BAG, Beschluss v. 11.12.2018, 1 ABR 12/17

Leitsatz (amtlich)

Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der ein Arbeitgeber zu einem Personalgespräch, das er mit einem Arbeitnehmer führt, bevor er aufgrund eines diesem vorgeworfenen Fehlverhaltens eine arbeitsrechtliche Maßnahme ergreift, gleichzeitig auch den Betriebsrat zu laden hat, ist nach § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber, Betreiber eines Berufsförderungswerks, hatte mit dem dort gebildeten Betriebsrat eine Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV) geschlossen, die u. a. folgenden Inhalt hatte:

„§ 4 Nr. 4.1 Satz 1:

Zu Gesprächen, die im Rahmen des Prozesses zur Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung zwischen Geschäftsleitung, Abteilungsleitung und den Arbeitnehmern stattfinden, in denen es sich um disziplinarische (arbeitsrechtliche) Maßnahmen handelt, wird der Betriebsrat gleichzeitig zu Gesprächen eingeladen.”

Da der Arbeitgeber der Auffassung war, dass diese Regelung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer verstoße, beachtete er die Regelung nicht mehr und teilte dies auch dem Betriebsrat mit. Dieser beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht den Arbeitgeber zur Einhaltung der Regelung zu verpflichten.

Die Entscheidung

Der Antrag des Betriebsrats hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Das Gericht entschied, dass § 4 Nr. 4.1 Satz 1 der RBV ungültig sei, da die Regelung gegen § 75 Abs. 2 BetrVG i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verstoße.

Grund hierfür sei, dass die Parteien durch das in § 4 RBV vereinbarte Verfahren gegen die ihnen obliegende Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, verstießen. Zwar könne auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch verfassungsgemäße Gesetze eingeschränkt werden, jedoch müsse dieser Eingriff stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Im vorliegenden Fall lag nach Auffassung des BAG ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers in der gleichzeitigen Einladung des Betriebsrats bei Personalgesprächen; denn aufgrund der daraus folgenden Information würden alle Mitglieder des Betriebsrats erfahren, dass einem Arbeitnehmer aufgrund eines (etwaigen) fehlerhaften Verhaltens eine disziplinarische Maßnahme drohe; und dieser Eingriff sei, so das Gericht, nicht verhältnismäßig. Zudem sei dieses Verfahren auch nicht erforderlich, da der Schutz des Arbeitnehmers als strukturell unterlegene Partei gegenüber dem Arbeitgeber schon dann ausreichend sichergestellt sei, wenn die Initiativlast für die Hinzuziehung des Betriebsratsmitglieds beim Arbeitnehmer selbst liege. Da der Arbeitnehmer aufgrund der Regelung in der RBV auch nicht selbst entscheiden könne, welches Betriebsratsmitglied am Gespräch teilnehmen solle und keine Pflicht zur Verschwiegenheit über dessen Inhalt für das am Gespräch teilnehmende Betriebsratsmitglied geregelt war, fehle es auch an der Angemessenheit des § 4 RBV.

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