Bestandsschutz bei Minijobs

Im Zuge der Erhöhung des Mindestlohnes wird auch die Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobs angepasst. Für alle Midijobber, die aufgrund der Erhöhung nicht zum Minijobber werden wollen, hat unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp gute Nachrichten. Doch gute Nachrichten für die Mitarbeitenden sind nicht unbedingt auch immer gute Nachrichten für die Entgeltabrechnung.

Vor drei Jahren hat es die alleinerziehende Mutter geschafft und bei einem Arbeitgeber in Thüringen eine passende sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung gefunden. Aktuell erhält sie hierfür ein monatliches Entgelt von 510,00 Euro und liegt hiermit deutlich über der aktuellen Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 Euro. Sie wird derzeit als Midijobberin sozialversicherungspflichtig abgerechnet. Im September 2022 kam die Personalabteilung auf sie zu und teilte ihr mit, dass sie ab Oktober nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, da die Geringfügigkeitsgrenze ab 1. Oktober 2022 auf 520,00 Euro angehoben wird. Voller Schreck reagiert sie und fragt nach ihrer Krankenversicherung und entgegnet, dass sie gar keine Minijobberin sein will. Kann sie Midijobberin bleiben?

Entgeltgrenze für Minijobber orientiert sich heute und zukünftig am Mindestlohn

Überlegen wir also gemeinsam, was sich ab 1. Oktober in dem geringfügig entlohnten Verdienstbereich ändern wird und überprüfen, ob es für die alleinerziehende Mutter einen Bestandsschutz gibt.

Bekannt ist, dass die für geringfügig entlohnte Beschäftigungen maßgebende monatliche Arbeitsentgeltgrenze vom 1. Januar 2013 bis zum 30. September 2022 konstant 450,00 Euro betrug. Ab dem 1. Oktober 2022 entwickelt sich die Geringfügigkeitsgrenze dynamisch und orientiert sich an der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, der ab 1. Oktober 2022 12,00 Euro je Zeitstunde beträgt. Die monatliche Geringfügigkeitsgrenze beträgt folglich ab 1. Oktober 2022 520,00 Euro. 

Sie fragen sich, wie ich auf 520,00 Euro komme? Nun, das ist recht einfach – aktuell (bis zum 30. September 2022) entspricht die aktuelle Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 Euro bei 10 Stunden Wochenarbeitszeit circa dem aktuellen Mindestlohn von 10,45 Euro. Folglich erhöht sich die Geringfügigkeitsgrenze unter Berücksichtigung einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden automatisch, sobald der Mindestlohn ansteigt. 

Beispiel: Mindestlohn läge bei 13 Euro
Berechnung:

  • 13 Euro x 130 (10 Stunden für 13 Wochen) / 3 (Monate) = 563,33 Euro
  • Rundung auf volle Euro ergäbe eine neue Geringfügigkeitsgrenze von 564,00 Euro.

Bestandsschutz für Midijobber sichert Fortbestand des Versicherungsschutzes

Zurück zu unserer alleinerziehenden Mutter, die mit ihrem Arbeitsentgelt von 510,00 Euro über die alte, jedoch unter die neue Geringfügigkeitsgrenze fällt. Dieser Mitarbeiterin ist es sehr wichtig, weiterhin in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt zu sein, ein Minijob kommt für sie nicht in Frage. Zur Freude der Mitarbeiterin finden wir unter Punkt B 7.2 der Geringfügigkeits-Richtlinien vom 16. August 2022 die Lösung. Sie fällt als ein Übergangsfall vom 1. Oktober 2022 bis 31. Dezember 2023 unter einen sogenannten Bestandsschutz und der Fortbestand der Versicherungspflicht ist gesichert.
Das ist die gute Nachricht für die Mitarbeiterin, aber welche Konsequenzen hat dies für die Entgeltabrechnung? Und genau jetzt wird es wieder spannend und auch, wie soll es anders sein, ein wenig unübersichtlich.

Natürlich gebe ich wie immer mein Bestes und fasse kompakt zusammen:

  1. Die Dame wird in der Rentenversicherung zur Minijobberin, welches für Sie nur Vorteile hat, denn statt 9,3 Prozent Beiträge zahlt sie ab 1. Oktober nur noch 3,6 Prozent Beiträge, da der Arbeitgeber 15 Prozent Pauschalbeitrag für die Rentenversicherung übernimmt. Die Mitarbeiterin hat ab 1. Oktober die Möglichkeit, auf die Rentenversicherungspflicht zu verzichten.
  2. In der Kranken- und Pflegeversicherung tritt bis zum 31. Dezember 2023 Bestandsschutz ein und sie bleibt weiterhin versicherungspflichtig mit der Option sich befreien zu lassen – aber Achtung: Im Fall einer Familienversicherung gilt der Bestandsschutz nicht!
  3. In der Arbeitslosenversicherung tritt bis zum 31. Dezember 2023 Bestandsschutz ein und sie bleibt weiterhin versicherungspflichtig, mit der Option, sich befreien zu lassen.

Auswirkungen des Bestandsschutzes auf die Entgeltabrechnung

Aha – sagen Sie und schon gleich sehe ich ihre fragenden Gesichter – was bedeutet dies in der Lohnsteuer, welcher Personengruppenschlüssel ist der richtige und wohin soll ich was melden?

Beginnen wir mit dem Personengruppenschlüssel, da übernimmt nun die Rentenversicherung die Regie und es ist für unsere Mitarbeiterin ab 1. Oktober der Schlüssel 109 als Minijobberin einzugeben. Bezüglich der Meldungen ist das ganz einfach – sie melden einmal die Rentenversicherung an die Minijob-Zentrale mit dem Beitragsgruppenschlüssel 0100 oder bei Befreiung 0500. Für die Versicherungspflicht in der Kranken, Pflege- und Arbeitslosenversicherung melden Sie an die gesetzliche Krankenkasse mit dem Beitragsgruppenschlüssel 1011 und dem Personengruppenschlüssel 109. Habe ich einfach gesagt?

Nun zur Lohnsteuer: Da es sich nun grundsätzlich um einen Minijob handelt (sie erinnern sich - Personengruppenschlüssel 109) besteht nun die Möglichkeit, mit 2 Prozent pauschal oder über ElStAM individuell zu versteuern.

Welche Übergangsregelungen wir bei der nächsten Mindestlohnerhöhung haben werden, das bleibt spannend abzuwarten. Eines ist nun also sicher, die alleinerziehende Mutter wird zu einer "freiwillig" sozialversicherungspflichtigen Minijobberin – das stört sie? Sie empfinden dies als einen Widerspruch? Ich stimme Ihnen zu, aber wir müssen dies ja nur – Stand heute – bis zum 31. Dezember 2023 ertragen.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.