
Eine ständige Erreichbarkeit ist mittlerweile für viele Beschäftigte Alltag - für manche selbst im Urlaub. Aber müssen Arbeitnehmende über das Diensthandy erreichbar sein und Arbeits-E-Mails checken? Oder gibt es ein Recht auf Nichterreichbarkeit?
In den ersten Bundesländern haben die Sommerferien begonnen. Für viele heißt das: endlich Urlaub! Ein paar Wochen im Sommer sorgen für mehr Motivation und Energie am Arbeitsplatz. Doch viele Beschäftigte gönnen sich auch in ihren Ferien keine Zeit zum Abschalten vom Job. Durch die technischen Möglichkeiten ist mobiles Arbeiten für viele mittlerweile Alltag - nicht nur im Büro oder Homeoffice, sondern fast von überall. Durch die enorme Flexibilität nimmt die Bereitschaft von Beschäftigten, auch im Urlaub zu arbeiten, weiter zu.
Der Regelfall: in der Freizeit Erholung statt Erreichbarkeit
Viele Berufstätige fürchten offensichtlich Konsequenzen, wenn sie außerhalb der Arbeitszeiten mal nicht für den Arbeitgeber oder Kollegen erreichbar sind. Wie ist dies rechtlich geregelt? Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind Beschäftigte in Deutschland grundsätzlich nur zu einer Erreichbarkeit im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit verpflichtet. Arbeitsfreie Zeit soll der Erholung dienen. Im Normalfall dürfen Diensthandy oder Laptop also abends, im Urlaub, an Feiertagen oder am Wochenende ausgeschaltet bleiben. Mögliche dienstliche Anrufe müssen nicht beantwortet werden.
Das Gleiche gilt für E-Mails oder Kurznachrichten – auch diese dürfen grundsätzlich ignoriert werden. Denn auch dies ist Arbeit und dient nicht der Erholung. Etwas anderes gilt selbstverständlich bei Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. In diesen Fällen müssen Mitarbeitende permanent erreichbar sein.
Was gilt für Führungskräfte?
Für Führungskräfte gilt rechtlich grundsätzlich nichts anderes. Auch für sie ist Freizeit zunächst arbeitsfreie Zeit. Eine Pflicht, permanent erreichbar zu sein, besteht nicht. Allerdings sind viele Führungskräfte freiwillig in Absprache mit dem Unternehmen für dringende Notfälle erreichbar, da es noch mehr als bei Arbeitnehmenden in ihrem eigenen Interesse ist, dass die Geschäfte auch während ihrer Abwesenheit gut laufen.
Erreichbarkeit rund um die Uhr: Blick in den Arbeitsvertrag hilft
Wann kann eine Erreichbarkeit auch außerhalb der Arbeitszeiten Pflicht sein? Gerade in höheren Positionen finden sich im Arbeitsvertrag häufig Regelungen zur Erreichbarkeit. In diesen Klauseln wird beispielsweise vereinbart, dass der Mitarbeitende gewährleisten muss, auch an freien Tagen innerhalb bestimmter Zeiten erreichbar zu sein oder einmal täglich seine Arbeitsmails abzurufen.
Allerdings gilt hier: Nicht jede Regelung im Arbeitsvertrag, die eine Erreichbarkeit auch am Wochenende, an Feiertagen oder im Urlaub vorsieht, ist auch rechtlich zulässig. Grundsätzlich sind hier die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Pausen, Ruhezeiten oder der Urlaub dienen der Erholung und Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit letztendlich dem Gesundheitsschutz.
Hier muss zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und den Urlaubstagen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt, unterschieden werden. Nur für diese vertraglich vereinbarten Urlaubstage kann auch für die Erreichbarkeit etwas anderes gelten.
Kündigung wegen mangelnder Erreichbarkeit ist zweifelhaft
Mitarbeitende, die Anrufe vom Chef in ihrer Freizeit verweigern, müssen auch nicht mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber rechnen. Während des gesetzlichen Erholungsurlaubs oder gesetzlich vorgegebener Ruhezeiten haben Beschäftigte keine Pflicht zu arbeiten. Eine Kündigung wegen mangelnder Erreichbarkeit wäre also unwirksam. Eine solche Kündigung könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gegen eine Pflicht zur Erreichbarkeit verstoßen hat, die zulässig im Arbeitsvertrag vereinbart war.
Eine solche verhaltensbedingte Kündigung wäre jedoch ohne vorherige einschlägige Abmahnung ebenfalls unwirksam. Dem Arbeitnehmenden müsste zunächst ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen werden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist. Das LAG Schleswig-Holstein entschied kürzlich im Fall eines Sanitäters, der gegen seine Abmahnung vorging, dass Arbeitnehmende dienstliche SMS in der Freizeit nicht lesen müssen, auch nicht wenn es um kurzfristige Dienstplanänderungen geht. Die Sache ist allerdings beim BAG anhängig.
EU-Parlament plant Recht auf Nichterreichbarkeit
Bislang gibt es keine rechtliche Vorschrift zu einer Nichterreichbarkeit. Bereits 2021 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit entschieden, ein Recht auf Nichterreichbarkeit für Arbeitnehmende auf den Weg zu bringen. Die Kommission muss nun tätig werden und einen gesetzlichen Rahmen schaffen, den die Mitgliedsstaaten dann umsetzen sollen. Mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit soll dann verbindlich geregelt werden, dass Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeit keine arbeitsbezogenen Aufgaben erledigen müssen. Diensthandy und Laptop dürfen also aus bleiben, ohne dass Beschäftigte negative Folgen befürchten müssen.
EU-Richtlinie zu Erreichbarkeit: Verzicht auf Telefonate oder E-Mails im Urlaub und in der Freizeit
Außerhalb der regulären Arbeitszeiten, an Feiertagen, am Wochenende oder im Urlaub sollen sie weder Telefonate, E-Mails oder andere Formen der digitalen Kommunikation führen müssen. Ein solches Recht ist aus Sicht der Abgeordneten mittlerweile unerlässlich zum Schutz der Arbeitnehmenden, da die Gesundheit unter dem Druck ständiger Erreichbarkeit und durch übermäßig lange Arbeitszeiten leide.
Umsetzung durch Mitgliedstaaten: keine Entlassungen oder Benachteiligungen
Wie soll dieses Recht umgesetzt werden? Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Arbeitnehmenden dieses Recht tatsächlich in Anspruch nehmen können. Das soll zum Beispiel von den Sozialpartnern in Tarifverträgen vereinbart werden. Dabei müsse sichergestellt werden, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden in keiner Weise benachteiligen: Sie dürften nicht schlechter behandelt, angeprangert oder gar entlassen werden.
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SMS vom Chef muss in der Freizeit nicht gelesen werden
Stimmt so nicht. Es genügt abzumahnen, auch wenn der Abmahngrund rechtlich nicht haltbar ist, dann einen Grund zu konstruieren oder herauszufordern aus dem gleichen Abmahnunsgrundtatbedtand ( hier: verhaltensbedingt), und schon ist man vor Gericht, die Richter prüfen das gar nicht, schlagen eine einvernehmliche Regelung vor und raus bist du. Verabschieden wir uns im Arbeitsrecht vollständig von der Vorstellung es handele sich um Rechtsprechung. Es ist egal was im Gesetz steht, im Arbeitsrecht macht jeder Richter/in/* wozu gerade Lust besteht, in München dies, in Köln das, in Hamburg ganz was anderes. Und wenn der Richter/in/* Hunger hat, dann ist man ohne Prüfung im Schnellverfahren seinen Job los.
Aber es betrifft den AG genauso wie den AN.
Die Richter befassen sich mit den Schriftsätzen nur noch oberflächlich.