Interim Manager und das Risiko Scheinselbstständigkeit

Für Laien wie Profis hält die Entgeltabrechnung manch Erstaunliches oder Skurriles bereit. Robert Knemeyer, Personalberater und Interim-Manager, geht ausgefallenen und klassischen Themen nach. Heute: Eine praxisnahe Lösung zum Thema Scheinselbstständigkeit bei Interim Managern.

Das Thema "Scheinselbständigkeit" ist sowohl schwierig, als auch umfangreich. Zunächst lässt sich aktuell nicht leugnen: Es gibt Vertragsverhältnisse, die in jedem Fall als Scheinselbständigkeit zu bezeichnen sind. Einige Unternehmen haben oft und gerne Sozialabgaben gespart. Besonders bekannt sind in den Medien die vielen Fälle der Paketdienst-Fahrer geworden. Auf der anderen Seite haben sich auch ehemalige Angestellte gerne mal als Interim Manager ausgegeben, obwohl sie nicht in der Lage waren, eine eigene Buchhaltung ordnungsgemäß zu führen. Vielmehr sollte die Tätigkeit als Interim Manager lediglich dazu dienen, die Zeit bis zur nächsten Festanstellung zu überbrücken.

Scheinselbstständigkeit: Große Unsicherheit bei Unternehmen

In den vergangenen Jahren haben sich die Kriterien der (Schein-)Selbstständigkeit immer wieder geändert, sind neu gefasst und wieder verworfen worden. Dadurch ist zwischenzeitlich eine "Unsicherheitslage" entstanden. Nicht wenige Firmen sind verunsichert, weil sie mit der Gemengelage nicht mehr umgehen können - insbesondere, wenn bei einer Prüfung die Rentenversicherung festgestellt hat, dass eine Scheinselbständigkeit bestanden hat und entsprechende Nachzahlung zu leisten sind.

Beispiel Interim Manager: Klassische Vakanz-Überbrückung noch möglich?

Am Beispiel des Interim Managers zeigt sich: Je nach Zeitpunkt der Betrachtung der Kriterien könnte man daran zweifeln, ob eine klassische Vakanz-Überbrückung als Interim Manager überhaupt machbar ist. Wer könnte schon als Leiter der Buchhaltung oder des Marketings nicht entsprechend eingebunden oder integriert sein? Und grundsätzlich sollen ja für alle Funktionen immer beide Vertragsmodelle möglich sein.

Im Prinzip bedarf es einer einfachen und klaren Regelung, um diese Sachverhalt zu lösen. Für mich ist das abschließend ausschlaggebende Kriterium die finanzielle Abhängigkeit, die den Angestellten vom Unternehmer unterscheidet.

Selbstständigkeit: Kranken- und Rentenversicherung einkalkulieren

Aber: Um das Thema zu lösen, lohnt es sich vielleicht, sich dem Sachverhalt von einer anderen Seite her nähern. Es ist wohl unstrittig, dass jeder Interim Manager als Selbständiger sich krankenversichern und für die Rente vorsorgen muss. Dabei ist mindestens ein Beitrag in der Höhe anzusparen, der den Beiträgen in die gesetzliche Rente entspricht. Insoweit wird also jeder Interim Manager (wie auch jeder Unternehmer) einmal eine Kalkulation dazu aufgestellt haben. Einige haben vielleicht sogar verschiedene Sätze in der Preisliste – je nachdem, welche Anforderung gestellt wird.

In der Regel wird es dann so aussehen: Zunächst wird für die eigentliche Aufgabe oder Tätigkeit ein Preis festgelegt, auf diesen werden 40 Prozent aufgeschlagen – quasi als Umlage für Krankenversicherung und Rentenvorsorge. Dazu kommt dann gegebenenfalls noch eine Reisekostenpauschale. Diese ist aber eher als eine Art Kostenumlage oder Kostenerstattung und separat von der eigentlichen Vergütung zu betrachten.

Die Lösung: Interim Manager übernimmt Nachzahlung?

Somit muss also jeder Interim Manager einen monatlichen Beitrag zur Krankversicherung zahlen sowie mindestens einmal pro Jahr auch eine Rentenvorsorge zurücklegen. Hier hat sich allerdings in den vergangenen Jahren eine erhebliche Änderung ergeben: Während Selbstständige früher unbedingt aus der gesetzliche Rente wollten, da ein besserer Ertrag oder Zins bei einer alternativen Anlageart zu erwarten war, ist dies bei der aktuellen Zinslage nicht mehr der Fall. Es ist also kein Nachteil mehr, in der gesetzlichen Rente für die Altersvorsorge zu sparen.

Dies alles vorausgesetzt, müsste doch folgende Regelung eine einfache Lösung bieten und vor allem immer die hypothetische Gefahr einer Nachzahlung für Firmen bei der Prüfung beseitigen. Im Vertrag zwischen Unternehmen und Interim Manager wird vereinbart: Für den Fall, dass die Rentenversicherung nachträglich bei einer Prüfung eine Scheinselbständigkeit feststellt, wird der Betrag vom Interim Manager getragen beziehungsweise erstattet. Ich bin ganz sicher, dass man dies rechtsicher vertraglich vereinbaren werden kann.

Scheinselbstständigkeit: Risiko oder eine Frage der Ehre?

Was würde für diese Lösung sprechen:

  • Zunächst ist es eine grundsätzliche Frage, ob ein Interim Manager das unternehmerische Risiko trägt, dass mit der Selbstständigkeit einhergeht. Das ist also so etwas wie eine Frage der Ehre.
  • Daneben ist aber auch zu fragen: Welche Konsequenzen entstehen überhaupt, wenn die Rentenversicherung Scheinselbständigkeit feststellen würde? In der Krankenversicherung würde es zu keiner Nachzahlung kommen. Diese wird ja ohnehin gezahlt (ebenso dann die Pflegeversicherung). Es bedarf nämlich regelmäßig keiner doppelten Zahlung oder allenfalls maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Für die Rentenversicherung muss jedoch – ebenso wie für die Arbeitslosenversicherung nachgezahlt werden. Allerdings auch hier lediglich bis zur Beitragsbemessungsgrenze und nicht der volle Rechnungsbetrag.
  • Die Nachzahlung in der Rentenversicherung zu übernehmen ist schon deshalb sinnvoll, weil einem selbst ja dieser Betrag in der Rente auch zugutekommt.
  • Nur der Betrag in der Arbeitslosenversicherung ist quasi verloren. Aktuell ist der maximale Betrag pro Monat 190,50 Euro. Dieses Risiko dürfte überschaubar sein.

Wenn wir also feststellen, dass es nicht schlechter ist, in der gesetzlichen Rentenversicherung zu sparen, Rentenvorsorge notwendig und der Betrag bereits eingepreist ist, dann kann dieser Beitrag doch auch übernommen werden. In einem solchen Jahr könnte man dann einfach die Sparleistung in einem anderen Vertrag aussetzen.

Sonderfall Unternehmensgründer: Rentenversicherungs-Pauschale als Lösung

Kommen wir zuletzt noch mal auf das Kriterium der finanziellen Anhängigkeit zurück. Denn: Wie sollten man als Gründer damit umgehen, um nicht finanziell abhängig zu sein? Ein Fall also, indem vielleicht noch keine Rücklagen vorhanden sind, die den Gründer problemlos sechs Monaten überstehen lassen? Hier ist es früher – als die sogenannte „Ich AG“ gefördert wurde – so gewesen, dass in den ersten drei Jahren ein pauschaler Betrag in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt wurde. Nach den drei Jahren war dann klar, ob man Unternehmer ist oder nicht.

Vielleicht kann dies ja auch ein Ansatz für heute sein?


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