Inter oder divers: Arbeitsrechtliches zum dritten Geschlecht

In einer Entscheidung vom Oktober 2017 hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung aufgegeben, das Personenstandsgesetz zu ändern. Die zu Jahresbeginn umgesetzte Einführung eines dritten Geschlechts wirkt sich auf arbeitsrechtliche Fragen aus – auch, aber nicht nur im Recruiting.

Bis Ende 2018 war im Personenstandsgesetz (§ 22 Abs. 3, § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG) normiert, dass bei einer Person, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht angehört, im Geburtenregister kein Geschlecht eingetragen wird. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss des BVerfG vom 10.10.2017, Az. 1 BvR 2019/16) für verfassungswidrig erklärt mit der Begründung, dass die „bloße Löschung eines binären Geschlechtseintrages den Eindruck fehlender Geschlechtlichkeit erzeuge“. Die Richter stellen mit dem Beschluss klar, dass Geschlecht im Sinne des Grundgesetzes „auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich sein kann“.

Nach BVerfG-Entscheidung: Gesetzgeber ändert Personenstandsrecht

Grundlage des Beschlusses war eine Klage einer intersexuellen Person auf Eintragung der Geschlechterangabe „inter/divers“, hilfsweise „divers“ in das Geburtenregister. Als intersexuell werden Menschen bezeichnet, die aus biologischer Sicht weder eindeutig männlich noch weiblich sind. Vom Beschluss nicht erfasst sind sogenannte Transsexuelle. Bei diesen lässt sich das Geschlecht biologisch eindeutig bestimmen, sie ordnen sich jedoch aus subjektivem Empfinden einem bestimmten Geschlecht zu.

Mit dem Beschluss hatte das BVerfG den Gesetzgeber aufgefordert, das Personenstandsrecht bis Ende 2018 zu ändern. Danach sollte der Gesetzgeber den Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, eine passende Eintragungsmöglichkeit im Geburtenregister ermöglichen. Mit der Einführung eines dritten Geschlechts in das PStG ist der Gesetzgeber dieser Vorgabe nachgekommen – mit Auswirkungen auf einige Felder des Arbeitsrechts, zum Beispiel auf Stellenausschreibungen, Entgeltgleichheit, Kleiderordnung oder sanitäre Räume.

Diskriminierung durch Stellenausschreibung?

Es gilt der Grundsatz, dass Arbeitgeber gemäß § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Person nicht aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Identität benachteiligen dürfen. Ein Bewerber kann dann auf einen Verstoß gegen das AGG klagen, wenn er Tatsachen vortragen kann, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitgeber das Geschlecht zum Entscheidungskriterium erhoben haben könnte. Dieser Tatsachenvortrag führt dazu, dass eine Diskriminierung zu vermuten ist. Es ist dann Pflicht des Arbeitgebers zu beweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Dies ergibt sich aus der Beweislastumkehr des § 22 AGG.

Der Arbeitgeber muss somit beachten, wie er eine Stelle geschlechtsneutral ausschreibt. Andernfalls schafft er bereits Vermutungstatsachen für eine Benachteiligung. Bislang galt eine Stellenausschreibung als geschlechtsneutral, wenn sowohl männliche als auch weibliche Tätigkeitsbezeichnungen verwendet werden. Dies ist mit dem Beschluss des BVerfG nicht mehr vereinbar, da dann ein Vermutungstatbestand für eine Benachteiligung des dritten Geschlechts geschaffen wird.

Drittes Geschlecht: Stellenausschreibung um Symbol oder Zusatz ergänzen?

Eine mögliche Alternative dürfte sein, bestimmte Symbole (* oder _) zu verwenden, also zum Beispiel „Sachbearbeiter*In“ oder „Sachbearbeiter_In“. Allerdings sehen einige Vertreter in dieser Ausdrucksweise bereits Anzeichen für eine Diskriminierung, da Angehörige des dritten Geschlechts zu reinen Symbolen herabgesetzt werden. Möglich und in jedem Fall im Einklang mit dem Gesetz ist das Vorgehen über Zusätze zu Stellenausschreibungen. Ein einheitlicher Standard hat sich hierbei bisher nicht etabliert. Gängig und in der aktuellen Praxis zu finden sind Zusätze wie (m/w/d) oder (m/w/x).

Bei Online-Bewerbungen ergibt sich die gleiche Problematik wie oben beschrieben. Da es sich meist um standardisierte Eingabemasken handelt, bei denen man oft nur zwischen männlich und weiblich beziehungsweise Herr und Frau wählen kann, wird hier eine Vermutungstatsache für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geschaffen. Daher sollte eine dritte Option „divers“ geschaffen werden.

Anrede im Unternehmen: auf die Formulierung achten

Zudem stellt sich die Frage, wie man intersexuelle Personen im Bewerbungsverfahren oder im Betrieb korrekt anspricht. Probleme dürften sich hier ergeben, wenn man Anreden wie „Sehr geehrte Frau, sehr geehrter Herr“ oder die Pronomen „sie/er“ verwendet. Neutraler wäre wohl, wenn der Arbeitgeber, generell gültig im Unternehmen, klarstellen würde, dass nur noch eine Anredeform benutzt wird und diese für alle Geschlechter gilt, zum Beispiel „Liebe Mitarbeiter“ oder „Liebe Bewerbende“. Auf einer Betriebsversammlung könnten die Anwesenden mit „Verehrte Anwesende“ angesprochen werden.

Kürzlich hat beispielsweise die Stadt Hannover für den dienstlichen Gebrauch auf neutrale Formulierungen umgestellt, also etwa: „Liebe Arbeitende“. Es wird sich durch den zukünftigen Sprachgebrauch zeigen, welche Formulierungen als genderneutral und diskriminierungsfrei gelten.

Eigene sanitäre Räume für inter- oder divers-geschlechtliche Personen

In § 6 Abs. 2 Satz 4 Arbeitsstättenverordnung ist vorgeschrieben, dass sanitäre Räume für „Männer und Frauen“ getrennt eingerichtet werden müssen oder eine getrennte Nutzung der Räume möglich ist. In diesem Zusammenhang müssten entweder auch dementsprechende Möglichkeiten für intersexuelle Menschen geschaffen werden oder der Arbeitgeber richtet Unisex-Toiletten und -Umkleiden mit zum Beispiel Einzelkabinen ein. Der Gesetzgeber könnte gegebenenfalls auch klarstellen, dass intersexuelle Menschen die Wahl haben, sich für eine der beiden Räumlichkeiten zu entscheiden. In der aktuellen Praxis geschieht dies in den Betrieben derzeit schon.

Auswirkungen auf die Förderung der beruflichen Gleichstellung

Insbesondere die Besetzung von Aufsichtsrats-, Vorstands- und oberen Führungspositionen wurden durch die medial so genannte „Frauenquote“ gesetzlich gefördert. Auch hier wird diese berechtige Förderung um die Förderung des dritten Geschlechts zu ergänzen sein. Dasselbe gilt für Vorschriften wie § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG, wo die Gleichstellung von Frauen und Männer als Aufgabe des Betriebsrats geregelt ist.

Kleiderordnung: geschlechtsneutrale Vorgaben vereinfachen

Ähnliches dürfte auch in Bezug auf Kleiderordnungen gelten. In vielen Branchen ist es üblich, dass es nach Geschlechtern getrennte spezifische Kleidervorgaben gibt. Auch hier können Anpassungen notwendig sein. Sinnvoll erscheint hier möglicherweise eine geschlechtsneutrale Kleiderordnung, die komplizierte Einzelregelungen vermeidet. Alternativ kann intersexuellen Menschen die Wahl zwischen den für Männer und den für Frauen ausgesuchten Kleidervorgaben gelassen werden.

Drittes Geschlecht: notwendige gesetzliche Anpassungen

Arbeitsrechtliche Gesetze, in denen derzeit explizit zwischen Männern und Frauen unterschieden wird (zu Beispiel im AGG, Entgelttransparenzgesetz oder im Mindestlohngesetz) oder die von einer prozentualen Verteilung hinsichtlich der Geschlechter oder einer Berücksichtigung „des“ Minderheitengeschlechts (wie etwa in § 15 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz) ausgehen, müssen geändert oder ergänzt werden, soweit sich darunter nicht ein dreigeschlechtliches System subsumieren lässt. Es könnte etwa nur der Begriff „Arbeitnehmer“ verwendet werden und bei der Begriffsdefinition klargestellt werden, dass hierunter alle Geschlechter fallen.

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