Datenschutz: Zeiterfassung per Fingerabdruck zulässig?

Ein Arbeitnehmer ist nicht zu einer Zeiterfassung mittels eines Fingerabdruck-Scanners verpflichtet. Weigert sich der Arbeitnehmer, ist diese keine Pflichtverletzung, die eine Abmahnung rechtfertigt. Hiermit bestätigt das LAG Berlin-Brandenburg die vorhergegangene Entscheidung des Arbeitsgerichtes.

Arbeitgeber sind nach dem EuGH-Urteil vom 14. Mai 2019 (C-55/18) zukünftig verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung zu verwenden. Wie der deutsche Gesetzgeber diese Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgestaltet, bleibt weiterhin abzuwarten. In vielen Unternehmen haben digitale Zeiterfassungssysteme schon längst die alte Stechuhr abgelöst. Bei der Einführung dieser Zeiterfassungssysteme sind insbesondere die Grenzen des Datenschutzes zu beachten.

Wie ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg zeigt, sind gerade Zeiterfassungssysteme, die biometrische Daten der Mitarbeiter erfassen, datenschutzrechtlich bedenklich. Danach ist ein System, das mit der Erkennung von Fingerabdrücken funktioniert, ohne Einwilligung der Beschäftigten unzulässig.

Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer, der als MTR-Assistent in einer Praxis beschäftigt ist, auf Entfernung von Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Der Hintergrund war folgender: Der Arbeitgeber führte im August 2018 ein neues Zeiterfassungssystem ein, bei dem sich die Mitarbeiter mit ihrem Fingerabdruck an- und abmelden müssen. Dabei erfolgt ein Abgleich des Fingerabdrucks mit zuvor im Zeiterfassungsterminal gespeicherten Daten. Hierfür werden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters sogenannte Minutien, also individuelle Fingerlinienverzweigungen, mit einem speziellen Algorithmus extrahiert und im Zeiterfassungsterminal gespeichert.

Der Mitarbeiter weigerte sich, das Zeiterfassungssystem zu nutzen und erteilte keine Einwilligung hierfür. Aus diesem Grund erteilte der Arbeitgeber ihm insgesamt zwei Abmahnungen. 

Verarbeitung biometrischer Daten erforderlich?

Vor dem Arbeitsgericht Berlin klagte der Arbeitnehmer auf Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. Der Arbeitgeber hielt die von ihm erteilten Abmahnungen für gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer habe zwar seine Einwilligung zur Zeiterfassung per Fingerabdruck nicht erteilt, die Verarbeitung der Daten sei aber erforderlich. Dies begründete er damit, dass alle anderen Zeiterfassungssysteme manipulierbar seien. Zudem würde kein kompletter Fingerabdruck genommen, sondern nur die Minutien erfasst.   

ArbG Berlin: Arbeitnehmer muss Zeiterfassungssystem per Fingerabdruck nicht nutzen

Die Klage des Arbeitnehmers auf Entfernung seiner Abmahnungen aus der Personalakte hatte vor dem Arbeitsgericht Berlin Erfolg. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet war, das Zeiterfassungssystem per Fingerabdruck zu nutzen. Damit seien die zwei Abmahnungen aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen.

Die Richter stellten zunächst fest, dass es sich bei dem verwendeten Minutiendatensatz um biometrische Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie um personenbezogene Daten nach § 26 Abs. 3 BDSG handelt.

Keine Verarbeitung der personenbezogenen Daten erforderlich

Eine Verarbeitung dieser besonderen Daten ist generell zunächst verboten. Sie ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn entweder eine freiwillige Einwilligung des Arbeitnehmers oder eine Kollektivvereinbarung vorhanden ist oder aber die Verarbeitung der Daten erforderlich ist. Da Einwilligung oder Kollektivvereinbarung nicht vorlagen, prüften die Richter, ob die Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 3 BDSG erforderlich war. Der Arbeitgeber darf danach personenbezogene Daten verarbeiten, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Das Arbeitsgericht Berlin kam zum Schluss, dass die Arbeitszeiterfassung durch Fingerprint nicht erforderlich ist.

Zeiterfassung per Fingerprint nur bei konkretem Missbrauchsverdacht

In der Urteilsbegründung wiesen die Richter darauf hin, dass die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen durch die Verwendung der biometrischen Daten erheblich beeinträchtigt würden. Die Tatsache, dass vereinzelt ein Missbrauch von Zeiterfassungssystemen durch Falscheintragungen oder im Falle einer Stempelkarte durch "mitstempeln" durch Kollegen auftreten könne, mache eine Kontrolle per Fingerprint nicht nötig. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten sich rechtstreu verhalte. Nur bei konkreten Nachweisen über erhebliche Missbräuche könne eine solche Maßnahme aus Sicht des Gerichts erforderlich sein.

LAG bestätigt Erfassung von biometrischen Daten

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun das Urteil des ArbG Berlin bestätigt. Der Arbeitnehmer müsse das Zeiterfassungssystem nicht nutzen. Auch wenn das System nur Minutien verarbeite, handle es sich um biometrische Daten. Eine Verarbeitung solcher Daten sei nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO aber nur ausnahmsweise möglich. 

Erforderlichkeit zur Arbeitszeiterfassung nicht ersichtlich

Für den vorliegenden Fall könne auch ausgehend von der Bedeutung der Arbeitszeiterfassung nicht festgestellt werden, dass eine solche Erfassung unter Einsatz biometrischer Daten im Sinne dieser Bestimmungen erforderlich sei. Entsprechend sei eine Erfassung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nicht zulässig. Die Weigerung der Nutzung stelle deshalb keine Pflichtverletzung dar, der Kläger könne die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum BAG nicht zugelassen.

Hinweis: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.10.2019, Az: 29 Ca 5451/19 und LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2020, 10 Sa 2130/19


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Schlagworte zum Thema:  Arbeitszeiterfassung, Urteil, Datenschutz