Kolumne Arbeitsrecht: Mit Tarifverträgen Equal Treatment abwenden

Häufig bleibt es in der Unternehmenspraxis schleierhaft, wann "Equal Treatment" bei der Arbeitnehmerüberlassung anzuwenden ist. Es sind Rechtsprechung und auch Gesetzgebung, die den Praktiker teils im Nebel zurücklassen. Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller zeigt einen möglichen Weg auf.

Es klingt so einfach: "Equal Treatment" braucht nicht angewandt zu werden, wenn für das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers eine einschlägige tarifliche Regelung vereinbart wurde, § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Das ist eine gute und wichtige Vorschrift. Was aber sind die Anforderungen dafür, dass anderweitige tarifliche Regelungen gelten?

Der Weg über die vertragliche Gleichstellungsklausel

Im Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers muss also ein Tarifvertrag gelten. Das heißt zunächst, dass er irgendwie Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden muss. Dafür haben wir im Wesentlichen zwei Instrumente: beiderseitige Tarifbindung oder vertragliche Gleichstellungsklausel. Nachdem der Organisationsgrad bei Leiharbeitnehmern eher geringer ist als in der übrigen Industrie, ist – um Klarheit zu schaffen – die vertragliche Gleichstellungsklausel zu bevorzugen. Die gerne von den Verleihunternehmen beigebrachte Bestätigungen, sie seien Mitglied eines der tarifabschließenden Verbände oder sie würden die Tarifverträge entsprechend anwenden, sind also nicht ausreichend. Ein Beispiel für die Gleichstellungsklausel könnte folgende Formulierung sein: "Es gilt das jeweils geltende Tarifwerk abgeschlossen zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Arbeitgeberverband X auch für dieses Arbeitsverhältnis". Der betroffene Leiharbeitnehmer könnte dadurch mit Tarifgebundenen wirksam gleichgestellt sein.

Soweit also alles in Ordnung?

Vielleicht.

Denn nach der Diskussion und Rechtsprechung  zum "CGZP-Tarifvertrag" ist nur klar, dass es so einfach wohl nicht ist. Es muss nämlich ein gültiger Tarifvertrag in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden sein – und diese Gültigkeit hat zwei Aspekte.

Wegkreuzung: der doppelt kongruente Tarifvertrag

Einmal muss es sich um einen generell wirksamen Tarifvertrag, abgeschlossen zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband, oder einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeber handeln. Tarifverträge zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft einerseits und BAP, IGZ und BZA andererseits sind damit erst einmal "im sicheren Hafen". Das gilt grundsätzlich auch – und davon gibt es nicht wenige – für zwischen einer DGB-Einzelgewerkschaft und einem Arbeitgeber abgeschlossenen Haustarifvertrag.

An dieser Stelle ist jedoch dringend zu beachten: der Arbeitgeber, der den Tarifvertrag abschließt, muss wirklich der Arbeitgeber des verliehenen Arbeitnehmers sein. Hin und wieder finden sich nämlich auch Tarifverträge, die ein Unternehmen für die ganze Gruppe abgeschlossen hat. Solche "Konzernhaustarifverträge" müssen sich aber ausdrücklich auf die betroffenen Unternehmen beziehen und entsprechende Vollmachten müssen vorliegen.

Der andere Stolperstein ist gewichtiger: der Tarifvertrag muss doppelt kongruent sein. Kongruent insoweit, als dass die Gewerkschaft für Leiharbeit zuständig ist – was mittlerweile jede Satzung der DGB-Gewerkschaften vorsieht – aber auch kongruent hinsichtlich der Einsatzbranche. Dazu ein Beispiel: Wird ein Leiharbeitnehmer in der Metallindustrie eingesetzt, der Tarifvertrag ist aber mit Verdi abgeschlossen, handelt es sich bezogen auf das Einsatzgebiet Metall eben nicht um einen geltenden Tarifvertrag.

Ein möglicher Wegweiser

Vor Einsatz eines Leiharbeitnehmers ist also nach wie vor zu empfehlen, eine kleine Due-Dilligence-Prüfung vorzunehmen. Dabei bietet es sich in einem vereinfachten Verfahren an, die tatsächlichen Antworten auf folgende Fragen zu finden und zu prüfen:

  1. Ist im Arbeitsvertrag des betroffenen Leiharbeitnehmers wirksam auf einen Tarifvertrag Bezug genommen worden?
  2. Ist dieser Tarifvertrag ein Verbandstarifvertrag (BZA, IGZ, BAP) und wenn nicht: Ist der Haustarifvertrag mit der für das Einsatzgebiet fachlich zuständigen DGB-Gewerkschaft abgeschlossen worden?

Können diese Prüfungsschritte nicht positiv beantwortet werden, ist das Risiko groß, dass der Entleiher "Equal Treatment" leisten muss. Die Folge daraus ist zum Beispiel, dass er von den Sozialversicherungsträgern für die auf die Lohndifferenz entfallenden Sozialversicherungsbeiträge in Haftung genommen wird (§ 28e Abs. 2 SGB IV).

Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.