Kolumne: Was bringt 2021 im Arbeitsrecht?

Was erwartet uns 2021 aus arbeitsrechtlicher Sicht? Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller hat zwar keine hellseherischen Fähigkeiten, aber ein Blick auf die aktuellen Trends genügt ihm, um das ein oder andere künftige Geschehen bereits erahnen zu können.

Es wird immer schwieriger, vorherzusehen, was uns in einem nächsten, neuen Jahr erwartet. Die äußeren Umstände werden immer schwieriger und komplizierter, der Gesetzgeber lässt sich immer mehr populistisch treiben und dann sind da noch Bundestagswahlen – schlecht für Arbeitsrechtler. Dennoch sei ein Blick in 2021 gewagt.

Pandemie und kein Ende

Wir sehnen dringend den Impfstoff herbei (der uns, wenn man den Verschwörungstheoretikern Glauben schenken darf, den Bill-Gates-Chip bescheren wird – aber mal ehrlich: wäre das so schlimm?) und übersehen dabei vielleicht eines: SARS-CoV-2 war nur eine von vielleicht vielen kommenden Pandemien. Erinnern wir uns an SARS-CoV (noch ohne Nummer) vor etwa 17 Jahren. Wieso der Arbeitsrechtler hier hellhörig werden sollte? Nun, für ein Risiko, das immer wieder auftreten kann, kann Vorsorge auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht getroffen werden. Alle derzeit vorübergehend ergriffenen rechtlichen Notmaßnahmen – von der elektronischen Betriebsratssitzung über die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis zu den Hygienemaßnahmen in Bürogebäuden – sollten nicht als einmalige Aktion gesehen werden, sondern dauerhaft gesetzlich verankert werden.

Prognose: So wird es nicht kommen – mangels Weitsicht.

Vom Bedarf an Rechtssicherheit

Als Arbeitsrechtler bescheren uns unbedachte Ankündigungen immer wieder viel Freude. Zuletzt beschloss die Regierung zum Shutdown ab dem 16. Dezember 2020: "Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen." Das hat bei vielen Unternehmen direkt einen Run auf die Urlaubsanträge ausgelöst – auch von Beschäftigten, die keine Urlaubsansprüche mehr hatten. "Aber die Regierung hat es doch gesagt", hörte man von empörten Beschäftigten und Betriebsräten.

Dann konnte man einige Tage lang in der Presse verfolgen, wie die Koalitionspartner sich über die Umsetzung nicht einig waren, bis schließlich von Bundestag und Bundesrat eine Erweiterung der Entschädigungsregelung im Infektionsschutzgesetz verabschiedet wurde. Es wurde ein Anspruch auf Entschädigung geschaffen, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Kitaferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird. Wie hat man davon erfahren? Womöglich gar nicht; wer die dünne Meldung dazu auf der Homepage der Bundesregierung übersehen hat und nicht registriert hat, dass die Gesetzesänderung auf die Schnelle in das Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldungs- und Wehrsoldempfänger hineingeflickt wurde, der wartet noch immer auf den vollmundig angekündigten Sonderurlaub.

Das auf diese Weise mehrfach nachgebesserte Infektionsschutzgesetz ist leider auch nicht so gelungen, wie man es gehofft hätte. Haben nun Beschäftigte, die im Homeoffice arbeiten können, einen Ausgleichsanspruch oder nicht? Was, wenn sie nur teilweise von zu Hause arbeiten können? Wenn sie über Zeitguthaben verfügen? Und … und … und …. Die Fragen aus der Praxis sind mannigfaltig. Am Ende werden wohl die Gerichte bemüht werden müssen, um zu entscheiden – Klarheit im Gesetz wäre der bessere Weg gewesen.

Prognose: Die Unklarheit bleibt – mangels gesetzgeberischer Sorgfalt.

Neue Gesetze, die es nicht braucht?

Homeoffice – ein gutes Stichwort. Vollmundig bittet der Gesetzgeber (besser gesagt: die Landesregierungen), wo möglich, doch bitte Homeoffice umzusetzen. Gute Idee. Aber bitte, wo bleiben die begleitenden Maßnahmen, die erforderlich sind, um das auch sicher umsetzen zu können? Steuerliche Absetzbarkeiten (ja, glücklicherweise gibt es die mittlerweile!), Eingeständnisse bei Datenschutz, Geschäftsgeheimnisschutz, Gesundheitsschutz und Arbeitszeitschutz? Fehlanzeige, stattdessen ein Gesetzesentwurf zum Anspruch auf Homeoffice (der all diese Themen, na was wohl: auch nicht regelt), der bei Lektüre anmutet wie eine Idee aus der Kaiserzeit. Pardon! Flexoffice, Arbeit 4.0, War for Talents, grenzenloses Europa – irgendwie am Gesetzgeber vorbeigegangen.

Prognose: Kommt nicht – weil nicht mehrheitsfähig.

Neue Gesetze "abseits des Arbeitsrechts"?

Das Lieferkettengesetz; die Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverstößen in Zulieferbetrieben sollen erhöht werden. Was das mit Arbeitsrechtlern zu tun hat? Nun, ob Menschenrechtsverstöße bei Beschäftigung in Drittländern eingehalten werden, ob es Vereinigungsfreiheit gibt, ob ILO-Normen eingehalten werden – das zu beurteilen wird wieder am Arbeitsrechtler "kleben" bleiben. Der Wunsch des Arbeitsrechtlers? Eine "Vertragsmustererklärung" des Gesetzgebers. Mir ist noch gut in Erinnerung, wie anlässlich der Einführung der sogenannten "Tariftreuegesetze" mit Kunden und Lieferanten über Vertragsklauseln verhandelt werden musste (im Gesetzesentwurf wird man wieder lesen dürfen: "Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft: keiner" – weit gefehlt).

Prognose: Kommt.

Gesetzliche Neuregelung der Arbeitszeiterfassung?

Es gibt das EuGH-Urteil, das dem Gesetzgeber etlichen Raum für Regelungen (und Freiheiten) lässt, und einige Gutachten, die das Prädikat "gut" im Wort nicht verdienen, weil sie sich über das, was der EuGH ausgeurteilt hat, schlicht hinwegsetzen. Es gibt einen Konflikt der Ministerien und dann noch Wahlen. Werden wir endlich die so wichtige Klarheit bekommen, ob die Vertrauensarbeitszeit tot ist, der Außendienstler auf dem Nothaltestreifen auf der Autobahn seine Ruhezeit einlegen muss und Eltern immer noch gegängelt werden, statt ihre Arbeitszeit frei einteilen zu können?

Prognose: Kommt nicht – weil sich keiner traut, ein wirklich bedarfsgerechtes Gesetz zu formulieren.

Keine großen Überraschungen mehr

Das ist schon alles starker Tobak. Meine Prognose für 2021 lautet jedenfalls: Große Überraschungen werden wir nicht mehr erleben - kleine Korrekturen vielleicht. Corona beherrscht das soziale Leben und die Politik zu sehr. Ein zusätzlicher Grund, das "Ende" der Pandemie herbeizusehnen.

Bleiben Sie gesund! Wir wollen ja noch erleben, wenn sich wirklich etwas tut im Arbeitsrecht!


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.