Kolumne: Neue, praxisfremde Gesetze im Arbeitsrecht

Kaum fährt Alexander R. Zumkeller in den Urlaub und hat mal eine Weile kein wachsames Auge auf den Gesetzgeber, geht es auch schon schief: Passt einen Moment lang keiner auf, lässt er sich Regelungen einfallen, die völlig praxisfremd sind und die den Arbeitgeber am Ende ratlos zurücklassen, meint unser Kolumnist.

Es sind harte Zeiten. Angesichts der bevorstehenden Wahlen muss man "Trielle" und "Vierergespräche" über sich ergehen lassen, in denen selbst die Vertreterinnen und Vertreter der unbedeutendsten (das sind nicht immer die kleinsten) Parteien transgalaktisch zu allem und jedem aus Hubschraubersicht etwas zu verkünden haben. Tatsächlich ist doch schon im ganz banalen Alltagsgeschäft der Wurm drin. Ja, auch und gerade im Arbeitsrecht. Derweil sinniere ich darüber, ob es nicht Sinn machen könnte, § 3 Abs. 1 BUrlG neu zu fassen – vielleicht in "Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage, für Unternehmensarbeitsrechtler jedoch nicht mehr als zehn Werktage". Ketzerisch? Vielleicht. Aber ich war gerade im Urlaub – und das Wieder-an-den-Schreibtisch-Kommen macht so gar keinen Spaß angesichts des in wenigen Urlaubswochen angerichteten, völligen Durcheinanders.

Keine Verdienstausfallentschädigung mehr für Nichtgeimpfte?

Ja, nach wie vor leben wir in Coronazeiten. Und nein, nicht eine der Maßnahmen, die die Bundesregierung entschieden hat, finde ich grundverkehrt. Nur, es passt halt nichts zusammen ...

Die Bundesländer kommen nun nahezu geschlossen (vor wenigen Wochen war es noch allein Sachsen) mit der Ansage daher, dass, wer sich ohne medizinischen Grund nicht impfen lassen will, keine Entschädigung mehr nach § 56 InfSchG erhalten soll. Inhaltlich finde ich das völlig richtig und konsequent. Aber warum zieht da zögerlich ein Bundesland nach dem anderen tröpfchenweise nach? Und warum ist, bitte schön, wieder mal der Arbeitgeber der Trottel, der es ausbaden muss? "Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen", so die gesetzliche Regelung. Und dann kommt Bundesland nach Bundesland und gelangt zur hehren Erkenntnis, nicht mehr zahlen zu wollen. Nachdem der Arbeitgeber bereits in Vorleistung getreten ist. Ohne dass er ein Fragerecht hätte, ob der oder die Arbeitnehmende geimpft ist. Sicher, der Betrag ließe sich von künftigen Entgeltansprüchen in Abzug bringen. Aber erstens verursacht das hohen Administrationsaufwand, zweitens sind Konflikte mit den Betriebsvertretungen schon absehbar und drittens wird es auch Ärger mit den Mitarbeitenden geben. Danke!

Die neue Losung heißt 3G. Oder 2G?

Warum sollen eigentlich Arbeitgeber, deren Beschäftigte eine Impfung ablehnen, nach wie vor auf ihre Kosten zweimal wöchentlich einen Test durchführen? Ich spreche nicht von denjenigen Beschäftigten im Promillebereich, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sondern von den übrigen 38 Prozent (die Impfquote liegt Stand heute bei 62 Prozent).

Warum sollen Arbeitgeber nicht einmal fragen dürfen, ob die Beschäftigten geimpft sind? Meine Meinung dazu ist klar: Der Arbeitgeber darf fragen, weil er ein berechtigtes Interesse daran hat, etwa um seine Kunden bedienen zu können (kein Kunde, zu dem ein Servicetechniker geschickt werden soll, gibt sich noch mit Schnelltests zufrieden) oder um Beschäftigte – geimpfte wie ungeimpfte – zu schützen und ja, in diesem Zusammenhang finde ich es richtig, Kantinen nur für Geimpfte und Genesene aufzumachen. Wer ungeimpft ins Büro kommen möchte, kann sich eine Lunchbox abholen. Ich bin auch der klaren Meinung, dass der Arbeitgeber auch datenschutzrechtlich aus eben diesen Gründen berechtigt ist, die Befragungsergebnisse eine Zeit lang aufzubewahren. Wir können uns über die Dauer der Aufbewahrungsfrist unterhalten – aber nicht über das "Ob".

Der Arbeitnehmende muss auf die Frage nach seinem Impfstatus wahrheitsgemäß antworten. Wenn er nicht geimpft ist, muss er vielleicht keine Auskunft geben, ob er nicht geimpft werden wollte oder nicht geimpft werden konnte (denn das könnte einen Hinweis auf eine ernstliche Erkrankung geben, was den Arbeitgeber nichts angeht). Die Arbeitgeber wären jedenfalls glücklich, wenn ihre Anstrengungen zur Impfung ihrer Beschäftigten und deren Angehörigen 90 Prozent oder gar 95 Prozent erreichen würden – dann käme es auf diese Fragen tatsächlich nicht mehr an. Nun, eine mutvolle Bundesregierung hätte sich ja vielleicht auch zu einer Impfpflicht durchringen können …

Gesetzgeberisch kunstvoll: Teilzeit in der Elternzeit

Dort, wo der Gesetzgeber (noch) aktiv wird, bereitet das dem Unternehmensarbeitsrechtler auch nicht wirklich Freude: Teilzeit in der Elternzeit.

Ich möchte hier nicht auf die vielen Probleme, die dieser einseitig vom Beschäftigten auszugestaltende Anspruch in den Unternehmen aufwirft, hinweisen. Das ist politisch erledigt. Was ich nicht verstanden habe ist, warum dieses Thema erneut aufgegriffen wurde und zwar nur hinsichtlich der zulässigen Höchstdauer der Teilzeit.

Dabei steckt der Teufel im Detail. Der Gesetzgeber hat eine Übergangsvorschrift (!) ausgesprochen pfiffig geändert und diese besagt nun: "Für die vor dem 1. September 2021 geborenen ... Kinder ist dieses Gesetz in der bis zum 31. August 2021 geltenden Fassung weiter anzuwenden." So lautet § 28 Abs. 1 BEEG jetzt und in § 28 Absatz 3 BEEG steht: "§ 1 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 bis 4 in der Fassung des Artikels 36 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist für Entscheidungen anzuwenden, die Zeiträume betreffen, die nach dem 29. Februar 2020 beginnen. § 1 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 in der Fassung des Artikels 36 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist für Entscheidungen anzuwenden, die Zeiträume betreffen, die nach dem 31. Dezember 2019 beginnen." Verstanden? Nein? Was das bedeuten soll? Für Eltern, deren Kinder bis 30. Juni 2015 geboren wurden, gelten andere Höchst- beziehungsweise Mindestarbeitszeiten in der Elternzeit als für Eltern, deren Kinder bis 30. August 2019 geborenen wurden und wiederum andere Bedingungen gelten für Eltern von nach dem 1. September 2021 geborenen Kindern. So ich es denn überhaupt richtig verstanden habe. Zeigen Sie dieses Gesetz mal dem "Menschen auf der Straße" ... Wir müssen hier nicht weiterphilosophieren.

Die vielen Köche und der Brei ...

Den Unternehmen ist es, man möge mir verzeihen, völlig wurscht, ob der maximale Teilzeitanspruch nun 28, 30 oder 32 Stunden in der Woche beträgt (warum überhaupt eine Begrenzung, eine solche gibt es im TzBfG doch auch nicht?). Die administrative und arbeitsrechtliche Herausforderung ist der Anspruch selbst. Warum man hier eine solche (allerdings völlig missratene) Dreifachpirouette vermeintlichen (beidseitigen?) Vertrauensschutzes ersonnen hat ... viele, viele Köche müssen an diesem Brei mitgewirkt haben!

Nein, es macht keinen Spaß mehr, in den Urlaub zu gehen. Kaum trete ich meinen Urlaub an, passiert in Berlin (oder in den Landeshauptstädten) wieder etwas Unüberlegtes. Ich plädiere also für eine möglichst rasche Neufassung des § 3 Abs. 1 BurlG: "Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage, für Unternehmensarbeitsrechtler jedoch nicht mehr als zehn Werktage".


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) sowie Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB, blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.


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