Wie Trittbrettfahren bei der Vertragsgestaltung hilft

Nach Öffnungsklauseln zu fahnden, kann sich auszahlen. Diese lassen auch außerhalb einer Tarifbindung Abweichungen vom Gesetz zu, erläutert Thomas Muschiol in seiner Kolumne "Arbeitsrecht".

Liebe Personalexperten, die Freiheit der Vertragsgestaltung ist im Arbeitsrecht bekanntlich stark eingeschränkt. Dies deswegen, weil in den überwiegenden Fällen Vereinbarungen, die von Gesetzen oder Tarifverträgen zuungunsten des Arbeitnehmers abweichen, unwirksam sind. Die Folge: Auch wenn es bei einer Vertragsunterzeichnung noch so einvernehmlich und harmonisch vonstattengeht, kann der Arbeitnehmer aufgrund von unabdingbaren Vorschriften legal von seiner Unterschrift wieder Abstand nehmen.

Vertragstipp eins: Sie sollten zunächst bei Ihrer Arbeitsvertragsgestaltung auf das „weiche“ Recht achten. Es gibt auch Gesetze, die von vornherein eine einvernehmliche abweichende einzelvertragliche Gestaltung zulassen. Ein Beispiel dafür ist der § 616 BGB, in dem die Pflicht zur Freistellung aus persönlichen Gründen geregelt ist. Hier ist sich die Fachwelt einig: Die Anlässe, bei denen Freistellung gewährt werden soll, können vertraglich nicht nur auf einen bestimmten Katalog beschränkt werden. Vielmehr kann der Freistellungsparagraf sogar auf Null reduziert, also komplett abbedungen werden.

Vertragstipp zwei: Größeren Spielraum für Abweichungen von gesetzlichen Mindeststandards gibt der Gesetzgeber den Tarifvertragspartnern. Das Zauberwort heißt Öffnungsklausel. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, starre gesetzliche Mindestnormen durch flexible, branchenspezifische Tarifregelungen zu ersetzen. Insbesondere im Arbeitszeitrecht spielen diese Spezialnormen eine wesentliche Rolle und ermöglichen somit eine erhebliche Flexibilität gegenüber den Regelungen des allgemeinen Arbeitszeitgesetzes.

Vertragstipp drei: Was aber ist, wenn Sie sich gegen eine Tarifbindung entschieden haben oder überlegen, aus der Tarifbindung auszusteigen? Müssen Sie jetzt neidisch auf die Kollegen blicken, die sich für eine Tarifanbindung entschieden haben, und auf flexible, tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten verzichten? Keineswegs. Denn die tariflichen Öffnungsklauseln bieten in den überwiegenden Fällen noch mehr Spielraum und legen ausdrücklich fest, dass auch Arbeitgeber, die nicht tarifgebunden sind, die tarifliche Ausnahme zum Gegenstand einer einzelvertraglichen Abrede machen können. Nicht Voraussetzung ist dabei, dass auf den gesamten Tarifvertrag Bezug genommen wird.

Vertragstipp vier: Der Gesetzgeber geht bei vielen Öffnungsklauseln sogar noch einen Schritt weiter. Er überlässt es den Tarifpartnern, Gestaltungsmöglichkeiten auf die Ebene der Betriebsverfassung herunter zu delegieren, und ermöglicht es somit, betriebsspezifische Abweichungen vom Gesetz durch Verhandlungen mit dem Betriebsrat wirksam zu vereinbaren. Bei den einschlägigen Öffnungsklauseln ist hier nicht nur sichergestellt, dass diese Möglichkeit auch für nicht tarifgebundene Unternehmen besteht, gedacht wird auch an den Fall, dass kein Betriebsrat besteht. Wie das funktionieren soll? Lesen Sie dazu einfach mal als Übung den § 7 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes.

Rechtsanwalt Thomas Muschiol (Leiter Ressort Recht "Personalmagazin")
Schlagworte zum Thema:  Öffnungsklausel, Arbeitsrecht