Keine Lohnfortzahlung bei Krankschreibung nach Tätowierung

Nach einer Tätowierung entzündete sich die Haut einer Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeber zahlte ihr für die darauf folgenden Krankheitstage kein Entgelt, da die Arbeitsunfähigkeit selbstverschuldet sei. So sah es auch das LAG Schleswig-Holstein.

Wenn Beschäftigte krank werden, muss der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen. Der Anspruch auf Entgelt im Krankheitsfall besteht jedoch nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin selbst verschuldet ist.

Doch bei welchem Risiko, das Beschäftigte eingehen, ist das der Fall? Vor dem LAG Schleswig-Holstein ging es vorliegend um die Frage, ob eine Arbeitnehmerin bei einer Tätowierung mit Komplikationen wie einer bakteriellen Entzündung hätte rechnen müssen.

Der Fall: Arbeitsunfähigkeit aufgrund entzündeter Tätowierung

Eine Pflegekraft ließ sich im Dezember 2023 den Unterarm tätowieren. Die Stelle entzündete sich und die Arbeitnehmerin musste wegen einer bakteriellen Infektion Antibiotika einnehmen. In der Folge war sie mehrere Tage ärztlich krankgeschrieben. Der Arbeitgeber reduzierte daraufhin das Dezembergehalt der Pflegehilfskraft und zahlte ihr rund 460 Euro weniger aus. Er erklärte ihr, dass er die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigere, da die Mitarbeiterin ihre Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe.

Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Sie habe mit dem Tattoo in eine gefährliche Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre nicht mehr zum normalen Krankheitsrisiko und dürfe daher nicht zulasten des Arbeitgebers gehen.

Die Arbeitnehmerin meinte dagegen, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zu haben, und verlangte die Zahlung ihres restlichen Gehalts. Sie behauptete, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet war, da Tätowierungen Teil des Privatlebens und durchaus üblich seien. Für eine Entzündung habe mit ein bis fünf Prozent der Fälle ein so geringes Risiko bestanden, dass sie nicht damit habe rechnen müssen.

LAG: Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Komplikation nach Tattoo

Das LAG Schleswig-Holstein entschied, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat, da die Arbeitsunfähigkeit von ihr verschuldet war. Das Gericht stellte fest, dass ein Arbeitnehmer schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts handelt, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dies müsse anhand der Umstände im konkreten Einzelfall geprüft werden.  

Vorliegend kam das LAG Schleswig-Holstein zu dem Ergebnis, dass die Arbeitnehmerin schuldhaft handelte, indem sie vorsätzlich in die Tätowierung und damit auch in die Komplikation eingewilligt habe. Sie habe damit rechnen müssen, dass sich die Haut nach der Tätowierung entzündet. Dies begründete das Gericht, damit, dass de Arbeitnehmerin selbst vorgetragen habe, dass es in ein bis fünf Prozent der Fälle nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut komme. Damit sei für das Gericht eine Entzündung nicht eine völlig fernliegende, sondern eine häufige Komplikation. Als Begründung führte das Gericht aus, dass bei Medikamenten eine Nebenwirkung als häufig gilt, wenn sie in mehr als ein Prozent, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt.

Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Mai 2025, Az. 5 Sa 284a/24


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