnung kommen muss.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.