BAG, Urteil v. 23.3.2017, 6 AZR 161/16

Bei sog. ungeplanten Überstunden i. S. v. § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, steht den betroffenen Arbeitnehmern Überstundenzuschlag zu. Eine Ausgleichsmöglichkeit innerhalb des Schichtplanturnus besteht nicht.

Auch Teilzeitbeschäftigten steht bei täglicher Abweichung "sofort" ein Zuschlag zu.

Diese Grundsätze zu Teilzeit gelten nicht nur bei Schicht-/Wechselschichtarbeit, sondern generell (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

Sachverhalt

Die Beklagte beschäftigt den Kläger in Teilzeit (75 %, mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 29,25 Wochenstunden) als Gesundheits- und Krankenpfleger. Der TVöD-K findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Beklagte setzt ihn auf der Grundlage von monatlich im Voraus erstellten Schichtplänen in Wechselschicht ein. In der Zeit von Dezember 2012 bis April 2014 überschritt der Kläger auf Anordnung der Beklagten mehrfach die für ihn im Schichtplan vorgesehene tägliche Arbeitszeit, sodass er teilweise wöchentlich mehr als 29,25, aber weniger als 39 Stunden arbeitete. In 4 Kalenderwochen ergab sich eine wöchentliche Arbeitszeit von über 39 Stunden. Die Beklagte glich die über 29,25 Wochenstunden hinausgehenden Arbeitsstunden grds. im Monatsrhythmus des Schichtplans durch Freizeit aus. Sie leistete keine Überstundenzuschläge. Der Kläger brachte jedoch vor, diese Stunden seien nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-K zuschlagspflichtig; denn die hiernach von ihm geltend gemachten Zuschläge für "ungeplante" Überstunden der 1. Alternative des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K entstünden zwingend und ohne Ausgleichsmöglichkeit an jedem einzelnen Arbeitstag, um die besondere Erschwernis bei Wechselschichtarbeit auszugleichen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Stunden, die der Kläger über die im Schichtplan festgesetzte tägliche Arbeitszeit hinaus geleistet hat, Überstunden i. S. v. § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K seien und nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-K mit den eingeklagten Zuschlägen zu vergüten sind.

Zunächst führte das Gericht unter Verweis auf das Urteil des BAG vom 25.4.2013 (Az. 6 AZR 800/11) aus, dass § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K nur sinnvoll in dieser Lesart sei: "Abweichend von Abs. 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die – bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (i. S. v. § 6 Abs. 1 TVöD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden." Denn, so das BAG, in dieser Lesart trennt das Begriffspaar "und/oder" 2 Alternativen des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K. Die 1. Alternative betrifft den Sachverhalt, in dem zu den im Schichtplan festgesetzten "täglichen" Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden. Solchen "ungeplanten" Überstunden stehen die Fälle der 2. Alternative gegenüber, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bereits durch die im Schichtplan angeordneten Stunden überschritten wird. Die Ausgleichsmöglichkeit im Schichtplanturnus bezieht sich nach Auffassung des Gerichts jedoch nur auf die 2. Alternative dieser Vorschrift.

Die hier vom Kläger als Überstunden geltend gemachten Arbeitszeiten erfüllen die Voraussetzungen der 1. Alternative des in dieser Weise verstandenen § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K. Das Gericht entschied hierzu, dass "bei sog. ungeplanten Überstunden i. S. v. § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, besteht nach § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 2 TVöD-K anders als im Fall sog. eingeplanter Überstunden keine Möglichkeit des Freizeitausgleichs. Der betroffene Arbeitnehmer hat Anspruch auf Überstundenzuschlag. Das gilt auch dann, wenn er in Teilzeit arbeitet und über seine Teilzeitquote hinaus Überstunden leistet, die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten jedoch nicht überschreitet... (…) … Eine Auslegung des § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K, die unter vollschichtig eingesetzte Teilzeitbeschäftigte bei ungeplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus von den Überstundenzuschlägen des § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-K ausschlösse, verstieße gegen § 4 Abs. 1 TzBfG." Das Gericht begründete dies damit, dass wenn für die Überstundenzuschläge eines unter vollschichtig beschäftigten Arbeitnehmers die Voraussetzung der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in § 7 Abs. 7 TVöD-K herangezogen und damit eine identische Belastungsgrenze für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte festgelegt würde, für Teilzeitbeschäftigte eine höhere individuelle Belastungsgrenze gezogen würde, da für Teilzeitbeschäftigte die Grenze der Entstehung ihres Anspruchs nicht proportional zu ihrer Arbeitszeit vermindert w...

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