BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18

Das vorsätzliche falsche Ausfüllen von Überstundenformularen kann durch den damit einhergehenden Vertrauensverlust eine außerordentliche Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung – rechtfertigen. Ein Einverständnis eines Vorgesetzten ändert hieran prinzipiell nichts. Es ist insoweit entscheidend, ob für den Arbeitnehmer erkennbar war, dass der Vorgesetzte zum Abschluss solcher Vereinbarungen berechtigt war.

Sachverhalt

Der Kläger, der seit dem Jahre 2008 mit Anrechnung einer Beschäftigungszeit ab 2001 bei der Beklagten beschäftigt war, wurde nach der EG 8 des TVöD/VKA vergütet. Zudem erhielt er eine Vergütung für geleistete Überstunden, wozu er der Beklagten monatlich Forderungsnachweise vorzulegen hatte, aus denen keine detaillierte Auflistung, sondern nur das monatliche Gesamtaufkommen seiner Überstunden ersichtlich war. Darüber hinaus erhielt er eine Erschwerniszulage – dies jedoch eigentlich nur bis zur Ernennung zum Abteilungsleiter im März 2010. Zunächst wurde ihm die Zulage bis Januar 2012 weiterbezahlt. Dann teilte ihm die Personalreferentin mit, dass ihm die Zulage nicht mehr zustehe und er sie evtl. für die Vergangenheit zurückzahlen müsse. Da der Kläger dies als Missachtung seiner Arbeit empfand, schlug die Personalreferentin dem Kläger in Anwesenheit seines Vorgesetzten vor, zur Kompensation des Wegfallens der Erschwerniszulage zusätzlich 7 Überstunden monatlich aufzuschreiben, während man versuche, eine Höhergruppierung zu erreichen. Anlässlich des Jahresabschlusses für das Jahr 2015/2016 fiel jedoch der erhebliche Umfang an Überstunden des Klägers auf. Im Rahmen seiner Anhörung klärte er die Beklagte über den "Grau-Ausgleich" für die verweigerte Erschwerniszulage auf. Er wurde daraufhin fristlos gekündigt. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und berief sich u. a. auf die Absprache mit der Personalreferentin und seinem direkten Vorgesetzten. Er habe sich darauf verlassen dürfen, dass diese zulässige Lösungsmöglichkeiten vorschlagen und befugt seien, rechtlich verbindliche Erklärungen abzugeben. Er habe also annehmen dürfen, dass sein Verhalten nicht vertragswidrig sei.

Die Entscheidung

Während die Vorinstanzen der Kündigungsschutzklage stattgaben, hatte die Klage vor dem BAG keinen Erfolg. Das Gericht urteilte, dass das vorsätzlich falsche Ausfüllen von Formularen zur Erfassung von Überstunden an sich geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Es komme hierbei maßgeblich auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an; denn ein Arbeitgeber müsse insbesondere dann, wenn er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer selbst übertragen hat, auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Mit einer wissentlichen und vorsätzlichen falschen Dokumentation der eigenen Arbeitszeit verletze der Arbeitnehmer jedoch in erheblichem Maße seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber. Im vorliegenden Fall legte der Kläger der Beklagten über einen Zeitraum von 5 Jahren monatlich Forderungsnachweise vor, in denen teilweise nicht geleistete Überstunden angegeben waren. Er handelte hierbei vorsätzlich und mit dem Ziel, den Wegfall der Erschwerniszulage auszugleichen. Entgegen seiner Auffassung unterlag er auch keinem unverschuldeten Rechtsirrtum. Er musste vielmehr nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage damit rechnen, dass er nicht anstelle der Erschwerniszulage zusätzliche Überstunden abrechnen darf. Er durfte insbesondere auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte entsprechende Vereinbarungen schließen oder billigen würde; denn Erklärungen der Personalreferentin und/oder des Vorgesetzten wirkten nicht nach § 164 Abs. 1 BGB unmittelbar für und gegen die Beklagte, sondern durften nur vom Fachbereich Personal der Beklagten getroffen werden, was dem Kläger auch bekannt war.

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