Equal Treatment ist nicht machbar

Kann "Equal Treatment" überhaupt richtig gemacht werden? Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller verneint dies. Er ist der Auffassung, dass auch niemand ernsthaft erwarten könne, dass die offenen Fragen hierzu vor Gericht getragen werden.

Gehen wir von folgendem Fall aus: Ein Verleiher muss einem Zeitarbeitnehmer "Equal Treatment" leisten, was er aber nicht möchte (und viele gute Gründe sprechen hierfür, wie wir gleich sehen werden). Berechtigt ablehnen kann er das aber nur, wenn er einen wirksamen Tarifvertrag zur Vertragsgrundlage macht.

Schon "Equal Payment" ist schwierig umsetzbar

Zunächst einmal ist eines wichtig zu verstehen: Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) spricht nicht von "Equal Payment"; es verlangt mehr, nämlich die Geltung "der wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts". Viele Verleiher meinen es scheinbar gut und schreiben in ihre Verträge "erhält mindestens das gleiche Entgelt wie vergleichbare Beschäftigte im Entleihbetrieb" – aber sie vergessen damit die andere Hälfte, nämlich die weiteren "wesentlichen Arbeitsbedingungen".

Nun ist schon schwierig genug, "Equal Payment" darzustellen. Klar gehört das Grundentgelt dazu. Ziemlich sicher auch einschlägige Zulagen wie Schicht-, Feiertags-, Mehrarbeitszuschläge. In der Metall- und Elektro-Industrie haben wir zumeist Leistungszulagen - und da fängt das Problem spätestens an: wer führt die Leistungsbeurteilung durch? Eigentlich müsste das der Verleiher als Arbeitgeber tun, der aber häufig nicht in der Lage sein wird; der Entleiher wird sich zumeist scheuen.

Und dann das Thema von finanziellen Zuwendungen wie etwa Kindergartenzuschüssen: in der Kommentarliteratur findet man gute Argumente für wie auch gegen die Hereinnahme solcher Zuwendungen  in "Equal Pay" – also, was tun?

Aber, wir haben ja noch nicht über das "Mehr" gesprochen – "Equal Treatment". Was sind denn diese "wesentlichen Arbeitsbedingungen", die das AÜG nennt?

Die Kür: "Equal Treatment"

Nun, ein wenig blättern in der Arbeitsgesetze-Ausgabe führt uns zum Nachweisgesetz (NachwG). Hier finden wir zwar nicht den Begriff der wesentlichen "Arbeitsbedingungen", sondern den der wesentlichen "Vertragsbedingungen", aber das ist doch – so auch überwiegend die Literatur – ein brauchbarer Ansatz. Hier finden wir unter § 2 Nr. 6 NachwG wieder das Arbeitsentgelt (siehe oben), und uns wird klar dass Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen und "andere Bestandteile des Arbeitsentgelts" zu berücksichtigen sind.

Dann aber auch: Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs und Kündigungsfristen. Hier wird es freilich spannend. Denn nahezu jeder Branchentarifvertrag hat unterschiedliche Kündigungsfristen. Wenn aber die Kündigungsfristen wesentliche Arbeitsbedingungen sind, dann müsste je nach Einsatzort eine andere Kündigungsfrist gelten. Klar kann man versuchen zu argumentieren, dass das keine Arbeitsbedingungen sondern Vertragsbedingungen seien, die nicht zu berücksichtigen wären. Aber, dass das eine Frage der Sichtweise ist, ist ebenso klar – und vor Gericht und auf hoher See gelten eben ähnliche Lösungsoptionen…

Noch gar nicht unterhalten haben wir uns bei der Gelegenheit über Sozialleistungen. Nein, ich meine nicht die Gemeinschaftseinrichtungen und -dienste aus § 13b AÜG (darüber alleine könnte man Bücher schreiben), sondern solche wie Jubiläumsgelder, oder - hohe Kunst - betriebliche Altersversorgung. Gerade Letztgenannte ist besonders kritisch; natürlich ist der Wert einer Altersversorgung wirtschaftlich bewertbar und geldwert auszahlbar (so der Ansatz von Schüren), aber wenn statt der Altersversorgung eine Geldleistung fließt - ist das wirklich "Equal Treatment"? Die andere Lösung: der Verleiher beschickt die Altersversorgung für seine Mitarbeiter immer mit den Werten aus dem Entleihbetrieb – sehr praktikabel klingt das nicht.

Fazit: "Equal Treatment" ist nicht machbar

Meine These ist einfach: "Equal Treatment" kann überhaupt nicht "richtig" gemacht werden. Angesichts der Folgen (Übernahmeverpflichtung durch den Entleiher; Nachhaftung für SV-Beiträge durch den Entleiher) kann auch niemand ernsthaft erwarten, dass die offenen Fragen hierzu zu Gerichte getragen werden. Vielleicht war das ja auch die Intention des Gesetzgebers – hinein in die Tarifbindung, denn alles andere ist nicht machbar. "Hòni soit qui mal y pense!"

Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU). blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.