Kolumne Entgelt: Die bAV schließt die Rentenlücke nicht

Die betriebliche Altersversorgung sollte die Lücken der gesetzlichen Rentenversicherung schließen. Das gelingt nicht in dem Umfang, der nötig wäre, um bestehende Versorgungslücken zu schließen. Unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp ergründet, warum die bAV hinter den Erwartungen des Gesetzgebers zurückgeblieben ist.

Wir erinnern uns an unseren ehemaligen – mittlerweile verstorbenen – Bundesminister für Arbeit und Soziales Norbert Blüm, der im Jahr 1986 auf 15.000 Plakaten verkündete: "Denn eins ist sicher: Die Rente." Ohne Zweifel ist das so, genauso zweifellos jedoch ist sicher, dass die meisten vor Schreck erstarren, sobald sie einen Blick auf die Höhe der voraussichtlichen Brutto-Rente in ihren Renteninformationen werfen.

Die erste Schicht bröckelt

Die gesetzliche Rente bildet schon länger nur noch eine sogenannte erste Schicht der Altersversorgung und jeder sollte sich zumindest in der zweiten Schicht der betrieblichen Altersversorgung (bAV) tummeln und/oder privat vorsorgen. Wenn die bAV nur nicht von Anfang an so intransparent und unattraktiv gewesen wäre ...  Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wollte der Gesetzgeber sie attraktiver machen – erinnern Sie sich? Es ist gerade mal drei Jahre her, der Erfolg blieb leider aus, lediglich durch den Pflichtzuschuss für den Arbeitgeber ab Januar 2022 bäumt sich das BRSG noch ein letztes Mal kurz auf. Doch aus welchem Grund war dem Gesetz kein Erfolg beschert?

Auf dem Weg in die Altersarmut

Bevor wir uns mit dieser Frage beschäftigen, widmen wir uns kurz der bröckelnden ersten Schicht der gesetzlichen Rente, diese wird - und das sollte klar und deutlich ausgesprochen werden - nicht ausreichen, um den Lebensstandard zu halten, der vor Renteneintritt mit dem Arbeitseinkommen finanziert wurde. Oder wussten Sie, dass für 18,36 Millionen Bezieher von Altersrente durchschnittlich eine Rentenzahlung für Männer in Höhe von 1.169 Euro in den alten und 1.264 Euro in den neuen Bundesländern, sowie für Frauen von 700 Euro in den alten und 1.033 Euro in den neuen Bundesländern erfolgt (Werte aus dem Jahr 2020)? Ist das nicht ziemlich ernüchternd? Damit ist die Altersarmut in vielen Fällen vorprogrammiert.

Deswegen ist es zwingend notwendig, neben dieser ersten Schicht weitere Schichten als Versorgungsleistungen im Alter aufzubauen. Möglichkeiten gäbe es: Häuser oder Wohnungen bauen oder kaufen. Nur ungünstig, dass das keiner mehr bezahlen kann. Kunstwerke sammeln? Goldbarren zurücklegen? Einfacher wäre eine betriebliche Altersversorgung über den Arbeitgeber. Richtig, sie bringt keine Rendite mehr, aber das erwirtschaften andere Kapitalanlagen ebenfalls schwerlich und irgendetwas muss man ja tun.

Trifft man nun die Entscheidung, Gehaltsbestandteile über den Arbeitgeber einzusparen, sieht man sich mit einem Urwald an Durchführungswegen der bAV konfrontiert – genauer gesagt mit fünf verschiedenen Durchführungswegen: Die Direktzusage, die Unterstützungskasse, die Direktversicherung, die Pensionskasse und schlussendlich der Pensionsfonds. Zu allem Überfluss sind diese fünf Durchführungswege in der Zeit der Beschäftigungsphase sowohl im Steuer- als auch im Sozialversicherungsrecht auch noch völlig unterschiedlich geregelt.

So kann beispielsweise eine Direktversicherung oder Pensionskasse entweder nach § 3 Nr. 63 EStG in Höhe von 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze Renten- und Arbeitslosenversicherung Rechtskreis West – aktuell 6.816 Euro p.a. - steuerfrei oder nach § 40b EStG in Höhe von maximal 1.752 Euro p.a. pauschal versteuert aufgebaut werden. Selbstverständlich hat die Sozialversicherung ihre eigenen Regelungen und folgt für nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei belassene Beträge nur mit vier Prozent - aktuell 3.408 Euro - und behandelt 40b-Verträge als Sonderlocke, denn schließlich sind lediglich Beträge aus regelmäßigen Einmalzahlungen oder arbeitgeberfinanzierte Beträge beitragsfrei, hingegen ist ein klassischer Gehaltsverzicht beitragspflichtig. Wie schön, dass der Pensionsfonds nur den § 3 Nr. 63 EStG kennt und dass Direktzusagen und Unterstützungskassen komplett steuerfrei aufgebaut werden können, aber in der Sozialversicherung für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ebenfalls nur vier Prozent frei belassen werden. Versteht das irgendjemand?

Undurchschaubarer Regelungsdschungel

Ist es nicht zum Haare raufen, dass wir hier in Deutschland nicht in der Lage sind, etwas unkompliziert zu gestalten? Reicht es nicht, dass eine heute abgeschlossene Direktversicherung keinen attraktiven Wertzuwachs mehr erfährt, sondern die Arbeitnehmenden und übrigens auch die Personalverantwortlichen selbst gänzlich überfordert sind, die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Detailregelungen zu verstehen? Von der Leistungsphase haben wir da noch gar nicht gesprochen, da gibt es Kohortenversteuerungen mit Ertragsanteilen oder Freibeträge, die nach dem jeweiligen Rentenbeginn angepasst werden. Oder den Frust, in der Sozialversicherung für Versorgungsbezüge den vollen – für Kenner "allgemeinen" – Beitragssatz nebst Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung sowie den vollen Beitragssatz in der Pflegeversicherung zahlen zu dürfen. Dass in der Krankenversicherung über das im Januar 2020 eingeführte Betriebsrentenfreibetragsgesetz ein kleiner Freibetrag für die Krankenversicherung eingeführt wurde, ist hierbei lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.

So kann es nicht bleiben

Wie eingangs versprochen, knöpfe ich mir abschließend noch einmal das BRSG vor – warum blieb der Erfolg bisher aus? Das Gute vorab: Der Pflichtzuschuss vom Arbeitgeber, sofern Arbeitnehmende Entgelt in eine bAV umwandeln (gilt nicht für Unterstützungskassen oder Direktzusagen) ist korrekt und es war ohnehin ein Entgegenkommen des Gesetzgebers, diesen Pflichtzuschuss für Bestandverträge (bis Dezember 2018) erst ab Januar 2022 umzusetzen. Zu kritisieren ist jedoch die Kopplung einer reinen Beitragszusage an einen bAV-Tarifvertrag, die endlich - längere Laufzeiten vorausgesetzt - wieder Möglichkeiten einer attraktiven Rendite schafft. Hat man sich hier die Frage gestellt, wie viele Unternehmen in Deutschland tarifgebunden sind, hat man sich überlegt wie Friseure, das Handwerk oder Steuerberater erreicht werden können? Die politische Antwort ist "Ja" über Möglichkeiten der Anlehnung an einen bereits existierenden bAV-Tarifvertrag, die Antwort aus der Praxis – und das wussten wir bereits vorher – ist "Nein", denn welcher freigeistige nicht tarifgebundene Geschäftsführer bindet sich freiwillig eine tarifliche Regelung ans Bein?

Das Gesetz ist gescheitert, was nun? Es muss etwas passieren. Eine Neuregelung sollte verpflichtend sein und eine vom Staat, Arbeitgeber und Arbeitnehmenden mischfinanzierte Variante vorsehen. Dringend müssen die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen vereinfacht werden, denn nur auf diesem Wege ist es möglich, die Menschen für die zweite Schicht zu gewinnen, die sie dringend benötigen werden, um nicht in der Altersarmut zu landen! Bleibt zu hoffen, dass die kommende Regierung sich diesem Thema mit ganzheitlichem Verstand widmen wird.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.