Kolumne Arbeitsrecht zum Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)

Bereits seit rund einem Jahr ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft. Ab Januar 2019 gilt zudem, dass die bei der Entgeltumwandlung eingesparten Sozialversicherungsbeiträge an Arbeitnehmer weiterzugeben sind. Die Tücken dieser Regelung hat unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller untersucht.

Das „Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ (genannt: Betriebsrentenstärkungsgesetz) ändert insbesondere die Regelungen des „Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“ (genannt: Betriebsrentengesetz). Die offiziellen Gesetzesüberschriften klingen weder modern noch irgendwie „sexy“. Dennoch hat es insbesondere das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) in sich – bedauerlicher Weise jedoch nicht auf den ersten Blick. Denn wichtig genug für alle Beschäftigten wären die Änderungen schon.

Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit dieser Gesetzesnovelle – und finde jedes Mal etwas Neues. Leider sind dies keine Erleuchtungen, sondern neue Fragen, Stolpersteine oder Punkte, die die Umsetzung erschweren – im schlimmsten Fall sogar unmöglich machen. Zuletzt war ich neuerlich auf einer Schulung, um schlauer zu werden. Mitgebracht habe ich aber vor allem Fragen. Und: ab 1. Januar 2019 schießt das Gesetz in einem wesentlichen Punkt „scharf“ …

Sozialversicherungsbeiträge: Der Arbeitgeber soll Ersparnis weitergeben

Kommen wir damit zu einem – wie ich denke – Kernthema des BRSG: die Weitergabe der ersparten Sozialversicherungsbeiträge. Die Idee ist einfach und klar, und vermutlich auch nicht „ungerecht“: Erspart sich der Arbeitgeber aufgrund der Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers in eine Altersvorsorge – in der Regel wohl über eine Direktversicherung – Sozialversicherungsbeiträge, so soll er diese Einsparung weitergeben, § 1a Abs. 1a (nebenbei: Ich liebe diese Technik des Gesetzgebers, Regelungen in nicht vorhandene Lücken mit Kleinbuchstaben zu füllen – Klingt „§ 1a Abs 1a“ nicht doch irgendwie sexy? Sonst findet man so etwas eigentlich nur im Sozialgesetzbuch).

In dieser Norm steht: „Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“ Also: 15 Prozent des umgewandelten Entgelts sind weiterzuleiten, höchstens aber soweit Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden. Klingt einfach? Ist es aber nicht!

Übergangsphase: Der Teufel steckt im Detail

Wichtig ist noch die Übergangsvorschrift zu § 1a Absatz 1a, der § 26a Betriebsrentengesetz (BetrAVG), der zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt: "§ 1a Absatz 1a gilt für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022.“

Wenden wir uns zunächst der Übergangsvorschrift zu – ein Kleinod, dem sich vermutlich nur wenige widmen werden. Ich versuche es einmal im Klartext: Altvereinbarungen vor dem 1. Januar 2019 müssen ab 2022 bezuschusst werden, Neuvereinbarungen nach dem 1. Januar 2019 ab dem Jahr 2019. Klar? Na ja – nicht wirklich. Die Umwandlung von Entgelt muss ja vor der Fälligkeit vereinbart werden. Will ein Arbeitnehmer ab Januar 2019 umwandeln, wird der Versicherungsvertreter also darauf drängen, noch im Dezember den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen. Mit der Umwandlung ab 1. Januar 2019. Moment: Umwandlung ab Januar 2019?

Das ist gar nicht der Stichtag, der in der Übergangsregelung steht. Der Blick ins Gesetz zeigt nämlich: bei Umwandlungsvereinbarungen – nicht die Umwandlung – ab dem 1. Januar 2019. Wie sieht es nun in diesem Fall mit den 15 Prozent aus (Sehen Sie mir nach, dass ich im Folgenden immer wieder vereinfacht von „15 Prozent“ spreche, obwohl das ja falsch ist – denn die Beschränkung auf die tatsächliche SV-Einsparung ist ja immer zu überprüfen)? Schlecht sieht es aus. Der Gesetzeswortlaut ist klar: Vereinbarung ab Januar 2019, also keine Weitergabe der 15 Prozent.

Weitergabe von Sozialversicherungsbeiträgen: Der Hans im Glück der Entgeltumwandlung

Nun haben wir alle die Phantasie, dass die Arbeitsgerichte das Gesetz nach dessen Sinn und Zweck auslegen und deshalb den Zuschuss dennoch zusprechen werden. Das ist vielleicht gar nicht falsch. Ob es falsch oder richtig ist, wird letztlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ein paar Jahren entscheiden.

Aber was ist, wenn das BAG dann ausurteilt, dass die 15 Prozent in diesen Fällen gerade nicht weiterzugeben sind? Dann hat der Arbeitnehmer, der sie bekommen hat, doppelt Glück: Einmal weil er die 15 Prozent ein paar Jahre bekommen hat (und auf Basis einer vertraglichen Regelung oder betrieblichen Übung weiter erhalten wird). Und zum Zweiten: Ab 2022 bekommt er nochmals die 15 Prozent – aus den 100 Prozent Umwandlung und zusätzlich aus den bereits weitergegebenen 15 Prozent. Denn tatsächlich hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit ja SV-Beiträge aus 115 Prozent gespart…

Spezialfragen: SV-Luft, schwankende Beitragseinsparung

Zugegeben, ein echtes Spezialthema. Aber bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) haben wir eben nur Spezialthemen. So auch dieses: Wie werden die eingesparten SV-Beiträge eigentlich wirklich berechnet?

Dabei möchte ich gar nicht Fragen ansprechen, die ich selbst nicht wirklich verstehe, zum Beispiel aus Einmalzahlung oder laufend monatlich, bei Anwendung der SV-Luft... Nur ein Beispiel, das etwas einfacher nachzuvollziehen ist: schwankende Beiträge bei schwankender Bemessungsgrenze. Nehmen wir einen Beschäftigten, der mit seiner Entgeltumwandlung gerade so unter die Beitragsbemessungsgrenze(n) fällt, und bei Schicht-, Mehr-, Feiertagsarbeit, auch mal drüber (damit geringere Einsparung von Beiträgen und geringere Weitergabe). Oder Fälle, bei denen bei Arbeitsunfähigkeit, Sabbatical, Wechsel Voll- in Teilzeit die eingesparten SV-Beiträge ansteigen können.

Einigen wir uns in diesem Beispiel auf den Fall der monatlichen Umwandlung. Klar, berechenbar ist das schon, was eingesparte Sozialversicherungsbeiträge, maximal aber 15 Prozent des Umwandlungsbetrages ist. Aber: der Gesamtbetrag, der in die Direktversicherung fließt, schwankt. Und diese Schwankung ist ein Problem. Denn der Versicherungsvertrag läuft ja nicht auf beliebig hohe Beiträge, sondern einen Fixbeitrag. Und das sieht das BRSG nicht vor: eine Vorschrift, nach der die Versicherungsunternehmen diese Schwankungen hinnehmen müssten.

Fehlender Kontraktionszwang: Ein Geschäft für wen?

Auch etwas anderes beinhaltet das BRSG nicht: eine Kontraktionspflicht der Versicherer für die Zeit ab 2022. Warum das wichtig ist? Nun, ab 2022 haben ja auch „Altverträge“ einen Anspruch auf Weitergabe der 15 Prozent. Altverträge ist es eigen, dass sie häufig noch einen relativ hohen Garantiezins haben.

Merken Sie´s? Die Versicherer haben – verständlicher Weise – gar kein Interesse daran, die zusätzlichen 15 Prozent in diese Versicherung fließen zu lassen. Die Folge? Vermutlich wird wärmstens empfohlen, einen neuen Vertrag abzuschließen, eventuell sogar unter Ruhenlassen des Altvertrags. Dem Versicherungsvertreter bringt das eine schöne Prämie (ok, Geld verdienen ist nichts Böses) und dem Arbeitnehmer einen gesplitteten Vertrag.

Weitergabe der SV-Beiträge: Ausschluss durch Tarifvertrag

Schließlich noch – zumindest in einem Teilbereich – ein rechtes Ärgernis: Durch Tarifvertrag kann die Weitergabe der 15 Prozent ausgeschlossen werden. Das ist unbedingt richtig und das ist auch sinnvoll, weil ja etliche Tarifverträge besondere Zuschüsse (insbesondere Tarifverträge zur bAV – die ehemalige „vermögenswirksame Leistung“) gerade „zusätzlich“ zur normalen Vergütung ausloben. Die Geschäftsgrundlage war also gerade der Netto-Betrag. Mit einer zusätzlichen Belastung wie den 15 Prozent wollte und sollte niemand rechnen. 

Die Klausel, durch Tarifvertrag die 15 Prozent ausschließen zu können, dürfte aus Sicht der Bundesregierung auch eine Klausel sein, die die Tarifautonomie stärken soll (dass hier irgendwann einmal eine verfassungsrechtliche Grenze geboten scheint, hatte ich an dieser Stelle schon einmal ausgeführt). Aber was ist mit den Außer-Tarif-Beschäftigten? Hier zieht das politische „Argument“ der Stärkung der Tarifautonomie ja zweifellos nicht. Zwar kann ein solcher Tarifvertrag auch für Nicht-Tarifgebundene angewandt werden, wenn er einschlägig ist. Einschlägig bedeutet aber: in jeder Hinsicht – räumlich, fachlich, und – persönlich. Persönlich ist ein Tarifvertrag aber niemals für Außer-Tarif-Beschäftigte anzuwenden.

Stärkung der Tarifautonomie – durch Besserstellung von nicht Außer-Tarif-Beschäftigten?

Außer-Tarif-Beschäftigte, denen der Arbeitgeber bisher freiwillig Leistungen aus Tarifverträgen zur Altersvorsorge hat zukommen lassen, bekommen also in Zukunft die 15 Prozent – ihre tarifgebundenen Kollegen nicht. Klar, das ist Stärkung der Tarifautonomie.

Und da sage noch jemand, das „Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ sei nicht – auf seine besondere Art – irgendwie „sexy“.

Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.