Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Mittelstand und Startup

Am 1. Januar 2024 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft getreten, welches Änderungen im Gesellschaftsrecht, dem Kapitalmarktrecht und dem Steuerrecht mit sich bringt. Das hat Auswirkungen auf die Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die in Zeiten des Fachkräftemangels - sowohl für Startups als auch für etablierte Unternehmen - eine interessante Möglichkeit ist, um als Arbeit­geber dauerhaft attraktiv zu sein.

Laut einer aktuellen Umfrage von Linkedin und Yougov planen drei Viertel der deutschen Unternehmen die Kürzung von Mitarbeiterbenefits aufgrund der anhaltenden Krisen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft. Mit Blick auf den zukünftigen Erfolg des Unternehmens scheint diese Entwicklung jedoch kurzsichtig. Denn gerade die Suche und Bindung von qualifizierten Mitarbeitenden stellt die Mehrheit der deutschen Unternehmen vor große Herausforderungen. Insbesondere der Fachkräftemangel bremst die Entwicklung von Startups, und auch die übrigen Wirtschaftsbereiche spüren den Mangel an fähigen Mitarbeitenden. Sie müssen Vorteile bieten, um sich von der Konkurrenz abzuheben, um Talente und erfahrene Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden.

Ein Mittel, um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern, sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. International sind diese Programme inzwischen Standard und auch in Deutschland sind sie für Startups, Mittelstand und Dax-Unternehmen ein Muss. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt und im Zuge dessen das Zukunftsfinanzierungsgesetz erlassen. Damit soll den genannten Unternehmensgruppen der Aufbau von Eigenkapital und der Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht werden.

Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten und Arten der Beteiligung sowie deren Vor- und Nachteile.

Mitarbeiterbeteiligung: Worum geht es?

Unter Mitarbeiterbeteiligung versteht man überwiegend die materielle Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg und -wachstum. Die unterschiedlichen Ausgestaltungen haben dabei meistens zum Ziel, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am zukünftigen marktwirtschaftlichen Wertzuwachs oder am Gewinn des Unternehmens teilhaben zu lassen. Der Hintergedanke der Beteiligung ist es, eine gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit/-motivation oder einen Anreiz zum Verbleib im Unternehmen zu erzeugen. Ein Beteiligungsprogramm soll sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite Vorteile schaffen. 

Im Startup-Bereich kann eine zusätzliche Beteiligung der Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, ein attraktives Gehaltspaket vorzulegen. Denn häufig fehlt dem Startup zu Beginn das notwendige Kapital, um ein marktfähiges Grundgehalt zu zahlen. Darüber hinaus motiviert die materielle Beteiligung dazu, direkt von der eigenen Arbeitsleistung zu profitieren. Der Anreiz besteht insbesondere im Startup-Bereich, wo die Leistung des einzelnen Mitarbeiters den Unternehmenserfolg regelmäßig stärker beeinflusst als in großen Konzernen.

Mitarbeiterbetei­ligungsprogramme sind für Startups, Mittelstand und Dax-Unternehmen ein Muss." – Paula Wernecke


Dabei sind verschiedene Varianten von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen zu unterscheiden. Grob können reale und virtuelle Beteiligungsprogramme abgegrenzt werden. Die realen Beteiligungsprogramme ermöglichen den Mitarbeitenden eine echte Beteiligung am Unternehmen und dessen Erfolg, insbesondere erfolgt dies etwa in Form von Aktien oder Aktienoptionen (zum Beispiel ESOP), die virtuellen Beteiligungsprogramme ermöglichen dagegen eine lediglich indirekte Beteiligung durch virtuelle (unechte) Unternehmensanteile (zum Beispiel VSOP).

Im Rahmen der realen Beteiligungsprogramme kann daneben zwischen Erfolgsbeteiligung und "echten" Kapitalbeteiligung unterschieden werden. Bei der Erfolgsbeteiligung sind Mitarbeitende rechtlich gesehen nicht am Unternehmen beteiligt, erhalten jedoch eine Zusatzleistung, die an den Unternehmenserfolg geknüpft ist. Hingegen liegt bei der Kapitalbeteiligung auch eine rechtliche Beteiligung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin am Unternehmen vor. 

Reale Mitarbeiterbeteiligung

Die klassische Form der Mitarbeiterbeteiligung ist die direkte Beteiligung. Hierbei wird der Mitarbeiter unmittelbar am Unternehmen beteiligt, ihm wird die Möglichkeit einer Gesellschafterstellung eingeräumt. Vergleichsweise einfach ist die Ausgestaltung bei börsennotierten Aktiengesellschaften (AG). Der Mitarbeiter erhält dabei entweder die Option, (regelmäßig vergünstigte) Aktien der AG zu erwerben oder er hält die Aktien unmittelbar. Die Ausgestaltungsvarianten sind vielfältig. Häufig wird eine solche Beteiligung durch einen Employee Stock Option Plan (ESOP) ausgestaltet (Aktienoptionsplan). Der Plan legt die Modalitäten fest, unter denen die Mitarbeitenden die Aktienoption erhalten und wann diese zum fixierten Wert ausgeübt werden können. Es handelt sich um ein langfristiges Beteiligungsprogramm, in welchem der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin über die Zeit hinweg immer wieder die Möglichkeit zum Erwerb weiterer Anteile bekommt und damit an das Unternehmen gebunden wird. Die genauen Ausgestaltungen sind vielfältig und einzelfallabhängig. 

Darüber hinaus existiert die Möglichkeit, sogenannte restricted stocks (restricted stock award = RSA, restricted stock unit = RSU), eingeschränkte Aktien, als Beteiligungsform an Mitarbeitende auszugeben. Die zuvor beschriebene Aktienoption verschafft dem Mitarbeiter das Recht, eine Aktie ab einem späteren Zeitpunkt zu einem bestimmten festgesetzten Wert zu erwerben. Diese Option kann, aber muss der Mitarbeiter nicht ausüben. Bei restricted stocks ist dies anders, hier werden Aktien spätestens am Ende des Programms automatisch ohne weitere Handlung des Mitarbeiters zugeteilt. Im Rahmen eines RSA-Programms erhält der Mitarbeiter üblicherweise von Beginn an eingeschränkte Aktien des Unternehmens. Die ausgegebene Aktie ist regelmäßig an die Bedingung geknüpft, dass sie erst ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder verkauft werden kann. Die Gewährung von RSU hingegen stellt eine hybride Form zwischen RSA und Aktienoption dar. Es handelt sich um einen Anspruch auf die Übertragung von Aktien zu einem späteren Zeitpunkt, sofern die im Programm festgelegten Bedingungen erfüllt werden. Anders als bei der Aktienoption muss der Mitarbeiter die Aktie damit nicht erwerben. Vielmehr wird am Anfang des Programms ein festgesetzter Auszahlungsbetrag (zum Beispiel eine Sonderzahlung oder aber ein Teil des Gehalts) in eine Anzahl von RSUs umgerechnet, welche dann an der Kursentwicklung des Unternehmens bis zum Auszahlungszeitpunkt teilnehmen. Die schlussendliche Zuteilung der Aktie erfolgt dann regelmäßig unentgeltlich. 

Eine direkte Beteiligung ist zwar auch bei anderen Gesellschaftsformen (etwa bei einer GmbH oder einer UG) denkbar, jedoch schwieriger umzusetzen. Diese Beteiligung würde eine Aufnahme in den Gesellschafterkreis erfordern, was aufgrund der Beteiligungsrechte schlichtweg nicht praktikabel ist, beziehungsweise sich nur für einen äußerst geringen Teil der Arbeitnehmer (besondere Führungskräfte) anbieten würde. Daher ist die direkte Mitarbeiterbeteiligung regelmäßig nur für Aktiengesellschaften umsetzbar.

Die direkte Beteiligung ist für Mitarbeitende besonders plastisch und bietet daher einen hohen Anreiz zum Verbleib im Unternehmen oder zur Entscheidung für das Unternehmen. Auf der anderen Seite sollte den Mitarbeitern der spekulative Charakter dieser Beteiligung bewusst sein, der ein gewisses Risiko mit sich bringt. Darüber hinaus bestehen insbesondere im Vergleich zu der später angesprochenen virtuellen Beteiligung steuerliche Nachteile.

Stille Beteiligung der Mitarbeitenden

Es ist möglich, Mitarbeitende über eine sogenannte stille Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen. Der stille Gesellschafter (der Mitarbeiter) ist typischerweise direkt am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, wobei die Beteiligung am Verlust ausgeschlossen werden kann. Ein direktes Mitspracherecht im Rahmen der Geschäftsführung hat der stille Gesellschafter anders als ein echter Gesellschafter dagegen nicht. Auf der anderen Seite wird der Mitarbeiter aber dennoch Gesellschafter des Unternehmens und ihm stehen Informations- und Kontrollrechte zu.

Bei der stillen Beteiligung nimmt der Mitarbeiter nur am Gewinn/Verlust des Unternehmens teil und nicht an dessen Wertsteigerung. Er partizipiert daher nicht an einem späteren Unternehmensverkauf. Das macht diese Form der Beteiligung ausschließlich dann attraktiv, wenn das Unternehmen sicher und verlässlich schwarze Zahlen schreibt bzw. stabile und ausreichend hohe Gewinne erwirtschaftet. Für Startups ist diese Beteiligungsform damit regelmäßig unattraktiv. Auch für etablierte Unternehmen muss berücksichtigt werden, dass eine solche Beteiligung den tatsächlichen und nutzbaren Gewinn des Unternehmens regelmäßig reduziert. 

Indirekte echte Beteiligung durch Beteiligungsgesellschaft

Eine Konstruktion zur Reduktion der Beteiligungsrechte der Mitarbeitenden stellt die Errichtung einer Beteiligungsgesellschaft dar. Nach Errichtung einer solchen Gesellschaft wird diese als Gesellschafter am Unternehmen (etwa als Gesellschafter einer GmbH) beteiligt. Die Mitarbeitenden des Unternehmens wiederum werden lediglich an der Beteiligungsgesellschaft beteiligt. Hierdurch können die Mitspracherechte der Mitarbeitenden am eigentlichen Unternehmen erheblich reduziert werden. Die Gesellschafter im Unternehmen erhalten nur einen neuen Gesellschafter (die Beteiligungsgesellschaft). Für die Gesellschafter des Unternehmens ist es darüber hinaus einfacher zu steuern, wie viele Anteile bei ihnen verbleiben sollen und wie viele sie an die Beteiligungsgesellschaft und damit an die Mitarbeitenden abgeben möchten. Auch der Verwaltungsaufwand wird insofern reduziert, als dass die Verwaltung der unterschiedlichen Anteile auf Ebene der Beteiligungsgesellschaft erfolgt. 

Doch die Errichtung einer solchen Gesellschaft sowie die Unterhaltung und Führung dieser ist zeitaufwendig und verursacht Kosten. Regelmäßig ist die Beteiligungsgesellschaft als stille Gesellschaft am Unternehmen beteiligt, sodass sich hier die gleichen Nachteile ergeben. Damit bleibt die Beteiligung etwa an einer GmbH auch über eine Beteiligungsgesellschaft häufig eher unpraktikabel.

Gewinnbeteiligung als Sonderzahlung

Die einfachste Form einer Mitarbeiterbeteiligung ist die Vereinbarung einer Sonderzahlung etwa zum Jahresende, welche sich am Jahresgewinn des Unternehmens bemisst. Bei allen Erfolgsbeteiligungen stellt sich jedoch das grundsätzliche Problem, dass der Mitarbeiter nicht am Unternehmenswert beteiligt wird und damit nicht an dessen Wertsteigerung teilnimmt. Eine solche Beteiligung ist damit für den Mitarbeiter risikoarm, aber hat im Vergleich zu anderen Formen (Formen der Kapitalbeteiligung) eine geringere Bindungswirkung und Anreizwirkung.

Mitarbeiterguthaben

Eine besondere Form der Mitarbeiterbeteiligung stellt das Mitarbeiterguthaben dar. Die erfolgsbezogene Beteiligung des Mitarbeiters (etwa eine Gewinnbeteiligung als Sonderzahlung) wird hierbei nicht wie in anderen Formen direkt ausgeschüttet, sondern auf ein firmeninternes Konto eingezahlt, auf welchem das Guthaben fest oder erfolgsabhängig verzinst wird. Der Vorteil für das Unternehmen besteht darin, dass die Beteiligung zunächst nichts kostet und das Geld unmittelbar im Unternehmen verbleibt. Ebenso muss der Mitarbeiter zunächst keine Einnahmen versteuern, da ihm kein Wert zufließt. Problematisch ist jedoch, dass Mitarbeiterguthaben nicht insolvenzfest sind. Sie sind damit im Falle der Insolvenz des Unternehmens Teil der Vermögensmasse.

Mitarbeiterdarlehen

Als risikoarme Beteiligungsform kann das Mitarbeiterdarlehen angesehen werden. Hierbei gewährt der Mitarbeiter dem Unternehmen ein Darlehen aus seinem eigenen Vermögen, auf welches das Unternehmen wie bei jedem anderen Darlehensvertrag Zinsen zahlt. Auch das Mitarbeiterdarlehen ist damit eine eher atypische Beteiligungsform. Der Mitarbeiter wird nicht am direkten Erfolg des Unternehmens beteiligt, er erhält lediglich die vereinbarten Zinsen. Die mit einer Mitarbeiterbeteiligung regelmäßig verfolgten Ziele können so jedoch nur abgeschwächt umgesetzt werden. Es entsteht weder eine starke Bindungswirkung noch ein starker Anreiz zum Eintritt in das Unternehmen. Ein gewisser Anreiz kann dadurch erzeugt werden, dass die Verzinsung des Darlehens erfolgsabhängig erfolgt. Auf der anderen Seite sind die Darlehensverträge regelmäßig kurzfristig ausgestaltet und auch das Risiko eines Verlustes ist für den Mitarbeiter deutlich reduziert. Deshalb eignen sich solche Darlehen je nach Situation als Ergänzung zu risikobehafteten Formen, wie etwa einer direkten Aktienbeteiligung. Insbesondere junge Mitarbeitende – gerade im Startup-Bereich relevant – dürften jedoch nicht über genug Kapital verfügen, um dieses als Darlehen bereitzustellen.

Virtuelle Beteiligung

Die virtuelle Beteiligung nimmt zwar die reale direkte Beteiligung der Mitarbeitenden als Vorbild, unterscheidet sich jedoch elementar von realen direkten Beteiligungsprogrammen. Im Gegensatz zur Ausgabe von Aktien oder deren Optionen, erhalten die Mitarbeitenden die Möglichkeit, an virtuell gebildeten Anteilen des Unternehmens zu partizipieren. Die Mitarbeitenden werden nie Gesellschafter des Unternehmens.

Bei virtuellen Beteiligungsprogrammen handelt es sich um schuldrechtliche Verträge zwischen dem Arbeitgeber und den Mitarbeitenden, in welchen die Parteien die Bedingungen des Programms festlegen. Das Beteiligungsprogramm entfaltet damit keinerlei gesellschaftsrechtliche Wirkung. Im schuldrechtlichen Vertrag wird unter anderem geregelt, wann der Mitarbeiter virtuelle Anteile erhält, wie die Wertentwicklung der Anteile berechnet wird, was geschieht, wenn der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet und wann der Mitarbeiter seine virtuellen Anteile ausgezahlt bekommt. Auch diese Programme (VSOP) sind wie der oben angesprochene ESOP langfristig ausgestaltet und binden den Mitarbeiter damit über einen gewissen Zeitraum an das Unternehmen. Am Ende des Programms steht ein zivilrechtlicher Zahlungsanspruch des Mitarbeiters.

Bei der Ausgestaltung des Programms besteht ein weiter Gestaltungsspielraum, der es Arbeitgebern ermöglicht, das virtuelle Programm an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Da es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag handelt, ist ein solches Programm im Vergleich zu anderen Beteiligungsformen relativ einfach umzusetzen. Es kann jederzeit eingeführt werden und bedarf keiner direkten finanziellen Mittel seitens des Unternehmens.

Größter Vorteil der virtuellen Beteiligung für den Mitarbeiter ist die Vermeidung der Dry-Income-Problematik. Von Dry-Income spricht man, wenn der Mitarbeiter Leistungen versteuern muss, ohne dass ihm ein liquider Gegenwert zur Verrechnung zur Verfügung steht. Bei der (vergünstigten) Übertragung von Aktien an den Mitarbeiter (etwa im Rahmen eines ESOP), sind diese im Moment der Übertragung zu versteuern. Der Mitarbeiter ist gezwungen, die Steuern aus seinem eigenen Barvermögen zu zahlen. Er kann diese nicht von der erhaltenen Aktie begleichen, ohne die Aktie verkaufen zu müssen. Zum großen Problem für Arbeitnehmer wird der Dry-Income dann, wenn das Unternehmen im Zeitpunkt der Aktienübertragung hoch bewertet ist und damit hohe Steuern für den Erhalt der Aktien anfallen. Sollte das Unternehmen im Anschluss enorm an Wert verlieren, besteht ein erhebliches Missverhältnis zwischen gezahlten Steuern und erzieltem Erlös bei Verkauf der Aktie. Im Worst-Case-Szenario sind die gezahlten Steuern höher als der Erlös und der Arbeitnehmer macht Verlust. Hingegen wird im Rahmen eines virtuellen Beteiligungsprogramms eine Versteuerung erst ganz zum Schluss im Zeitpunkt der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs relevant. Die Dry-Income-Problematik ist ausgeschlossen.

Ebenso umgeht die virtuelle Beteiligung die beim ESOP bestehende doppelte Besteuerung der Beteiligung. Neben der Dry-Income-Besteuerung müssen Arbeitnehmer beim ESOP in der Zukunft nochmals Kapitalertragssteuer beim Verkauf der Aktien zahlen. Auch dieses Problem entfällt bei einer virtuellen Beteiligung. Insbesondere den Mitarbeitenden muss jedoch auch hier der spekulative Charakter einer solchen Beteiligungsoption bewusst sein. Je nach Ausgestaltung des Programms handelt es sich im Endeffekt um eine Art Wette auf den Unternehmenserfolg.

Anpassungen durch den Gesetzgeber: das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Die Bundesregierung hat den Anpassungsbedarf bei den gesetzlichen Regelungen für die direkte Mitarbeiterbeteiligung in der Zwischenzeit erkannt. Sie sieht die Notwendigkeit der Vereinfachung der Mitarbeiterbeteiligung, um den Wirtschaftsstandort Deutschland insbesondere für Startups attraktiv zu gestalten. Zu diesem Zweck wurde das zum 1. Januar 2024 in Kraft getretene Zukunftsfinanzierungsgesetz erlassen.

Begrüßenswert ist die Entschärfung der Dry-Income-Problematik, indem durch die Gesetzesänderung künftig auf Beteiligungen erst spätestens nach 15 Jahren - statt spätestens nach zwölf Jahren - Steuern fällig werden sollen (Änderung des § 19a Abs. 4 Einkommenssteuergesetz EStG). Diese Verlängerung des Besteuerungszeitpunktes soll auch für vor dem 1. Januar 2024 übertragene Vermögensbeteiligungen gelten. Darüber hinaus soll für die Besteuerung im Falle des Rückerwerbs der Anteile durch den Arbeitgeber, einen Gesellschafter des Arbeitgebers oder ein Unternehmen gemäß § 18 AktG die tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlte Vergütung und nicht der Verkehrswert maßgeblich sein. Zudem findet künftig keine Besteuerung mehr statt, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt (Änderung des § 19a Abs.4a EstG).

Der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen wurde mit der Gesetzesänderung von derzeit 1.440 Euro auf 2.000 Euro erhöht und der Anwendungsbereich der Arbeitnehmer-Sparzulage vergrößert.

Auch außerhalb des Steuerrechts wurden Änderungen vorgenommen: Das Gesetz erleichtert Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen Börsenzulassungsanforderungen und die Zulassungsfolgepflichten, indem zum Beispiel das Mindestkapital für den Börsengang von derzeit 1,25 Millionen Euro auf 1 Million Euro gesenkt wurde. Kapitalerhöhungen werden durch die Anhebung der Grenze des vereinfachten Bezugsrechtsauschlusses im Aktienrecht und die Erhöhung der Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmenden und Mitgliedern der Geschäftsführung ausgeweitet.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz enthält somit bereits einige praktikable Erleichterungen und verbesserte Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung, insbesondere in steuerrechtlicher Hinsicht. Kann die Dry-Income-Problematik im Einzelfall nicht mit einer rechtssicheren Vereinbarung der Haftungsübernahme des Arbeitgebers für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer überwunden werden, bleibt es letztlich dabei, dass Unternehmen auf die virtuelle Mitarbeiterbeteiligung ausweichen sollten.

Immaterielle Beteiligung

Oftmals nicht vom Begriff der Mitarbeiterbeteiligung umfasst, ist es möglich, Mitarbeitende enger in die Unternehmensentscheidungen einzubinden, ohne ihnen einen materiellen Vorteil zu bieten. Durch die Übertragung zusätzlicher Mitbestimmungs- oder Informationsrechte kann die Identifikation mit dem eigenen Arbeitgeber gestärkt werden. Hierfür können beispielweise neue Beteiligungsorgane etabliert werden oder die vorhandenen Organe mit zusätzlichen Rechten ausgestattet werden. Hier sollte eine genaue Abwägung erfolgen. Eine leichtfertige Übertragung kann in der Zukunft zu unangenehmen Folgen führen und die Entscheidungsfähigkeit des Unternehmens lähmen. Abgesehen davon ist fraglich, inwieweit ein Anreiz für den Mitarbeiter zum Verbleib im Unternehmen entsteht. Auch neue Talente kann eine solche Beteiligungsform wahrscheinlich nicht gewinnen.

Fazit: Echte Anreize künftig elementar

Für Unternehmen sind entsprechende materielle Beteiligungsformen als Benefits in Zukunft elementar, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig aufzutreten. Daher ist es für Unternehmen empfehlenswert, die unterschiedlichen Varianten und Möglichkeiten genau zu betrachten, um am Ende das passende Modell zu finden. Hierbei gilt nicht "entweder oder", auch die Kombination von einzelnen Modellen ist denkbar. 

Der größte Anreiz und damit auch der größte Nutzen besteht dabei wohl bei der direkten Beteiligung oder der virtuellen Beteiligung über einen VSOP. Insbesondere für Startups, aber auch für mittelständische Unternehmen, bietet die virtuelle Mitarbeiterbeteiligung dabei die Möglichkeit, ein Programm zu schaffen, welches echte Anreize für Mitarbeitende setzt und dabei relativ einfach sowie kostengünstig umsetzbar ist. Erst wenn solche echten Anreize für Mitarbeitende geschaffen werden, lohnt sich die Umsetzung auch auf Arbeitgeberseite.


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