Zu unterscheiden ist zwischen dem Entstehen und der Fälligkeit des Urlaubsanspruchs. Nach allgemeinen Grundsätzen entsteht ein Anspruch, wenn die in der Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Er wird fällig, wenn sich die Leistungspflicht des Schuldners aktualisiert, d. h. der Schuldner den Teilanspruch zu erfüllen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und überwiegender Meinung in der Literatur entsteht der Urlaubsanspruch erstmalig nach Erfüllung der Wartezeit und anschließend jeweils mit Jahresbeginn. Nach § 271 Abs. 1 BGB bedeutet dies, dass der Urlaubsanspruch mit dem Entstehen fällig ist, d. h. nach erfüllter Wartezeit wird der Vollurlaubsanspruch jeweils mit Beginn des Jahres fällig.[1] Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr (§ 1 BUrlG). Endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, ist die Kürzungsbestimmung des § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD zu beachten, sodass der Anspruch nur im gekürzten Umfang besteht. Steht die Beendigung schon bei Jahresbeginn fest, entsteht von vornherein nur ein entsprechend gekürzter Urlaubsanspruch.

Vor Ablauf der Wartezeit entsteht der Vollurlaubsanspruch nicht. Er ist auch nicht aufschiebend bedingt.

Etwas anderes gilt für Teilurlaubsansprüche. Erfüllt der Arbeitnehmer die Wartezeit im Kalenderjahr nicht oder endet das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit, kommen nur Teilurlaubsansprüche in Betracht (§ 5 Abs. 1a oder b BUrlG). Bezüglich des Entstehens und der Fälligkeit von Teilurlaubsansprüchen sind jedoch Besonderheiten zu beachten. Der Teilurlaubsanspruch entsteht bei einem Arbeitsverhältnis, welches frühestens am 1.7. eines Kalenderjahres beginnt oder auf 6 Monate und weniger befristet ist, nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG bereits mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses vollständig, da bei Beginn des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht, dass die Wartezeit nach § 4 BUrlG im Kalenderjahr nicht erfüllt werden kann.[2] Der Teilurlaubsanspruch wird mit dem Entstehen auch sofort fällig. Die Wartezeit nach § 4 BUrlG steht der Fälligkeit nicht entgegen, da ein Vollurlaubsanspruch nicht entstehen kann. Allerdings wird ein Beschäftigter diesen fälligen Anspruch kaum gegen den Willen des Arbeitgebers gemäß § 7 BUrlG geltend machen, da er ansonsten den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Wird er nicht vor Jahresende geltend gemacht, wird er auf Verlangen des Beschäftigten auf das gesamte nächste Kalenderjahr übertragen (§ 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG). Das Verlangen muss bis zum Ablauf des Urlaubsjahres erfolgen. Der Beschäftigte muss zumindest konkludent deutlich machen, dass der Urlaub in das nächste Jahr übertragen werden soll. Die bloße Nichtbeantragung von Urlaub ist kein konkludentes Übertragungsverlangen.[3] Liegt kein Verlangen vor, erfolgt die automatische Übertragung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das erste Quartal des Folgejahres, wenn die gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen vorliegen. Liegen sie nicht vor, geht der Urlaubsanspruch unter.

Bisher ist noch nicht entschieden, ob für diesen Fall auch eine Hinweispflicht des Arbeitgebers Voraussetzung für den Verfall ist. In konsequenter Anwendung der Rechtsprechung zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers[4]

ist davon auszugehen, dass der (Teil-)Urlaub ohne ein gegebenenfalls konkludentes Verlangen des Arbeitnehmers nur zum Jahresende verfällt, wenn der Arbeitgeber auf diesen Verfall auch hingewiesen hat.

 
Praxis-Beispiel

Beginnt nach der vertraglichen Vereinbarung das TVöD-Arbeitsverhältnis mit dem 1.7. eines Jahres, so ist nach den §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2, 2. Alt. BGB die Wartezeit mit dem 31.12. des Jahres vollendet. Gleichwohl entsteht kein voller Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen nach dem BUrlG, da dieser nicht mit, vielmehr nach Ablauf der Wartefrist beginnt. Der Arbeitnehmer hat nur einen Teilurlaubsanspruch von 6/12 (15 Urlaubstagen).[5] Dieser ist mit Beginn des Arbeitsverhältnisses entstanden und auch fällig geworden. Auf Verlangen des Beschäftigten wird er auf das gesamte nächste Jahr übertragen. Eine weitere Übertragung auf das übernächste Jahr scheidet aus. Ohne Verlangen wird er automatisch kraft Gesetzes übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, verfällt er, sofern der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen ist.

Aus der Bindung des Urlaubs an das Kalenderjahr ergibt sich auch, dass vor Beginn des Urlaubsjahres kein Urlaubsanspruch rechtswirksam erfüllt werden kann, auch nicht bei Vorliegen einer Betriebsvereinbarung. Gewährt der Arbeitgeber trotzdem Urlaub im Vorgriff, kann der Beschäftigte im folgenden Urlaubsjahr gleichwohl den gesamten Urlaub beanspruchen.[6]

[1] BAG, Urteil v. 28.11.1990, 8 AZR 570/89; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 1 BUrlG, Rz. 77 ff.; Friese, Urlaubsrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 175.
[2] ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 5 BUrlG, Rz. 7; Schaub Arbeitsrechtshandbuch/Linck, 19. Auflage 2021, ...

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