Mutterschutz und Elterzeit für Vorstandsfrauen

Die Initiative #stayonboard setzt sich dafür ein, Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften eine unbezahlte Mandatspause zu ermöglichen bei Geburt eines Kindes, längerer Krankheit oder Pflegefällen in der Familie. Denn die Rechtslage bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einerseits und Vorstandsmitgliedern andererseits unterscheidet sich in wichtigen arbeitsrechtlichen Themen.

Der Fall von Delia Lachance, die Vorstandsmitglied des E-Commerce-Unternehmens Westwing war und Anfang März 2020 ihr Amt als Vorstandsmitglied niederlegen musste, weil sie in Mutterschutz ging, hat für Aufsehen gesorgt. Dies führte zur Gründung der Initiative www.stayonboard.org. Die Initiative mit prominenten Unterstützern wie Dieter Zetsche und Ann-Kristin Achleitner setzt sich für eine Gesetzesänderung ein, die eine Mandatspause ermöglicht. Gerade das Bemühen, mehr Frauen in Vorstandspositionen zu bringen, setzt auch voraus, dass dies beispielsweise nicht an der Unvereinbarkeit von Familie und der Wahrnehmung einer solchen Aufgabe scheitert.  

Haftung und Lohnfortzahlung bei Ausfall aufgrund längerer Krankheit

Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber erhalten im Regelfall vom Unternehmen sechs Wochen ihr Gehalt weitergezahlt. Danach erhalten sie von der gesetzlichen Krankenkasse das sogenannte Krankengeld für maximal 18 Monate. Das Krankengeld beträgt maximal 90 Prozent des letzten Nettogehalts. Während der Dauer ihrer Krankheit sind Arbeitnehmende nicht für die Arbeitsergebnisse ihrer Vertretungen oder Kollegen verantwortlich.

Vorstandsmitglieder erhalten keinerlei gesetzliche Entgeltfortzahlung, wenn sie krank sind. Meistens enthält aber der Dienstvertrag eine Vereinbarung, wonach das Gehalt für eine bestimmte Zeit bei Krankheit fortgezahlt wird. Generell sind die Gehälter von Vorständen und Aufsichtsräten natürlich höher als die von normalen Angestellten. Insofern ist das Problem hier nicht die fehlende Lohnfortzahlung – daran will die Initiative auch nichts verändern. Problematischer ist die Haftung, denn die bleibt – anders als bei Arbeitnehmern – bestehen. Dazu unten mehr.

Kein Beschäftigungsverbot für Vorstandsfrauen bei Mutterschaft

Bei Arbeitnehmerinnen (und Fremdgeschäftsführerinnen) gibt es sechs Wochen vor der Geburt und acht Wochen danach ein Beschäftigungsverbot. Bei Risiken wird schon früher ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Während dieser Beschäftigungsverbote wird das Gehalt größtenteils vom Arbeitgeber fortgezahlt, finanziert durch eine Umlage, die von allen Arbeitgebern finanziert ist. Danach schließt sich typischerweise die Elternzeit an.

Schwangere Vorstandsmitglieder unterliegen keinem Beschäftigungsverbot vor oder nach der Geburt. Auch die Verantwortung bleibt fortbestehen.

Vaterschaftsurlaub: gleiche Rechtslage für Arbeitnehmer und Vorstände

Einen ausdrücklichen Vaterschaftsurlaub für Arbeitnehmer gibt es im deutschen Recht nicht. Viele Tarifverträge und einige Arbeitsverträge sehen hier eine bezahlte Pause von einigen Tagen vor. Es gilt § 616 BGB, sofern er nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Nach dieser Norm ist das Gehalt für einige Tage fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet der Arbeit fernbleibt. Ansonsten wird dies in der Praxis durch eine freiwillige bezahlte Freistellung und/oder durch Einbringen von Urlaubstagen gelöst.

Für Vorstandsmitglieder gilt eine ähnliche Situation. Auch für sie gilt § 616 BGB, auch hier findet sich meistens eine pragmatische Lösung aus einigen freien Tagen und einigen Urlaubstagen, aber einen Anspruch gibt es nicht.

Vorstände: kein Anspruch auf Elternzeit mit Rückkehrrecht

Bei Arbeitnehmenden besteht für Mütter wie Väter im Grundsatz einen Anspruch auf drei Jahre Elternzeit (geschütztes, aber unbezahltes Fernbleiben vom Arbeitsplatz mit Anspruch auf Rückkehr). Zudem gibt es zwölf Monate Elterngeld von der Arbeitsagentur für das eine Elternteil und zwei weitere Monate, falls das andere Elternteil auch Elternzeit nimmt.

Für Vorstandsmitglieder gibt es keine Elternzeit als Möglichkeit des befristeten Fernbleibens mit Rückkehrrecht. Wer raus ist, ist erst einmal raus. Eine freiwillige Zusage des Aufsichtsrats, dass das Vorstandsmitglied nach mehreren Monaten zurückkommen kann, ist juristisch unwirksam und unverbindlich – der Aufsichtsrat darf in seinem Ermessen bei der Ernennung des Vorstands nicht gebunden sein. Wenn ein Vater zum Beispiel durch Einbringen von Urlaub eine Art Elternzeit machen wollte, würde die Verantwortung und damit das Haftungsrisiko (dazu unten) fortbestehen. Eine echte Pause wäre das also nicht.

Pflegezeit gilt nicht für Vorstände

Beschäftigte können seit dem Jahr 2015 in Unternehmen mit mehr als 15 bzw. 25 Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen bezahlte Pflegezeit für bis zu zehn Tagen in Anspruch nehmen oder unbezahlte Pflegezeit für bis zu sechs Monate bzw. unbezahlte Familienpflegezeit bis zu 24 Monate.

Für Vorstandsmitglieder gilt bei einem Pflegefall in der Familie wie beim Vaterschaftsurlaub nur § 616 BGB, der die Fortzahlung der Vergütung für einige Tage bei kurzfristiger, unverschuldeter Abwesenheit regelt.

Verantwortung und Haftung bei Vorstandsmitgliedern

In diesem Beitrag wurde bereits einige Male die Frage angesprochen, inwieweit die Verantwortung während einer Abwesenheit fortbesteht. Bei Arbeitnehmenden gilt insgesamt ein sehr begrenzter Haftungsmaßstab (nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit). Und bei Abwesenheit haften sie gar nicht, da sie keine Überwachungspflicht aus einer Gesamtverantwortung trifft.

Bei Vorstandsmitgliedern hingegen hat sich in den letzten zehn bis 20 Jahren die Zahl der sogenannten Organhaftungsprozesse deutlich erhöht. Ein Grund hierfür ist sicher, dass diese Organe heute in aller Regel durch eine sogenannte "Directors and Officers (D&O) Versicherung" abgesichert sind. Wo eine Versicherung im Hintergrund ist, liegt es näher, Ansprüche durchzusetzen. Ein weiterer Grund ist aber, dass sich auch insgesamt das Umfeld geändert hat: Geschädigte Aktionäre, Gesellschaften oder externe Gläubiger lassen einen Schaden heute nicht mehr auf sich beruhen, wie die Reaktionen auf den Diesel-Skandal oder aktuell bei Wirecard zeigen.

Der Vorstand als Organ der Gesellschaft ist in seiner Gesamtheit immer verantwortlich, jedes Mitglied für sein eigenes Handeln, aber auch für die Überwachung der anderen Organe. Führt der dafür zuständige Vorstandskollege kein Compliance-System ein, so kann dies im Schadensfall auch anderen Mitgliedern zum Vorwurf und diese können vor Gericht haftbar gemacht werden. Diese andauernde Überwachungspflicht besteht nach jetzigem Recht fort bei Krankheit, Mutterschaft, Elternschaft und Pflegefällen.

Initiative #stayonbaord: Mandatspausen für Vorstände gefordert

Die Initiative #stayonbaord will diese Situation ändern. Dabei geht es nicht darum, Arbeitnehmerrechte für Vorstandsmitglieder zu erreichen. Die Initiative setzt sich ein für eine unbezahlte Pause, während der auch die Haftung aus der Gesamtverantwortung des Vorstands ruht.


Zur Autorin: Dr. Jessica Jacobi ist Partnerin und Mit-Gründerin des Berliner Büros von Kliemt Arbeitsrecht. Sie berät und vertritt Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des Dienst- und Arbeitsrechts und hat die Initiative #stayonboard mit ins Leben gerufen.


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Schlagworte zum Thema:  Mutterschutz, Elternzeit, Vorstand