Kolumne: Gesetzgebung belastet Arbeitgeber immer mehr

Immer wieder werden die Arbeitgeber durch arbeitsrechtliche Änderungen des Gesetzgebers belastet. Daran mag kein Weg vorbeiführen. Doch unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller fordert, Gesetze zumindest praxistauglicher zu gestalten.

Dass arbeitsrechtliche Änderungen durch neue Gesetze Belastungen für die Arbeitgeber mit sich bringen, ist nicht neu. Wenn politisch gewollt ist, dass Arbeitgeber – es wird ja immer wieder gerne der Begriff des "strukturell Stärkeren" herangezogen – wirtschaftlich zusätzlich belastet werden sollen, sei es direkt finanziell oder aber indirekt durch erhöhten Administrationsaufwand, so ist das hinzunehmen (man mag sich ärgern oder freuen, das ist eben Politik.)

Zwei Fallgruppen sind zu unterscheiden

Es lassen sich zwei Fallgruppen ausmachen, wovon die zweite, meine ich, sich mehr und mehr häuft: Zunächst jene, bei der diese Belastung der Arbeitgeber bewusst erfolgt, weil man den Beschäftigten Ansprüche zukommen lassen möchte. Hier seien etwa die vielen Gesetze und Gesetzesvorhaben aus den letzten Jahren genannt, welche die Arbeitgeber teils nicht einmal direkt, sondern durch extrem hohen Administrationsaufwand indirekt belasten, der in der Gesetzesbegründung oftmals kleingeredet wird. Nennen kann man hier etwa das Entgelttransparenzgesetz, das einen enormen Aufwand im Nachweisverfahren verursacht oder das in der Diskussion befindliche "Recht auf mobile Arbeit" mit einem unzulänglichen Ablehnungs-Mechanismus und leider weiteren vielen offenen Fragen. Nun ja, hier sind die Änderungen, wie schon erwähnt, politisch gewollt und der Arbeitsrechtler in der betrieblichen Praxis setzt die Regelung im Betrieb so um, wie es notwendig ist (soweit das trotz der Mängel im Gesetz überhaupt möglich ist).

Und dann sind da noch die anderen Gesetze, man ist versucht zu sagen die "heimtückischen", bei denen eine Belastung des Arbeitgebers vielleicht (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) gar nicht im Vordergrund stehen soll. Also diejenigen, bei denen der durch sie verursachte Mehraufwand sozusagen als Kollateralschaden seitens der Politik hingenommen wird.

Unerwartete Belastung im Betriebsrentengesetz

Eines dieser Gesetze ist das Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Hier spreche ich vom Anspruch des Beschäftigten auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Sehen wir uns einmal zwei Szenarien an:

Der Arbeitgeber akzeptiert die Umwandlung des Entgelts von Beschäftigten in eine Pensionskasse. Abgesehen davon, dass diese gerade nahezu durchgängig die Garantiezinsen nach unten anpassen und die Beschäftigten ratlos zurücklassen, gibt es hier eine – begrüßenswerte – Neuregelung: Wird ein Arbeitgeber insolvent und kann die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringen, tritt künftig der Pensionssicherungsverein (PSVaG) für diese Leistungskürzung ein.

Gute Sache. Aber es gibt einen Haken: Die Insolvenzsicherung kostet Geld. Und die Belastung trifft den Arbeitgeber alleine. "Früher" (bis 2019) konnte man vielleicht noch sagen, dass der Arbeitgeber immerhin die Sozialversicherungsbeiträge auf das umgewandelte Entgelt spart. Aber seit 2019 (für Neuzusagen – für Altzusagen ab 2022) muss er diese ja zumindest mit 15 Prozent auch auskehren und zusätzlich zahlen.

Übrigens auch, wenn es gerade keine Umwandlung "im eigentlichen Sinn" ist. Bei "echten" Umwandlungen ist das ja zu verstehen. Wenn ein Beschäftigter 3.000 Euro verdient und davon 100 Euro umwandelt, ist nachvollziehbar, dass der Arbeitgeber dann die tatsächlich eingesparten 15 Euro zusätzlich zahlt. Aber seltsam mutet es an, wenn ein Arbeitgeber den Beschäftigten wirklich einen zusätzlichen Altersversorgungsbetrag zugestanden hat. Also, der Fall, dass einem Beschäftigten mit 3.000 Euro Entgelt zusätzliche 100 Euro zugesagt wurden, wenn er diese für seine Altersversorgung aufwendet. Geschäftsgrundlage war damals eigentlich, dass dieser - genau dieser - Betrag gewährt wird. Punkt. Keine Zusatzbelastung. Dem wird plötzlich die Geschäftsgrundlage entzogen: Auf die fix gewährten Altersvorsorgeleistungen kommen ungeahnt 15 Prozent Zusatzbelastung obendrauf.

Zweckentfremdetes Kinderkrankengeld

Ein anderes Gesetz, das in diese Kategorie gehört, ist die neueste Regelung in § 45 Abs. 2a SGB V. In Coronazeiten erhält ein Beschäftigter, der wegen seines Kindes zu Hause bleiben muss, weil die Kita geschlossen hat, schnell und einfach eine Entgeltersatzleistung von der Krankenkasse.

Auf den ersten Blick eine gute Idee, um vieles besser als die (nicht handhabbare) Regelung in § 56 Abs 1a IfSG. Denn danach besteht ein Anspruch, wenn es keine Möglichkeit gibt, eine alternative, zumutbare Betreuung des Kindes herzustellen – wer bestimmt das? Der Arbeitgeber, der in Vorkasse geht und die Erstattung nicht erhält, weil das Gesundheitsamt das anders beurteilt? Und macht sich der Arbeitgeber, der (guten Gewissens) einen Antrag stellt, strafbar (Betrug zu Lasten der öffentlichen Hand), wenn sich herausstellt, dass doch noch der Opa oder die große Schwester im Haushalt die Betreuung hätte übernehmen können?

Nein, da ist der § 45 SGB V schon tauglicher. Ja, verfassungswidrig, weil er ganz klar Leistungen auskehrt, die vollständig versicherungszweigfremd sind (nein, die Kita-Schließung hat nun einmal nichts mit Krankheit zu tun), aber eben tauglicher. Ja, verfassungswidrig, weil wieder einmal der Steuerzahler und nicht der Beitragszahler (der, falls er privatversichert ist, nichts, aber auch gar nichts von dieser Regelung hat) die Kosten übernehmen wird, aber dennoch tauglicher.

Warum das die Arbeitgeber belastet? Und nicht nur den Steuerzahler (ja, ich weiß: den Beitragszahler. Nachdem die Kassen aber überproportional belastet werden, wird es sicher bald einen neuerlichen Zuschuss aus dem Steuertopf geben)? Nun, es gibt unzählige Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge, die Zuschüsse zum "Kinderkrankengeld" ausloben. Klar, es kommt hier auf den Wortlaut an. Aber wo diese Bestimmungen eben nicht ausdrücklich auf die Erkrankung abheben (und das war nun einmal Geschäftsgrundlage einer solchen Regelung), verdoppelt der Gesetzgeber gerade einmal schlank die Zuzahlungsdauer. Soll man es da auf einen Rechtsstreit ankommen lassen? Nun, selbst wenn der Arbeitgeber gewinnt – auch ein Rechtsstreit kostet. Mindestens Zeit!

Bitte bessere Gesetze

Ich habe an dieser Stelle schon häufig gebeten, gefordert, gefleht: Macht bitte Gesetze in Berlin, die etwas taugen. Das scheint aber nicht gehört zu werden. Macht nichts, ich versuche es immer wieder. Und steuere in diesem Bemühen auch gleich noch eine Idee für einen immer einzufügenden letzten Paragraphen eines jeden Änderungsgesetzes bei: "Wenn und soweit durch dieses Gesetz Belastungen von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern erfolgen, die nicht ausdrücklich im Gesetz als solche geregelt sind, sind die in diesem Gesetz normierten Regelungen insoweit nicht anzuwenden."

Das wäre doch mal was!


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) sowie Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB, blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.