Das Weisungsrecht ist nicht nur ein Recht des Arbeitgebers zur Gestaltung des konkreten Arbeitsverhältnisses. Die Möglichkeit, dadurch Einfluss auf die konkreten Umstände zu nehmen, kann auch zu einer Verpflichtung führen, das Weisungsrecht zum Schutz der Beschäftigten auszuüben.[1]

 
Praxis-Beispiel

Die Beschäftigten haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt zu werden. Der Arbeitgeber hat zwar einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der zur Minimierung oder Vermeidung von Gesundheitsgefahren zu treffenden Maßnahmen. Neben technischen und organisatorischen Vorkehrungen kann der Arbeitgeber unter Umständen auch verpflichtet sein, sein Direktions- und Weisungsrecht zum Schutz der Beschäftigten auszuüben

Dabei hat der Arbeitgeber jedoch nicht nur die Interessen eines Einzelnen oder einer Gruppe von Beschäftigten zu beachten, sondern alle von den Beeinträchtigungen Betroffenen. Letztendlich können die Beschäftigten aber nicht eine konkrete Weisung für sich beanspruchen. Es bleibt weiterhin dem Arbeitgeber überlassen, auf welche Art und Weise er der Beeinträchtigung begegnet, solange die Maßnahme geeignet ist, die Gefahren für die Beschäftigten zu beseitigen.[2]

Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX a. F. bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben Schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Beschäftigte gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch auf anderweitige – auch vertragsfremde – Beschäftigung ergeben, wenn die vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen der Behinderung nicht mehr ausgeübt werden kann.[3] Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten.[4] Ebenfalls ist es ihm untersagt, seine Organisationsfreiheiten entgegen dem Grundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG gezielt und manipulativ einzusetzen, um den nach Maßgabe von § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX bestehenden Beschäftigungsanspruch von schwerbehinderten und mit ihnen gleichgestellten Beschäftigten zu umgehen oder eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zulasten einzelner Bewerber zu steuern.[5]

Ein Anspruch auf (erneute) Ausübung des Weisungsrechts kann sich ebenfalls aus der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ergeben, wenn dem Beschäftigten die Leistungserbringung nach der 1. Weisung aus tatsächlichen oder persönlichen Gründen unmöglich geworden ist.[6] Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschäftigte die erneute Ausübung des Weisungsrechts verlangt und dem Arbeitgeber mitteilt, wie eine Beschäftigung ohne Leistungshindernisse aussehen kann. Dem Verlangen muss der Arbeitgeber nachkommen, wenn ihm die in der Zuweisung einer anderen Tätigkeit liegende Neubestimmung der zu bewirkenden Arbeitsleistung zumutbar und rechtlich möglich ist.[7]

Die Beschäftigten haben ebenfalls keinen Anspruch auf Durchführung eines Verfahrens im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM, § 167 Abs. 2 SGB IX).

"Der Gesetzgeber hat mit § 167 Abs. 2 SGB IX eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen, die das bEM als dialogisches, kooperatives und ergebnisoffenes Klärungsverfahren etabliert und zugleich die Rechte und Pflichten der Beteiligten innerhalb dieses Verfahrens abschließend regelt. Die allgemeinen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB und die Schutzpflichten aus § 618 BGB können es zwar gebieten, dass der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, um Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, mit dem Ziel, die Beschäftigung des Arbeitnehmers zu sichern. Von diesen Einzelmaßnahmen ist jedoch das in § 167 Abs. 2 SGB IX zusammengefasste und spezialgesetzlich abschließend geregelte Klärungsverfahren zu unterscheiden."

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