Keine Entgeltfortzahlung bei verschuldeter Arbeitsunfähigkeit

Grundsätzlich haben Beschäftigte bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Was gilt aber, wenn sich Mitarbeitende bei einer Reise ins Hochrisikogebiet mit Corona infizieren oder sich beim Fallschirmspringen verletzen: Kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern?

Wenn Beschäftigte wegen einer Erkrankung oder einer Verletzung länger ausfallen, ist dies ohne Frage gleichermaßen ärgerlich für Arbeitgeber wie Arbeitnehmende. Bei einer Coronaerkrankung nach einem Urlaub im Hochrisikogebiet oder einem Beinbruch nach dem Fallschirmspringen stellt sich zudem die Frage: Ist die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet? Denn nur wenn Arbeitnehmende an ihrer Verhinderung kein Verschulden trifft, ist der Arbeitgeber zur Fortzahlung ihres Gehalts verpflichtet. 

Selbstverschulden schließt Entgeltfortzahlung aus

Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist zunächst, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache der Arbeitsverhinderung ist. Zudem muss das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden haben. Insbesondere aber darf die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer nicht verschuldet worden sein. Wann ein Verschulden im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorliegt, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Rechtsprechung bejaht schuldhaftes Verhalten, "wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen, die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt." (BAG, Urteil vom 27.05.1992, Az: 5 AZR 297/91)

Was gilt als selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit?

Nicht jedes Risiko, dass Beschäftigte eingehen, genügt um eigenes Verschulden für eine Arbeitsunfähigkeit anzunehmen. Gerichte haben bislang ein Verschulden in Fällen bejaht, in denen der Arbeitnehmer eine Sportart ausübte, die seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich überstieg oder mit ungeeigneter Ausrüstung oder trotz schlechten Zustands der Sportanlage ausgeübt wurden.

Ein Verschulden für Sportverletzungen allein wegen der Ausübung einer gefährlichen Sportart wurde bisher für Kickboxen angenommen. Kein Verschulden liegt vor bei Verletzungen nach Inlineskaten, Amateurboxen, Drachenfliegen, Fußball im Amateurbereich, Fallschirmspringen, Karate, Motorradrennen, Skifahren, Skispringen oder Crossbahnrennen, sofern diese Sportarten regelgerecht und mit der dafür vorgesehenen Ausrüstung ausgeübt werden.

Anerkannt ist auch, dass ein Unfall, der auf einen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen anerkannte Regeln oder auf Alkoholkonsum zurückzuführen ist, ebenfalls selbstverschuldet ist. 

Auch wenn sich Arbeitnehmende im Hinblick auf Krankheiten grob leichtsinnig oder sogar regelwidrig verhalten, kann dies ein Verschulden begründen.

Entgeltfortzahlung bei einer Coronainfektion?

Im Fall der Coronapandemie kann dies beispielsweise gelten, wenn Mitarbeitende die Schutzimpfung verweigern oder trotz Warnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ein Risikogebiet aufsuchen. Hier kann prinzipiell die Wertung des § 56 Abs. 1 IfSG herangezogen werden. Letztlich muss die Frage des Selbstverschuldens aber immer im Einzelfall entschieden werden. Kein Verschulden erkannte das Arbeitsgericht Kiel im Fall einer Mitarbeiterin für ihre Arbeitsunfähigkeit wegen Corona, obwohl sie in einem Hochrisikogebiet Urlaub gemacht hatte. Der Grund:  An ihrem Urlaubsort war zu der Zeit die Corona-Inzidenz niedriger als an ihrem Heimatort.  

Entgeltfortzahlung: Wer trägt die Beweislast für Verschulden? 

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Arbeitgeber beweispflichtig dafür, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt hat und deshalb kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Allerdings ist der Arbeitnehmer zur Mitwirkung verpflichtet.

Arbeitgeber dürfen die Entgeltfortzahlung zudem verweigern, solange Arbeitnehmer ihrer Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Attests oder den Mitteilungspflichten bei einer Auslandserkrankung nicht nachgekommen sind.


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