Baustelle: Fahrtkosten und erste Tätigkeitsstätte

Wird ein Mitarbeiter wiederholt befristet auf einer Baustelle eines Auftraggebers eingesetzt, begründet er dort auch dann keine erste Tätigkeitsstätte, wenn der Einsatz insgesamt ununterbrochen länger als vier Jahren andauert.

Werbungskostenabzug für Fahrtkosten 

Für Fahrten von Arbeitnehmern zu ihrer ersten Tätigkeitsstätte können nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern lediglich Werbungskosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale (0,30 Euro je Entfernungskilometer) berücksichtigt werden. Ein steuerfreier Arbeitgeberersatz ist ausgeschlossen. Erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dauerhaft zugeordnet ist. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn die Tätigkeit unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus ausgeübt werden soll (§ 9 Abs. 4 EStG).

Einsatz auf einer Baustelle 

In einem aktuellen Urteilsfall war der Kläger als angestellter Elektromonteur seit mindestens 2010 ununterbrochen auf der Baustelle eines Kunden eingesetzt (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25. März 2019, 1 K 447/16 E). Der Kunde hatte dabei jeweils befristete Aufträge von längstens 36 Monaten erteilt. Auf dieser Grundlage wurde auch der Kläger auf der Baustelle eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte den Kläger im Arbeitsvertrag keiner ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet. Für das Streitjahr 2014 behandelte dieser seine Aufwendungen deshalb nach den Reisekostengrundsätzen. Er machte Fahrtkosten zur Baustelle an 227 Tagen mit einem Kilometersatz von 0,30 Euro für die Hin- und Rückfahrt sowie Verpflegungsmehraufwendungen geltend. Das Finanzamt berück­sichtigte dagegen nur die Entfernungspauschale mit der Begründung, dass die Baustelle nach einem Einsatz von mehr als 48 Monaten zur ersten Tätigkeitsstätte geworden sei.

Keine erste Tätigkeitsstätte 

Das Finanzgericht teilte die Ansicht des Finanzamts nicht. Es gab der Klage vollumfänglich statt. Der Kläger habe im Streitjahr 2014 keine erste Tätigkeitsstätte gehabt. Daraus folgt, dass er Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen nach Reisekostengrundsätzen abziehen könne. Mangels arbeitsvertraglicher Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte durch die Arbeitgeberin sei maßgeblich, ob der Kläger der Baustelle für die Dauer des Dienstverhältnisses oder für mehr als 48 Monate zugewiesen worden sei. Hierfür sei nicht darauf abzustellen, dass der Kläger rückwirkend betrachtet mehr als 48 Monate auf der Baustelle tätig war. Vielmehr sei im Wege einer Prognosebetrachtung anhand objektiver Umstände zu prüfen, ob der Kläger davon ausgehen konnte, für einen so langen Zeitraum auf der Baustelle eingesetzt zu werden. Dies sei vorliegend aufgrund der stets befristeten Beauftragung durch den Auftraggeber nicht der Fall. Dementsprechend habe der Kläger insbesondere seine Wohnsituation nicht danach ausrichten können. Eine Revision zum Bundesfinanzhof hat das Finanzgericht nicht zugelassen.

Steuerfreie Arbeitgebererstattung wäre möglich gewesen 

Folgt man der Auffassung des Finanzgerichts wäre auch eine steuerfreie Arbeitgebererstattung der Aufwendungen möglich gewesen.

Ausblick zur Rechtsprechung 

Zur ersten Tätigkeitsstätte gibt es immer wieder viele Zweifelsfragen in der Praxis. Der Bundesfinanzhof hat noch für 2019 angekündigt, in mehreren Entscheidungen die Grundsätze zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte nach dem neuen Reisekostenrecht zu konkretisieren. So will er beispielsweise entscheiden, ob befristet entliehene Leiharbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte bei der betrieblichen Einrichtung des Entleihers haben (Revisionsverfahren VI R 6/17, vorhergehend Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 30. November 2016 , 9 K 130/16, EFG 2017 S. 202).