Kolumne Arbeitsrecht: Die Qual der Anwaltswahl

Ob Verbandsjurist, Fach- oder Staranwalt: Unser Kolumnist Alexander Zumkeller nennt die wichtigsten Kriterien, die Firmen auf der Suche nach dem passenden Arbeitsrechtler helfen.

Das kommt ja manchmal ganz schnell: ein Arbeitsrechtsstreit. Sie haben – natürlich – alles richtig gemacht. Und trotzdem hat der – hoffentlich ehemalige – Arbeitnehmer sie verklagt. Und jetzt? Sie brauchen einen Rechtsanwalt. Doch welcher Anwaltstyp ist nun der richtige? Ist es der Haus- und Hofanwalt, der das Unternehmen bei allen rechtlichen Fragen beisteht. Oder hilft Ihnen der Verbandsjurist weiter? Ist auch ein Fach- oder gar der Staranwalt eine Option?

Das Do-it-yourself–Prinzip

Sie brauchen einen Rechtsanwalt? Warum eigentlich? Beim Arbeitsgericht können Sie selbst bei Gericht auftreten. Innerhalb des Konzerns können Sie auch für ein Tochter- oder Schwesterunternehmen auftreten. Ja – das ist nur dann sinnvoll, wenn Sie eine gewisse Erfahrung in diesen Themen haben. Vielleicht sind Sie hinreichend geschult – Seminaranbieter gibt es genug, darunter auch viele sehr gute. Oder Sie haben Erfahrungen als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht. Natürlich ist die Vorsicht die Mutter der Porzellankiste – da kann auch einiges schiefgehen. Oder, noch besser, Sie haben einen Arbeitsrechtler im Unternehmen, der sich so schnell "amortisiert".
Der große Vorteil, wenn sie es selbst in die Hand nehmen: Bald kennen Sie die Usancen des Gerichts, die Vertreter auf der Gegenseite, können Vertrauen aufbauen – und Ihre Fälle dann vielleicht auch schneller schon im Vorfeld, spätes­tens im ersten Gerichtstermin lösen.

Das Rundum-glücklich-Paket

Sind Sie Mitglied eines Arbeitgeberverbands? Ja? Dann wissen Sie hoffentlich dass dieser normalerweise die Rechtsstreite – bis zum Bundesarbeitsgericht – für Sie kostenfrei führt. Ist im Beitrag schon drin. Nein? Sie sind kein Mitglied? Warum eigentlich nicht? Wenn Sie Bedenken haben wegen des Tarifvertrags, der vielleicht zu Ihrem Unternehmen nicht so recht passen mag: Denken Sie doch an den "OT-Verband", den Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung. Das gesamte Leistungsspektrum – Rechtsberatung, Rechtsvertretung, häufig auch Seminare, die sehr günstig, wenn nicht sogar kostenfrei sind. Die Kosten der Mitgliedschaft? Die sind unterschiedlich, amortisieren sich in aller Regel aber schon sehr schnell!

Der große Vorteil der Vertretung durch den Arbeitgeberverband: Die jeweiligen Verbandsjuristen sind regional verankert und können üblicherweise einschätzen, wie die Gerichte "ticken": Sie wissen auf was die Richter besonderen Wert legen, wo besondere "persönliche" Vorlieben und Stolperfallen liegen. Ein gutes "Frühwarnsystem".

Der langjährige Vertraute

Sie haben einen "Haus- und Hofanwalt", dem Sie vertrauen, der Sie seit Langem in unterschiedlichsten Fragen im Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht, und, ja, auch im Arbeitsrecht vertritt? Warum nicht. Es gibt sehr viele solcher Allgemeinanwälte, denen Sie ohne Weiteres Ihren Arbeitsrechtsfall anvertrauen können.
Auch, wenn diese vielleicht nicht den Titel "Fachanwalt für Arbeitsrecht" führen – lassen Sie sich davon nicht blenden. Wenn der Anwalt wirklich gut ist, wirklich Ihr Vertrauen nicht nur genießt, sondern auch verdient, wird er auch schnell sagen, wenn Sie besser zum absoluten Fachmann sollten: Altersversorgung zum Beispiel, eine komplexe Due-Dilligence-Prüfung ohne Frage oder auch Sozialplanverhandlungen sind solche Themen.
Der große Vorteil des Haus- und Hofanwalts, mit dem sie seit Langem zusammenarbeiten: Er kennt Ihr Unternehmen fast wie seine eigene Westentasche und kann so Vertrauen zu allen Seiten aufbauen. Die Kosten werden in der Regel nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abgerechnet. Sie wissen also schon vor einem Prozess ganz genau, was Sie der Fall kosten wird.

Solide, hoch anerkannte Facharbeiter

Natürlich haben Fachanwälte für Arbeitsrecht ihren Titel zu recht: Sie liefern solides, fachlich hoch anerkanntes Handwerk. Eine solide Grundausbildung im Arbeitsrecht, eine Mindestmenge an Arbeitsrechtsfällen, und ständige Fort- und Weiterbildung zeichnet sie aus. Wo der Haus- und Hofanwalt an seine Grenzen stößt, fängt das Metier des Fachanwalts spätestens an. Freilich können Sie auch gleich mit jeder Arbeitsrechtsfrage zum Fachanwalt – vergleichbar mit privatversicherten Patienten, die keine Überweisung vom Hausarzt benötigen, sondern gleich zum Radiologen gehen können. Auch bei den Gerichten sind Fachanwälte regelmäßig gut gelitten, da sie die Besonderheiten des Arbeitsgerichts – und da gibt es einige gegenüber den "normalen" Gerichten – natürlich gut kennen.
Die Vorteile bei der Beauftragung eines Fachanwalts liegen also auf der Hand. Aber freilich gibt es da oft auch eine kleine bittere Pille: Nicht jeder Fachanwalt rechnet nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ab. Beliebt ist vielmehr eine Abrechnung nach Stunden, was einen Rechtsstreit daher nicht exakt kalkulierbar macht.
Nicht, dass das nicht gerechtfertigt wäre. Aber Sie als Mandant wissen halt vorher nicht, wie hoch die Rechnung wird. Wichtig also: Sprechen Sie mit dem Fachanwalt über dieses Thema, damit Sie nicht überrascht werden.

Der Staranwalt für besondere Fälle

Wenn wir schon beim Geld sind, dann lassen Sie mich gleich zum Nachteil des Staranwalts kommen: Bei ihm wird nur nach Stunden abgerechnet. Und der Stundensatz ist meistens auch höher als beim "normalen" Fachanwalt. Und noch eins zum Thema "Honorar": Sie finden auf der Abrechnung nicht nur seine Stunden, sondern auch die seiner Helfer. Dann sind auf der Rechnung also "Associates" oder "Consultants" aufgeführt – wenn auch mit günstigeren Stundensätzen als jene des "Partners" oder des "Senior Consultants". Diese häufig sehr hohen Stundensätze haben aber durchaus ihre Berechtigung, wenn sie richtig eingesetzt sind. Ein Pilotverfahren und der mögliche Dominoeffekt im Bereich der betrieblichen Altersversorgung kann schnell Hunderttausende Euro und mehr nach sich ziehen. Da ist das Geld für einen – von ganz wenigen in Deutschland – Top-Fachmann gut angelegt.


Vertrauen, langfristige Beziehungen, gegenseitige Berechenbarkeit und die Möglichkeit, dass der Anwalt das Unternehmen kennen lernen kann, sind wichtig.

Alexander Zumkeller


Eine große Umstrukturierung, eine komplexe Due-Dilligence-Prüfung, insbesondere dann, wenn es in den internationalen Bereich geht, oder eine Streikabwendung können Sie nahezu nur mit diesen Ressourcen abdecken. Auch wichtig: Da Staranwälte meist in den großen Kanzleien zu finden sind, ist die Verfügbarkeit auch sehr hoch. Sie werden daher den Satz, "den Termin kann ich nicht wahrnehmen", sehr selten hören. Das hat jedoch – wie bereits erwähnt – seinen Preis.
Vorsicht ist auch geboten beim Einsatz von Staranwälten bei Streitigkeiten vor Arbeitsgerichten: Die Gegenseite und der Richter wissen ganz genau, wie viel Geld Sie ihrem Anwalt zahlen. Das kann durchaus dazu führen, dass sowohl Gegenseite als auch das Gericht meinen, Sie hätten es ja übrig. Erwarten Sie also durchaus auch einmal großzügigere Vorschläge, was Abfindungen et cetera angeht. Sie sollten vor Gericht also bedenken, welches Signal Sie an die Beteiligten aussenden – und eine entsprechende Strategie entwickeln.

Maßanfertigung oder von der Stange?

Wenn Sie sich für einen Fach- oder gar einen Staranwalt entscheiden, stellt sich noch eine andere Frage: Beauftragen Sie eine „Boutique“, also eine reine Arbeitsrechtskanzlei, oder eine große "Law Firm"? Große "Law Firms" haben schließlich gleich gute Arbeitsrechtsanwälte wie Boutiquen. Wo also ist der Unterschied – außer im Marketing?
Zum einen ist die Boutique normalerweise preisgünstiger. Nicht, weil sie schlechter ist, sondern weil bestimmter – liebe Kollegen, verzeihen Sie mir, wenn ich das so sage, es ist nur betriebswirtschaftlich gemeint – "Ballast", wie Kartellrechtler, Wettbewerbsrechtler et cetera, nicht mitfinanziert werden muss. Auch sind in der Boutique die Skaleneffekte andere. Und: Es wird meist nicht so sehr im internationalen – und dadurch teuren – Umfeld gearbeitet, wie in "Law Firms". Nicht zuletzt sind häufig auch die Bürogebäude etwas bescheidener. Aber darin liegt auch der Vorteil der "Law Firm": Nein, nicht in den üppigen Bürogebäuden, sondern wenn es um fachübergreifende Themen geht. Steht zum Beispiel ein komplexer "Merger" bevor, dann ist eben das perfekte Zusammenspiel von Steuer-, Kartell-, Gesellschafts- und Arbeitsrechtler gefragt. Und ohne Frage: Das hat eben seinen Preis.

Mehr als nur fachliche Kompetenz

Es menschelt. Empathie, Sozialkompetenz, persönliches Auftreten, machen wir uns nichts vor, ist in einer solchen "Vertragsbeziehung" auch wichtig. Sie kaufen Arbeitsrechtskompetenz ein. Hier geht es um Menschen und das sollte ein wichtiger Indikator für Ihre ganz persönliche "richtige Wahl" sein!
Noch eine Anmerkung: Wechseln Sie Ihren Anwalt nicht zu oft, das machen Sie mit Ihrem Arzt ja auch nicht. Vertrauen, langfristige Beziehung, gegenseitige Berechenbarkeit und die Möglichkeit, dass der Anwalt die DNA des Unternehmens kennen lernen kann, sind wichtig.
Behandeln Sie die erwähnten Hinweise nicht wie eine Checkliste. Je nachdem, in welchem Umfeld und wie häufig Ihre Fälle auftauchen, sollten Sie sich für eine, höchstens zwei Alternativen entscheiden. Alles andere führt zu Vertrauensverlust auf allen Seiten. Und das ist kein Beginn einer guten (Geschäfts-)Beziehung – auch wenn Sie sich nicht binden wollen, bis dass der Tod sie scheidet!
Ach ja, noch was: Denken Sie unbedingt auch an einen Arbeitsrechtler im Unternehmen. Auch der kann Ihnen in den meisten Fallkonstellationen weiterhelfen. Und die Kosten dafür amortisieren sich schnell. Soviel Werbung in eigener Sache muss als Präsident des BVAU erlaubt sein. 


Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.

Schlagworte zum Thema:  Kanzlei, Arbeitsrecht